Der Ukrainische Präsident Volodymyr Selenskyj
AP/Thomas Samson
Selenskyj bei Sunak

London liefert Kampfdrohnen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Montag überraschend nach Großbritannien gereist. In den letzten Tagen hatte Selenskyj bereits Italien, Deutschland und Frankreich besucht. Er versuchte, zusätzliche Rückendeckung der Verbündeten vor der geplanten Gegenoffensive zu erhalten – und London kündigte die Lieferung von Langstreckenkampfdrohnen an. Auch die Lieferung westlicher Kampfjets wird immer wahrscheinlicher.

Selenskyj reiste direkt von Paris nach London. Auf dem Landsitz Chequers traf er den britischen Premierminister Rishi Sunak zu Gesprächen. Das Vereinigte Königreich sei bei der militärischen Unterstützung der Ukraine führend, „heute wird diese Zusammenarbeit fortgesetzt“, so Selenskyj.

Bereits zuvor wurde bekannt, dass London der Ukraine zahlreiche Flugabwehrraketen sowie Hunderte Kampfdrohnen liefern wird. Die Drohnen hätten eine Reichweite von mehr als 200 Kilometern. Die Waffen würden in den kommenden Monaten geliefert. Vergangene Woche hatte Großbritannien als erstes Land damit begonnen, die Ukraine mit Marschflugkörpern auszurüsten.

Selenskyj optimistisch zu Kampfjetkoalition

Offenbar gibt es auch wichtige Fortschritte bei der ukrainischen Forderung nach der Lieferung westlicher Kampfjets. „Wir wollen diese Jetkoalition aufbauen, und ich bin sehr positiv gestimmt“, sagte Selenskyj nach dem Treffen mit Sunak. „Wir haben darüber gesprochen, und ich glaube, dass Sie in allernächster Zeit dazu etwas hören werden.“ Selenskyj sprach von „wichtigen Entscheidungen“. „Aber wir müssen noch ein wenig mehr daran arbeiten“, sagte er.

Sunak kündigt baldige Pilotenausbildung an

Sunak sagte, Großbritannien wolle ukrainische Piloten „recht bald“ an westlichen Jets ausbilden. „Wir werden ein wichtiger Teil der Staatenkoalition sein, die Wolodymyr und der Ukraine diese Unterstützung gewährt“, sagte der Regierungschef. Das sei aber nicht einfach. „Es geht nicht nur um die Bereitstellung von Flugzeugen, sondern auch um die Ausbildung von Piloten und die gesamte damit verbundene Logistik, und Großbritannien kann dabei eine große Rolle spielen“, sagte Sunak.

Die Ukraine wünscht sich moderne Jets für die bevorstehende Offensive zur Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete. Viele Länder lehnen eine Lieferung von Maschinen des Typs F-16 aber bisher ab.

Großbritannien kündigte den Aufbau einer Flugschule für ukrainische Piloten an. Damit könnten sie an verschiedenen Flugzeugtypen ausgebildet werden, sagte Sunak. Unmittelbar vor Selenskyjs Ankunft hatte London die Lieferung von Flugabwehrraketen und Kampfdrohnen mit größerer Reichweite angekündigt.

Moskau: „Extrem negativ“

Aus dem Kreml hieß es, die aufgestockte britische Militärhilfe ändere nichts am Ausgang des Krieges. Die Entscheidung, Marschflugkörper und andere Militärausrüstung an Kiew zu liefern, sei „extrem negativ“.

London: Schwäche russischer Flugabwehr

Ob Absicht oder nicht, das tägliche britische Geheimdienst-Update zur Lage in der Ukraine von Montagvormittag passte genau zum Hauptthema von Selenskyjs Besuch. Laut britischen Geheimdiensten deckte ein Drohnenangriff auf einen strategisch wichtigen Militärflugplatz im Westen Russlands erneut Schwächen der russischen Flugabwehr auf. Am 3. Mai hätten mehrere Drohnen das Flugfeld Seschtscha im Gebiet Brjansk attackiert und dabei vermutlich eine Transportmaschine vom Typ Antonow An-124 beschädigt, teilte das Verteidigungsministerium in London mit.

Die russische Führung sei wahrscheinlich besorgt, dass die Flugabwehr geschwächt und wichtige strategische Einrichtungen wie Luftstützpunkte gefährdet seien. Seschtscha liegt rund 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt und ist nach britischen Angaben ein wichtiger Knotenpunkt für die russischen Luftstreitkräfte. Zudem würden von dort iranische Kamikazedrohnen gegen Ziele in der Ukraine gestartet.

Russland schickt weitere Truppen nach Bachmut

In der Schlacht um Bachmut hält Russland nach ukrainischen Angaben an seinem Plan fest, die seit Monaten umkämpfte Stadt im Osten der Ukraine zu erobern. Dazu würden neue Angriffstruppen in die Außenbezirke der Stadt geschickt, teilte die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram mit.

Das ukrainische Militär konnte allerdings zuletzt offenbar mehrere Erfolge bei Bachmut erzielen. Diesen Vormarsch betrachtet Kiew laut eigenen Angaben als ersten Erfolg der Offensive zur Verteidigung der seit Monaten erbittert umkämpften Stadt. Der Einsatz gehe weiter, teilte der Kommandeur der Bodentruppen, Generaloberst Olexandr Syrskyj, mit. „Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass wir auch unter solch extrem schwierigen Bedingungen vorrücken und den Feind vernichten können. … Der Einsatz zur Verteidigung Bachmuts geht weiter. Alle notwendigen Entscheidungen zur Verteidigung wurden getroffen.“

China versucht zu vermitteln

China wirbt um eine Lösung im Ukraine-Konflikt. Chinas Sonderbeauftragter für eurasische Angelegenheiten und ehemaliger Botschafter in Russland, Li Hui, werde am Montag seine Reise in die Ukraine, nach Russland und in andere europäische Städte antreten, um eine „politische Lösung“ der Ukraine-Krise zu erörtern, teilte das chinesische Außenministerium mit. Auf der mehrtägigen Reise werde Li auch Polen, Frankreich und Deutschland besuchen. Ein genauer Zeitplan wurde nicht genannt.