Pita Limjaroenrat von der Move Forward Partei feiert mit seinen Anhängern
Reuters/Athit Perawongmetha
Trotz Wahlsiegs der Opposition

Thailands Militär hat Trumpf in Hinterhand

Die prodemokratische Opposition hat die mit Spannung erwartete Parlamentswahl in Thailand am Sonntag klar gewonnen und der vom Militär gestützten Regierung eine schwere Niederlage beschert. Bereits am Montag haben sich die beiden größten Oppositionsparteien Move Forward (MFP) und Pheu Thai (PTP) auf die Bildung einer Regierungskoalition geeinigt. Einfach dürfte eine solche allerdings nicht werden, denn das Militär hat die Verfassung in den letzten Jahren stark zu seinem Vorteil verändert.

Nach einem klaren Sieg seiner oppositionellen MFP hat Parteichef Pita Limjaroenrat den Wahlsieg für sich beansprucht. „Ich bin Pita Limjaroenrat, der nächste Ministerpräsident Thailands“, sagte er am Montag vor Journalistinnen und Journalisten in der MFP-Zentrale in Bangkok. „Wir sind bereit, die Regierung zu bilden“, fügte er hinzu und versprach, ein „Ministerpräsident für alle“ zu sein. Nach fast einem Jahrzehnt vom Militär gestützter Regierungen hatte die MFP bei der Wahl am Sonntag einen klaren Sieg eingefahren.

Mit 14 Millionen Stimmen wurde die Partei stärkste Kraft, gefolgt von der ebenfalls oppositionellen PTP mit deren Spitzenkandidatin Paetongtarn Shinawatra. In den letzten Umfragen vor der Wahl war diese noch an erster Stelle gelegen. Shinawatra stammt aus der steinreichen Shinawatra-Dynastie: Ihr Vater und ihre Tante waren beide in Thailand schon an der Macht – leben nun aber im Exil, nachdem sie bei Militärputschen gestürzt wurden.

Die Partei United Thai Nation (UTN) des von der Armee unterstützten Ministerpräsidenten Prayut Chan-o-cha lag demnach mit etwa 4,6 Millionen Stimmen deutlich abgeschlagen auf Platz drei. Die Wahlbeteiligung war mit mehr als 75 Prozent so hoch wie selten zuvor.

„Premierminister für alle“

Die prodemokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl einen überragenden Sieg errungen. Gewinnerin ist die progressive Move-Forward-Partei (MFP) unter ihrem Chef Pita Limjaroenrat.

Senat für Mehrheit benötigt

Limjaroenrat schlug am Montag ein Bündnis aus sechs Parteien vor, mit ihm als Ministerpräsidenten. Die zweite große Oppositionspartei PTP zeigte sich einverstanden damit. Mit den 151 Stimmen der MFP, den 141 der PTP und von vier Kleinparteien würde die Allianz somit auf insgesamt 309 Sitze im 500-köpfigen Repräsentantenhaus kommen und damit die Mehrheit hinter sich haben. Um jedoch Premierminister zu werden, muss Limjaroenrat eine Mehrheit im gesamten Parlament erhalten. Denn neben dem 500-köpfigen Repräsentantenhaus gibt es auch noch die zweite Kammer, den Senat.

Wand mit Informationen zur Wahl in Thailand
IMAGO/Pacific Press Agency/Teera Noisakran
Mit einer Allianz aus sechs Parteien will die Opposition die Militärregierung aus dem Amt drängen

Dieser wurde nach einer Verfassungsänderung des Militärs unter Putschgeneral und aktuellem Regierungschef Chan-o-cha ernannt – seine 250 Mitglieder gelten daher als besonders militärtreu. Für einen garantierten Erfolg bräuchte Limjaroenrat also insgesamt mindestens 376 Mitglieder, die für ihn stimmen. Bei der letzten Wahl 2019 hat der Senat einstimmig für Chan-o-cha gestimmt und ihm damit das Amt des Regierungschefs ermöglicht, obwohl damals die PTP stimmenstärkste Partei wurde.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die nach der Wahl mit sechs Senatorinnen und Senatoren gesprochen hat, deuteten einige an, dass sie nicht unbedingt mit der Mehrheit im Parlament stimmen würden, auch wenn diese den am Sonntag geäußerten Willen des Volkes widerspiegelt. Andere wiederum meinten, sie werden sich enthalten, da es laut ihnen Aufgabe des Unterhauses sei, den Premierminister zu wählen.

Senatsmitglieder in Bangkok
AP/Sakchai Lalit
Um das Amt des Regierungschefs stellen zu können, braucht die Opposition auch die Unterstützung des militärtreuen Senats

MFP-Spitzenkandidat Limjaroenrat zeigte sich überzeugt davon, dass der Senat den Sieg der Opposition nicht unterbinden wird. „Es würde keinen Sinn machen, wenn sie sich gegen den Willen des Volkes stellen. Die Zeit der Militärcoups ist vorbei.“ Das hoffen auch die meisten Thailänderinnen und Thailänder, es wäre aber eine Neuheit: Seit den 1930er Jahren wurde bereits mehr als ein Dutzend Mal geputscht.

MFP will Änderung beim Majestätsbeleidigungsgesetz

Ein Punkt, bei dem die MFP polarisiert, ist die Position zur Änderung des strengen Majestätsbeleidigungsgesetzes. Dieses sieht nämlich eine Strafe von bis zu 15 Jahren für die Verleumdung der Monarchie vor. Kritikerinnen und Kritiker sagen, konservative Regierungen hätten das Gesetz benutzt, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, und würden daher jeden Vorschlag zur Änderung des Gesetzes ablehnen. Laut Verfassung steht der König offiziell über der Politik und wird „ehrfürchtig verehrt“.

Opposition gewinnt Wahl in Thailand

Die prodemokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl am Sonntag einen überragenden Sieg errungen. Die militärnahe Regierung musste herbe Verluste hinnehmen.

Bereits im Jahr 2019 hatte sich die Monarchie als unantastbar gezeigt: Das Verfassungsgericht hatte damals die Future-Forward-Partei – die Vorgängerpartei der MFP – wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz aus dem Parlament ausgeschlossen und verboten. Sie hatte sich ebenfalls für eine Änderung des Majestätsbeleidigungsgesetzes eingesetzt. Die Partei hatte vor allem viele junge Wählerinnen und Wähler rund um prodemokratische Studentenbewegungen, die aufgrund von Verstößen gegen dieses Gesetz inhaftiert wurden. Bei Protesten im Jahr 2020 hatten diese offen die Monarchie kritisiert.

Junge Wählerschaft strebt nach Veränderung

Gerade diese jüngere Wählerschaft, allen voran die Studentinnen und Studenten, strebt nach demokratischen Veränderungen in ihrem Land. Die Zeitung „Bangkok Post“ hatte schon vor der Wahl verkündet, der „Wind des Wandels“ wehe durch das Königreich. Neben der Reform der Monarchie setzt sich die MFP unter anderem auch für eine Abschaffung der Wehrpflicht ein. „Es gibt einen echten Wunsch nach Reformen unter den Wählern, der nicht ignoriert werden kann“, sagte Celine-Agathe Caro, die Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Thailand, der dpa.

Thailänder stehen Schlange vor einem Wahllokal
APA/AFP/Lillian Suwanrumpha
Vor allem die jüngeren Wählerinnen und Wähler streben nach demokratischen Veränderungen in ihrem Land

Die gute Nachricht sei: „Alle Parteien scheinen das erste offizielle Ergebnis der Parlamentswahl als rechtmäßig zu akzeptieren.“ Wanwichit Boonprong, Dozent für Politikwissenschaft an der Rangsit University in Pathum Thani, ist aber überzeugt, dass der Weg nicht leicht wird: Die künftige Regierungskoalition müsse sicher viele Kompromisse eingehen, um regieren zu können, sagte er der „Bangkok Post“.

Expertinnen und Experten haben zudem darauf hingewiesen, dass noch viel passieren kann, bevor die Wahlkommission die Ergebnisse überhaupt für gültig erklärt, ein Prozess, der bis zu 75 Tage dauern kann und mit ziemlicher Sicherheit rechtliche Anfechtungen beinhalten wird.