Türkei: Präsidentschaftskandidat Ince zieht sich zurück

Kurz vor der ersten Runde der Präsidentenwahl in der Türkei ist der Politiker Muharrem Ince aus dem Rennen ausgestiegen. „Ich ziehe meine Kandidatur zurück“, sagte der Vorsitzende der Partei Memleket (Vaterland) heute bei einer Pressekonferenz. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung in der ersten Wahlrunde.

Im Rennen um das Präsidentenamt stehen nun neben Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan noch der Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu und Sinan Ogan, Kandidat einer ultranationalistischen Allianz, zur Wahl. Ince war in Umfragen nur ein einstelliges Ergebnis vorausgesagt worden. Er war Erdogan als Kandidat seiner früheren Partei CHP bei der Präsidentschaftswahl 2018 unterlegen.

Kandidatur sorgte für Diskussionen

Seine erneute Kandidatur hatte Diskussionen ausgelöst: Kritikerinnen und Kritiker argumentierten, dass er damit eine Niederlage des aussichtsreichsten Erdogan-Herausforderers und jetzigen Kandidaten der CHP, Kilicdaroglu, wahrscheinlicher mache. Meinungsforschern zufolge zieht Ince vor allem Protestwähler an. Er ist zudem bei jungen Wählern beliebt.

Muharrem Ince (Vorsitzender der türkischen Partei Memleket)
AP

Ince sprach in seiner Rede von „verleumderischen“ Aufnahmen. In den vergangenen Tagen waren Korruptionsvorwürfe gegen ihn laut geworden und kompromittierende Bilder aufgetaucht. Ob diese authentisch sind, ist völlig unklar. Er fügte hinzu, er wolle nicht, dass der größere Oppositionsblock hinter Kilicdaroglu ihn für eine mögliche Niederlage verantwortlich mache.

Erdogan in Umfrage klar hinter Kilicdaroglu

Noch bevor Inces Rücktritt bekanntwurde, fiel Erdogan in einer Umfrage deutlich hinter Kilicdaroglu zurück. Heute veröffentlichten Daten des Instituts Konda zufolge sprachen sich 43,7 Prozent der Befragten für Erdogan und 49,3 Prozent für Kilicdaroglu aus. Wenn am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, ist eine Stichwahl am 28. Mai vorgesehen.

Die Umfrage deutet darauf hin, dass Erdogans Rivale dann zusätzliche Punkte sammeln könnte. Denn die Anhänger und Anhängerinnen des noch übrigen Bewerbers neigen dem Institut zufolge alternativ mehrheitlich zu einer Unterstützung Kilicdaroglus. In der Umfrage favorisierten 4,8 Prozent Sinan Ogan, Ince hatten im Vorfeld des Rücktritts 2,2 Prozent ihre Gunst zugesagt. Befragt wurden 3.480 Personen am 6. und 7. Mai.

Nach 20 Jahren unter Präsident Erdogan steht die Türkei am Scheideweg. In Umfragen liefern er und Kilicdaroglu einander ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die rund 64 Millionen Wahlberechtigten entscheiden bei der Wahl von Präsident und Parlament auch über das künftige politische System. Während Erdogan einen autoritären Führungsstil pflegt, hat Kilicdaroglu einen demokratischen Neuanfang angekündigt.