Spielfiguren zur Illustration politischer Parteien
ORF.at/Peter Pfeiffer
Experte zu SPÖ-Blockade

„Tut ÖVP weniger weh als Grünen“

Solange es wegen der hohen Preise keinen Markteingriff gebe, werde man den Gesetzen der ÖVP-Grünen-Regierung nicht zustimmen: Mit der angekündigten Blockade hatte die SPÖ für viel Aufsehen und scharfe Kritik aus der Koalition gesorgt. Im ORF.at-Gespräch sagt Experte Peter Filzmaier: Eine rote Fundamentalopposition „tut der ÖVP weniger weh als den Grünen“.

Bei der Sondersitzung des Nationalrats am Freitag hatte SPÖ-Klubvizechef Jörg Leichtfried mit der Aussage aufhorchen lassen, dass man der Koalition die Stimmen nicht mehr zur Verfügung stellen werde. „Wir werden jetzt alle Kraft darauf verwenden, diese Regierung dazu zu bringen, dass sie endlich Maßnahmen gegen die Teuerung ergreift“, sagte der Mandatar laut dem stenografischen Protokoll des Parlaments. ÖVP und Grüne übten scharfe Kritik, auch NEOS zeigte sich über die Ansage „wirklich sehr verwundert“.

Davon ließ sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nicht beeindrucken. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter legte sie nach: „Solange die Bundesregierung keinen Markteingriff vornimmt, der Preise senkt, wird es von der Sozialdemokratie keine Zustimmung zu Gesetzen mit Zweidrittelmehrheit geben.“ Am Sonntag appellierte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer an die SPÖ, deren angekündigte Blockade zu überdenken. Man müsse zurück an den Verhandlungstisch, sagte sie. Das Verhalten der SPÖ sei „kurzsichtig und verantwortungslos“, denn darunter würden allen voran wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz leiden.

Klimaschutzgesetze könnten liegen bleiben

Tatsächlich gibt es derzeit zwei wichtige Gesetzesvorhaben von ÖVP und Grünen, die den Klimaschutz betreffen: Das Energieeffizienzgesetz und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz liegen dem Parlament bereits vor und harren des weiteren Gesetzwerdungsprozesses. Für den Beschluss der Vorhaben sind die Stimmen der SPÖ oder der FPÖ notwendig. Zuletzt hatten aber beide Parteien im Ausschuss gegen das Energieeffizienzgesetz gestimmt. Die Koalition vertraut eher darauf, dass man die SPÖ noch umstimmen kann.

Werner Kogler, Karl Nehammer und Pamela Rendi-Wagner
APA/Roland Schlager
Für die Grünen könnte die SPÖ-Blockade schmerzhafter sein als für die ÖVP

Sollten die Sozialdemokraten allerdings ihre Drohung umsetzen und Anträge von ÖVP und Grüne nicht mehr zustimmen, würde das derzeit der ÖVP weniger schaden als den Grünen, meint Politologe Filzmaier im Gespräch mit ORF.at. Das liege eben an den vorliegenden Vorhaben, die insbesondere die Grünen für ihre „Leistungsbilanz“ benötigen. Seit Beginn der Regierungsarbeit sei der Juniorpartner nämlich mit der Frage konfrontiert, ob man sich nicht zu sehr an die Pläne der ÖVP anpasse: „Wenn die Grünen argumentieren, dass dem nicht so ist, müssen sie auch auf Projekte hinweisen, die grüne Handschrift tragen.“

Sowohl das Energieeffizienzgesetz als auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz stammen aus dem grüngeführten Klimaschutzministerium. In den vergangenen Monaten hatten sich die Grünen auch besonders für mehr Transparenz (Informationsfreiheitsgesetz) und eine unabhängige Weisungsspitze in der Justiz (Stichwort Bundesstaatsanwaltschaft) starkgemacht. An beiden Vorhaben wird zwar noch gefeilt, doch es ist anzunehmen, dass für die Umsetzung eine Verfassungsänderung nötig sein wird.

Ist die Blockade richtig oder falsch?

In sozialen Netzwerken hatten sich insbesonders grüne Funktionäre über die angekündigte SPÖ-Blockade echauffiert. Zum einen könne man wichtige Vorhaben wie die Energiewende nicht umsetzen, heißt es etwa. Andere hingegen ventilieren gleichzeitig, dass sich die SPÖ mit einer Fundamentalopposition dem Parlamentarismus entziehen würde. Filzmaier erinnert daran, dass die Blockade bisher eine Ankündigung einer Oppositionspartei ist. Die SPÖ könnte im Juni zudem auch einen neuen Vorsitzenden haben, sagt Filzmaier.

Dass die Fundamentalopposition dem Parlamentarismus widersprechen würde, verneint der Politologe. Es sei eine zulässige Position der Partei, die bisher auch nicht der FPÖ geschadet habe. Unter den Parteichefs Jörg Haider und Heinz-Christian Strache hätten die Freiheitlichen in der Opposition immer wieder auf die Karte der Fundamentalopposition gesetzt. „Will sich die SPÖ mit der FPÖ vergleichen? Bisher war die Meinung der Sozialdemokratie ja immer, dass man diese Rolle eben nicht einnehmen will“, sagt Filzmaier. Denn „staatstragend“ zu sein, hieße auch zuzustimmen, wenn es als notwendig erachtet wird.

Problematisch wäre eine Fundamentalopposition, wenn man damit den Parlamentarismus ganz ablehnen würde, etwa indem diese Position am Ende in den eigenen Statuten festgehalten wird. Die SPÖ habe jedoch ihre Schritte zeitlich befristet festgelegt. Aus Sicht der Regierung sei die Blockade womöglich verantwortungslos, betont der Experte. „Aber im politischen Diskurs stellt sich ja eher die Frage: Ist die Position nun richtig oder falsch?“ Derzeit scheint sie für die SPÖ richtig zu sein. Man hätte allerdings auch vorab Ausnahmen definieren können, um einen gewissen Spielraum für andere Interessen zu haben.

Klubzwang „faktisch“ verkündet

Die Koalition war sich nach der Ankündigung aber auch recht schnell einig. Noch am Freitagnachmittag riefen Maurer und ÖVP-Klubchef August Wöginger eilig zu einer Pressekonferenz. So, wie die SPÖ nun agiert, sei es falsch. „Alles andere wäre auch komisch gewesen“, sagt Filzmaier. Erstens wolle das Regierungsbündnis Einigkeit in Zeiten, in denen man bei bestimmten Sachthemen weit auseinanderliegt, zeigen. Andererseits sei es ein „klassisches“ Muster: „Für eine brüchige Partnerschaft kann ein Gegner von außen einend wirken.“

Aus politikwissenschaftlicher Sicht sei ein weiterer Aspekt spannend: Mit der Ankündigung, in eine Blockadehaltung zu gehen, habe die SPÖ ihren Abgeordneten die Richtung vorgegeben, wie sie sich zu Anträgen von ÖVP und Grünen zu verhalten haben. Die Verfassung garantiere den Parlamentariern und Parlamentarierinnen das freie Mandat, also das Recht, ihr Mandat unbeeinflusst von Bindungen auszuüben, „und auch unbeeinflusst vom Klub“, so der Politologe. Der Klubzwang, den man in der Politik selbst „freiwillige Klubdisziplin“ nennt, sei nun „faktisch“ verkündet worden.