Pita Limjaroenrat, thailändischer Oppositionskandidat
APA/AFP/Jack Taylor
Wahl in Thailand

Prodemokratische Opposition siegt

Die prodemokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl am Sonntag einen überragenden Sieg errungen. Gewinnerin ist die progressive Move-Forward-Partei (MFP) unter ihrem Chef Pita Limjaroenrat. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt die 2014 gegründete Partei laut Wahlkommission auf insgesamt etwa 150 Sitze im 500-köpfigen Parlament. 14 Millionen Menschen machten der Auszählung zufolge ihr Kreuz bei der MFP.

Den zweiten Platz belegt mit wahrscheinlich rund 140 Sitzen die ebenfalls oppositionelle Partei Pheu Thai (PTP) unter Führung der 36-jährigen Paetongtarn Shinawatra. Sie ist Spross einer steinreichen Politikerdynastie. Vor der Wahl war die PTP in Umfragen lange vorne gelegen. Wahlsieger Limajaroenrat sagte zu Medien, er strebe eine Koalition mit der PTP an. Die vom Militär gestützte Phalang-Pracharat-Partei (PPRP) – das Militär war nach einem Putsch 2014 an die Macht gekommen und erhielt bei der Wahl 2019 die meisten Stimmen – fuhr hingegen herbe Verluste ein.

Der 42-jährige Limjaroenrat erklärte auf Twitter, er sei bereit, der nächste Ministerpräsident zu werden. Seine Partei setzt sich unter anderem für eine Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform der Monarchie ein. Das südostasiatische Urlaubsland hat das wohl härteste Monarchiegesetz der Welt. Es sieht extrem lange Haftstrafen für Majestätsbeleidigung vor. Dagegen gibt es schon lange Proteste.

Überragender Wahlsieg für Opposition

Die prodemokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl einen überragenden Sieg errungen. Gewinnerin ist die progressive Move-Forward-Partei (MFP) unter ihrem Chef Pita Limjaroenrat. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt die 2014 gegründete Partei laut Wahlkommission auf insgesamt etwa 150 Sitze im 500-köpfigen Parlament.

Wahlbeteiligung historisch hoch

„Gemeinsam werden wir das Land verändern“, schrieb Limjaroenrat weiter und fügte hinzu, er wolle Regierungschef für alle Thais sein, ob sie seine Politik befürworten oder nicht. Jedoch ist es Beobachterinnen und Beobachtern zufolge bis dahin noch ein langer und komplizierter Weg.

Paetongtarn Shinawatra, thailändische Oppositionskandidatin
AP/Wason Wanichakorn
Shinawatra ist mit ihrer PTP die Zweitplatzierte

Der Generalsekretär der Wahlkommission teilte Medien zuvor mit, dass die Abstimmung reibungslos verlaufen sei und keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten erkennbar seien. Ungefähr 52 Millionen Thailänderinnen und Thailänder waren wahlberechtigt, und mehr als 90 Prozent der etwa 2,3 Millionen Menschen, die sich letzte Woche für die vorzeitige Stimmabgabe registriert hatten, taten das. Die Wahlbeteiligung war mit mehr als 75 Prozent so hoch wie selten zuvor.

Senatoren könnten Blatt wenden

Doch selbst ein Erdrutschsieg der demokratiefreundlichen Parteien garantiert keinen klaren Weg an die Macht: Gemäß einer 2017 verkündeten Verfassung dürfen die 250 vom Militär ernannten Senatorinnen und Senatoren gemeinsam mit den 500 gewählten Unterhausmitgliedern über den nächsten Premierminister bzw. die nächste Premierministerin entscheiden. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Senatoren die Opposition unterstützen werden.

Thailändischer Premier Prayuth Chan-ocha
Reuters/Jorge Silva
Der ehemalige Putschgeneral und Regierungschef Prayut Chan-o-cha gab sich im Wahlkampf siegessicher

So könnten der amtierende Ministerpräsident und Putschgeneral Chan-o-cha oder eine andere militärnahe Partei trotz Wahlpleite am Ende theoretisch eine Minderheitsregierung führen. Die Zeitung „Bangkok Post“ kommentierte: „Während wir hoffen, dass der Senat den Geist der Demokratie würdigt, indem er die Regel der Mehrheitsentscheidung respektiert, deuten die Bemerkungen einiger Senatoren darauf hin, dass uns stürmische Tage bevorstehen.“

Regierungschef bzw. -chefin wird, wer insgesamt mindestens 376 Stimmen auf sich vereint – somit reichen für einen militärnahen Kandidaten voraussichtlich 125 Stimmen aus dem Repräsentantenhaus. Auch nach der bisher letzten Wahl im Jahr 2019 war die Unterstützung der Senatorinnen und Senatoren entscheidend für die Koalition unter dem derzeitigen Regierungschef. Gemäß den Wahlregeln kann es bis zu zwei Monate dauern, bis die Wahlkommission die Mitglieder des Unterhauses bestätigt. Die beiden Kammern werden dann zusammenkommen, um die nächste Führung des Landes zu wählen.

Hohes Demokratiebewusstsein bei Jüngeren

Bei vielen im Land ist die Sehnsucht nach Veränderung groß. Viele Thailänderinnen und Thailänder fordern mehr demokratische Rechte und Fortschritt in ihrem Land. „Gerade bei jungen Leuten scheint das Bewusstsein für die Demokratie in den letzten Jahren gestiegen zu sein“, sagte Celine Caro, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Thailand, gegenüber der dpa.

Stimmen werden ausgezählt in Thailand
Reuters/Athit Perawongmetha
Die Wahlbeteiligung war mit 75 Prozent historisch hoch

Diese beobachteten ganz genau, ob der Wahlprozess respektiert werde und die neue Regierung am Ende die Präferenzen der Wählerinnen und Wähler widerspiegle. Ob es friedlich bleibt, weiß derzeit niemand. „Die Wochen nach der Wahl werden zeigen, ob eine Konsolidierung der Demokratie in Thailand möglich ist“, sagte Caro.

Seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932 gab es in Thailand zwölf erfolgreiche Staatsstreiche. Beobachterinnen und Beobachter halten im Fall einer Regierungsbildung durch die derzeitigen Oppositionsparteien ein Eingreifen des Militärs für möglich. Zudem hatten sich zuletzt im Land Gerüchte verbreitet, dass die oppositionelle MFP durch einen Gerichtsbeschluss aufgelöst werden könnte – wie bereits ihre Vorgängerpartei FFP nach deren überraschend gutem Wahlergebnis im Jahr 2019.

Wirtschaft als wichtigstes Wahlkampfthema, Klima weniger

Das Thema, das die Menschen im Land unterdessen am meisten bewegte und den Wahlkampf überwiegend bestimmte, ist die Wirtschaft. Zwar kann Thailand laut Weltbank in diesem Jahr mit einem Wachstum von 3,6 Prozent rechnen, jedoch hauptsächlich getrieben durch die Erholung der gebeutelten Tourismusbranche nach der CoV-Pandemie. Viele Marktverkäuferinnen, Fabrikarbeiter und Landwirte wissen schon lange nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Thailand größer.

Wähler stehen in Schlange mit Sonnenschirmen
APA/AFP/Madaree Tohlala
Lange Schlangen bildeten sich am Sonntag vor den Wahllokalen

Themen, die im Wahlkampf untergegangen sind, waren Umwelt und Klima. Denn trotz durch Brände verursachten Smogs, rekordverdächtiger Hitzewellen und zunehmender Überschwemmungen haben grüne Bewegungen bei Thailands Wählerinnen und Wählern bisher wenig Zuspruch gefunden. Die Grünen Thailands kamen bei der Wahl 2019 auf weniger als ein Prozent der Stimmen.

Die nördliche Stadt Chiang Mai, beliebt bei Rucksacktouristinnen und -touristen, hat in diesem Jahr sogar traurige Berühmtheit erlangt, als sie Peking und Delhi auf der Liste der Städte mit der schlechtesten Luft überholte. Thailand und Südostasien im Allgemeinen gehören zu den Regionen, die am anfälligsten für den Klimawandel sind. Laut einem Klimabericht des Instituts ISEAS-Yusof Ishak von 2022 meinten 66 Prozent der Thailänderinnen und Thailänder, dass die Parteien den Klimawandel nicht hoch genug bewerteten.