MFP Parteivorsitzender Pita Limjaroenrat
APA/AFP/Jack Taylor
Wahl in Thailand

Prodemokratische Opposition weit vorne

Nach der Parlamentswahl in Thailand am Sonntag liegen die pro-demokratischen Parteien der Opposition vorläufigen Ergebnissen zufolge weit vorne. Die progressive Move-Forward-Partei und die reformorientierte Partei Pheu Thai kamen in der Nacht auf Montag (Ortszeit) nach Auszählung von etwa 95 Prozent der Wahlzettel zusammen auf etwa 60 Prozent der Stimmen, so Berechnungen der Wahlkommission. Ein Machtwechsel wird damit möglich – wenngleich er schwierig bleibt.

Voraussetzung dafür wird wohl eine Koalition sein und die Unterstützung durch kleine Parteien. Für den bisherigen amtierenden Regierungschef und einstigen Putschgeneral Prayut Chan-o-cha wird es jedenfalls eng. „In Thailand ist es Zeit für einen Wandel“, sagte Move-Forward-Chef Pita Limjaroenrat. Eine Zusammenarbeit der derzeitigen Oppositionsparteien sei der perfekte Weg, um die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen das Land stehe.

Move Forward und Pheu Thai lagen am Abend Kopf an Kopf. Ursprünglich wurde erwartet, dass die Pheu-Thai-Partei mit der Tochter des ehemaligen thailändischen Premierministers Thaksin Shinawatra größte Oppositionspartei bleiben könnte. Nach der Auszählung der ersten Hälfte der Stimme sagte Paetongtarn Shinawatra, dass sie sich auch für Move Forward freue. „Die Stimme des Volkes ist am wichtigsten“, sagte sie vor der Presse.

Opposition zuversichtlich

Die Oppositionsführer zeigten sich jedenfalls schon zuvor zuversichtlich, dass sie der vom Militär unterstützten Koalition die Macht entreißen können. „Aufgrund der Zahlen, die wir sehen, können Pheu Thai und Move Forward sowie andere Oppositionsparteien eine Koalitionsregierung bilden“, sagte Move-Forward-Chef Pita in einem Briefing nach Schließung der Wahllokale.

Einer Wählerin wirft ihre Wahlkarte in einer Urne
Reuters/Jorge Silva
Über 50 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen

Koalitionen sind in Thailand üblich und können sehr groß sein: An der scheidenden Regierung sind mehr als ein Dutzend Parteien beteiligt. Pheu Thai und Move Forward schlossen ein Bündnis mit Putschgeneral Chan-o-chas (UTN) oder der Palang Pracharath (PPRP), die ebenfalls vom Militär gestützt wird, aus. Auch die Demokratische Partei und Bhumjaithai könnten eine Mehrheit sichern.

Wahlkommission sah keine Schwierigkeiten

Der Generalsekretär der Wahlkommission teilte Reportern zuvor mit, dass die Abstimmung reibungslos verlaufen sei und keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten erkennbar seien. Ungefähr 52 Millionen Thailänderinnen und Thailänder waren wahlberechtigt, und mehr als 90 Prozent der etwa 2,3 Millionen Menschen, die sich letzte Woche für die vorzeitige Stimmabgabe registriert hatten, taten das.

Selbst ein Erdrutschsieg der demokratiefreundlichen Parteien garantiert keinen klaren Weg an die Macht: Gemäß einer 2017 verkündeten Verfassung dürfen die 250 vom Militär ernannten Senatorinnen und Senatoren gemeinsam mit den 500 gewählten Unterhausmitgliedern über den nächsten Premierminister bzw. die nächste Premierministerin entscheiden.

Darüber hinaus hatten einige der führenden Parteien mehrere Kandidaten für den Posten des Regierungschefs aufgestellt. Gemäß den Wahlregeln kann es bis zu zwei Monate dauern, bis die Wahlkommission die Mitglieder des Unterhauses bestätigt. Die gemeinsamen Kammern werden dann zusammenkommen, um die nächste Führung des Landes zu wählen.

Thailändischer Premier Prayuth Chan-ocha
Reuters/Jorge Silva
Der ehemalige Putschgeneral und Regierungschef Prayut Chan-o-cha gab sich im Wahlkampf siegessicher

Hohes Demokratiebewusstsein bei Jüngeren

Bei vielen im Land ist die Sehnsucht nach Veränderung groß. Viele Thailänderinnen und Thailänder fordern mehr demokratische Rechte und Fortschritt in ihrem Land. „Gerade bei jungen Leuten scheint das Bewusstsein für die Demokratie in den letzten Jahren gestiegen zu sein“, sagte Celine Caro, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Thailand, gegenüber der dpa.

Diese beobachteten ganz genau, ob der Wahlprozess respektiert werde und die neue Regierung am Ende die Präferenzen der Wähler widerspiegle. Ob es friedlich bleibt, weiß derzeit niemand. „Die Wochen nach der Wahl werden zeigen, ob eine Konsolidierung der Demokratie in Thailand möglich ist“, sagte Caro.

Wirtschaft als Wahlkampfthema Nummer eins

Das Thema, das die Menschen im Land unterdessen am meisten bewegte und den Wahlkampf überwiegend bestimmte, ist die Wirtschaft. Zwar kann Thailand laut Weltbank in diesem Jahr mit einem Wachstum von 3,6 Prozent rechnen, jedoch hauptsächlich getrieben durch die Erholung der gebeutelten Tourismusbranche nach der CoV-Pandemie.

Wahlplakate auf Straße in Thailand
Reuters/Chalinee Thirasupa
Für viele Thailänderinnen und Thailänder war vor allem Wirtschaft ein wichtiges Wahlkampfthema

Viele Marktverkäufer, Fabrikarbeiter und Landwirte wissen schon lange nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Thailand größer. Taxifahrer in Bangkok erzählen, dass sie oft 16 bis 17 Stunden arbeiten müssen, um ihre Familien zu ernähren. Häufig komme es vor, dass ihnen am Steuer die Augen zufielen. „Es muss sich etwas ändern, ich werde deshalb für die Opposition stimmen“, zitierte die dpa einen Taxifahrer.

Umwelt und Klima nur Randthemen

Themen, die im Wahlkampf untergegangen sind, waren Umwelt und Klima. Denn trotz durch Brände verursachten Smogs, rekordverdächtiger Hitzewellen und zunehmender Überschwemmungen haben grüne Bewegungen bei Thailands Wählern bisher wenig Zuspruch gefunden. Die Grünen Thailands kamen bei der Wahl 2019 auf weniger als ein Prozent der Stimmen.

Die nördliche Stadt Chiang Mai, beliebt bei Rucksacktouristen, hat in diesem Jahr sogar traurige Berühmtheit erlangt, als sie Peking und Neu-Delhi auf der Liste der Städte mit der schlechtesten Luft überholte. Thailand und Südostasien im Allgemeinen gehören zu den Regionen, die am anfälligsten für den Klimawandel sind. Laut einem Klimabericht des Instituts ISEAS-Yusof Ishak von 2022 meinten 66 Prozent der Thailänder, dass die Parteien den Klimawandel nicht hoch genug bewerteten.