Regionalzug in Deutschland
Reuters/Annegret Hilse
Per Gericht

Deutsche Bahn will Warnstreik stoppen

In Deutschland will die Eisenbahnergewerkschaft ab Sonntagabend für zwei Tage streiken – und die Deutsche Bahn (DB) will das quasi in letzter Minute verhindern. Sie brachte am Samstag einen entsprechenden Eilantrag beim Arbeitsgericht in Frankfurt am Main ein. Der Warnstreik sei „unverhältnismäßig“, so die Begründung. Er ist der längste seit Jahren und dürfte beträchtliche Folgen haben. Deutlich zu spüren sein wird er auch in Österreich.

Solange die Zeichen bei der DB auf Streik stehen, ist auch mit deutlichen Auswirkungen im Schienenverkehr in Österreich zu rechnen. Im Interesse der Kundinnen und Kunden, wie es am Samstag hieß, beschritt sie den Rechtsweg. Der angekündigte bundesweite Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sei unverhältnismäßig und schädige Kunden sowie unbeteiligte Dritte, hieß es zur Begründung.

Die DB habe in dem Konflikt über den aktuellen Kollektivvertrag mehr als zehn Prozent Lohnerhöhung angeboten und sich mehrmals auf die Gewerkschaft zubewegt, hieß es am Samstag. Diese halte trotzdem an dem Warnstreik fest. Der Eilantrag bei Gericht sei „im Interesse der Kundinnen und Kunden jetzt geboten“, teilte die DB mit.

Bahnstreik in Deutschland

Ab Sonntag hat die Gewerkschaft in Deutschland einen 50-stündigen Warnstreik angekündigt. Damit wird der gesamte Zugsverkehr im Land lahmgelegt.

Fernverkehr komplett eingestellt, kaum Regionalzüge

Die EVG hat ab Sonntag, 22.00 Uhr, zum dritten Warnstreik bei der Bahn in diesem Jahr aufgerufen und wird damit erneut den Verkehr auf der Schiene lahmlegen. Die DB entschied kurz nach der Ankündigung, dass sie für den Zeitraum des Streiks den Fernverkehr komplett einstellen wird. Auch im Regional- und Güterverkehr wird zwischen Sonntagabend, 22.00 Uhr, und Dienstagabend, 24.00 Uhr, voraussichtlich kaum ein Zug fahren. „Der DB-Fernverkehr und der Nahverkehr werden bereits am frühen Sonntagabend beeinträchtigt sein“, hieß es am Samstag auf der Website der Bahn.

Geparkte ICE-Züge während des Streiks im April
APA/AFP/Christof Stache
Stillstand auf deutschen Gleisen – zuletzt im April

Da die EVG auch Beschäftigte in Stellwerken zur Arbeitsniederlegung aufgerufen hat, werden absehbar auch Bahnunternehmen getroffen, die derzeit gar nicht mit der EVG verhandeln. Die EVG und 50 Bahnunternehmen streiten seit Ende Februar über neue Kollektivverträge, die Verhandlungen stocken. Die Tarifrunde betrifft 230.000 Beschäftigte, 180.000 davon arbeiten bei der DB.

Die EVG fordert von der Branche 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent für die oberen Einkommen bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bahn hat unter anderem steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen sowie stufenweise Erhöhungen von zehn Prozent bei den unteren und mittleren sowie acht Prozent bei den oberen Einkommensgruppen in Aussicht gestellt. Uneinig ist man sich über einen Mindestlohn, der bei der Bahn bei rund 2.000 Beschäftigten bisher nur über Zulagen gezahlt wird.

Längster Streik bei der Bahn seit 1994

Der angekündigte 50-stündige Streik ist nach Worten des Politikwissenschaftlers Alexander Gallas von der Universität Kassel der längste Warnstreik bei der Bahn in Deutschland seit ihrer Reform 1994. In anderen Branchen seien Warnstreiks von ein bis zwei Tagen aber durchaus üblich, sagte Gallas. „50 Stunden sind ein kurzer und klar umrissener Zeitraum. Aber die Auswirkungen sind für die Bevölkerung sehr spürbar. Darum wirkt das lang.“ Gallas hält den Warnstreik im Vergleich mit anderen Branchen aber durchaus für verhältnismäßig.

Signalanlage der Deutschen Bahn in Leipzig
APA/AFP/Jan Woitas
Der Fernverkehr wird eingestellt, im Nahverkehr gibt es starke Einschränkungen

Mehrheit eher dagegen

Allerdings hat jeder vierte Bürger in Deutschland einer Umfrage zufolge „überhaupt kein Verständnis“ dafür. Volles Verständnis für den Arbeitskampf zeigten in der Umfrage zuletzt nur 19 Prozent der Beteiligten. Außerdem sagten 26 Prozent, dass sie „eher Verständnis“ für die Aktion im laufenden Tarifkonflikt hätten, ebenfalls 26 Prozent haben „eher kein Verständnis“. Fünf Prozent der Befragten machten keine Angabe.

ÖBB erwarten deutliche Folgen auch für Österreich

Aufgrund des Streiks von Sonntagabend bis Dienstagabend „fahren in diesem Zeitraum grenzüberschreitend von/nach Deutschland keine Züge, und auch innerhalb Deutschlands ist der Zugsverkehr weitgehend eingestellt“, hieß es am Samstag auf der Website der ÖBB unter dem Titel „Streikwarnung Deutschland“.

Und weiter: „Auch der innerösterreichische Tagverkehr zwischen Salzburg und Tirol über das deutsche Eck ist von den Einschränkungen betroffen. Wir ersuchen alle betroffenen Reisenden, nicht notwendige Fahrten nach Deutschland zu verschieben bzw. alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. Die Fahrplanänderungen werden nach und nach in der ÖBB-Fahrplanauskunft Scotty aktualisiert.“

Flaschenhals deutsches Eck

Der Bahnverkehr zwischen Salzburg und Tirol über das deutsche Eck werde hauptsächlich von dem Streik betroffen sein, es wird ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet (Zusatz: „gültiges Reisedokument notwendig“). Es sei mit „deutlichen Fahrtzeitverlängerung von bis zu zwei Stunden zu rechnen“, die Liste der Verbindungen, die laut ÖBB ausfallen oder kurzgeführt werden, ist relativ lang.

Auch Nachtzüge (Nightjet und EuroNight) sind laut ÖBB von den Streikmaßnahmen betroffen. „Es wird zu Ausfällen, Teilausfällen und Umleitungen kommen.“ Ab der Nacht von Sonntag auf Montag könnten die Nachtzüge von/nach Deutschland, Belgien und Frankreich sowie aus den und in die Niederlande nicht fahren. Der Nightjet nach Paris entfalle schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Erst in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag werde der Nachtzugsverkehr wieder planmäßig möglich sein. Nahverkehrszüge werden teilweise im Schienenersatzverkehr geführt. Auch der Schienengüterverkehr von und nach Deutschland muss laut ÖBB eingestellt werden.

Die DB teilte am Freitag mit: „Wir sind noch einmal auf die EVG zugegangen und haben bekräftigt, dass es am Thema Mindestlohn nicht scheitern wird.“ Die DB habe die Forderung der EVG eins zu eins erfüllt. „Was sollen wir als Arbeitgeber denn noch machen?“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.