Traktor auf einem Feld in Braunau am Inn.
IMAGO/Daniel Scharinger
Auf die Dürre folgt der Regen

Vorsichtiges Aufatmen in der Landwirtschaft

Nach einem ungewöhnlich warmen und trockenen Winter bedeutet der aktuelle Niederschlag Aufatmen für die heimische Landwirtschaft. Allerdings nur vorerst – denn langfristig bleibt die fehlende Planungssicherheit durch Extremwettereignisse für Landwirtinnen und Landwirte bestehen. Die Folgen der Trockenheit und die derzeit kühle Witterung sorgen zudem weiter für Probleme. So werden Ausfälle bei Kürbis und Zuckerrüben befürchtet – unter anderem wegen zunehmenden Schädlingsbefalls.

Aktuell sei man sehr zufrieden mit den Niederschlägen, so Andreas Pfaller, Referatsleiter Pflanzlicher Erzeugnisse in der Landwirtschaftskammer, gegenüber ORF.at. „Der Regen war prinzipiell mit mehr als 100 Millimetern durchschnittlich in ganz Österreich ausreichend und hat eigentlich schon sehr gut geholfen.“

Heuer gab es im Frühjahr mit Stand 16. Mai in ganz Österreich rund 30 Prozent mehr Niederschlag als im gleichen Zeitraum von 1961—1990. Die Trockenheit hat sich weitgehend entspannt, das zeigt auch der standardisierte Trockenheitsindex der GeoSphere Austria, der Niederschlagsmengen sowie potenzielle Verdunstung mit einberechnet. War im März vor allem der Osten Österreichs noch von Trockenheit betroffen, ist es mittlerweile feuchter als im langjährigen Schnitt zum gleichen Zeitpunkt.

Österreichischer Trockenheitsindex (Niederschlag und potenzielle Verdunstung) der letzten 30 Tage im Vergleich zum langjährigen Mittel 1961-2010, Stand 16.5. und 20.3.2023

„Die Situation hat sich in gewissen Sektoren – vor allem in der Landwirtschaft – stark entspannt, weil die Böden durch anhaltende Niederschläge wieder gut mit Feuchtigkeit versorgt wurden“, sagt auch Klaus Haslinger von GeoSphere Austria gegenüber ORF.at. „Das Frühjahr wird wahrscheinlich mit einer positiven Niederschlagsanomalie abschließen, das heißt, es wird in weiten Teilen Österreichs mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel geben.“ Das seien günstige Voraussetzungen für den Sommer.

Grundwassergebiete reagieren langsamer

Beim Grundwasserspiegel muss die Lage jedoch differenzierter betrachtet werden – so zeichnet sich etwa im Osten Österreichs ab, dass der Bedarf noch nicht ausreichend gedeckt ist. Bei den Gebieten handle es sich um Grundwassergebiete von großer Speicherfähigkeit, die langsam reagieren, hieß es aus dem Landwirtschaftsministerium auf Anfrage von ORF.at.

„Bis die Auswirkungen der derzeitigen Regenfälle zu beobachten sein werden, wird es noch mehrere Tage bis Wochen dauern.“ Insgesamt brauche es aber noch deutlich mehr Regen, um die Niederschlagsdefizite der letzten Monate auszugleichen und wieder ein mittleres Niveau zu erreichen.

Grundwasserstände per 16.5., mehr Informationen per Klick

Starkniederschläge würden zudem zwar grundsätzlich wieder Wasser liefern, „aber in einem zu kurzen Ausmaß und in einer nicht ausreichenden Menge“, sagt auch Helmut Gaugitsch vom Umweltbundesamt im Gespräch mit ORF.at. Da sie sich schwer prognostizieren lassen, sei es schwierig, kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Osten leidet weiterhin unter Trockenheit

Der April und Mai brachten viel Regen. Doch blickt man einen längeren Zeitraum zurück, so zeigt sich, dass es in vielen Monaten teilweise zu trocken war. Vor allem im Osten sind die Auswirkungen noch immer spürbar. Der Pegel des Neusiedler Sees ist weiter auf einem Tiefststand.

Niederschlag „fast schon ein bisschen viel“

Auf der anderen Seite wird der aktuelle Regen in der Landwirtschaft aus der Sicht von Pfaller als „fast schon ein bisschen viel“ empfunden. In Kombination mit der kühlen Witterung würden sich hier durchaus auch Schwierigkeiten ergeben, obwohl man sich nach den Regendefiziten „nur ungern“ beklage.

Probleme verursacht die feuchte Witterung derzeit etwa beim Kürbis, der beim Auflaufen, also der Phase der Pflanzenentwicklung, bei der aus den Samen die Keimlinge entstehen und an der Bodenoberfläche sichtbar werden, länger braucht. „Das Problem, das wir jetzt aktuell sehen, ist, dass der Kürbis dann teilweise verfault. Mit der feuchten Witterung kann man nicht gleich wieder aufs Feld gehen und Kürbis nachbauen – dadurch werden Ausfälle bei Kürbissen befürchtet.“

Zudem stelle sich aufgrund der kühlen, feuchten Witterung die Frage, was man derzeit anbauen könne. Für die Rübe sei es schon fast zu spät, und es würden nur noch wenige andere Kulturen infrage kommen, wie etwa Mais. „Das sind die Probleme, die der Regen ein bisschen mitgebracht hat.“

Verstärkter Schädlingsbefall als Folge

Dass es nach einer ungewöhnlichen Trockenheit derzeit eher ins andere, nasse Extrem geht, gilt laut Fachleuten als Folgeerscheinung des Klimawandels. „Die Extremereignisse, wie der Name sagt, gehen in beide Richtungen“, so Gaugitsch. Manchmal sei es über weite Strecken und über einen langen Zeitraum zu trocken, dann wiederum gebe es Hochwasserereignisse oder Starkniederschläge.

Traktor auf einem Feld in der Nähe von St. Andrä
APA/Hand Klaus Techt
Sowohl extreme Hitze als auch Starkregen fordern die Landwirtschaft

Überflutete Felder führen nicht nur dazu, dass sich Pflanzen gar nicht erst entwickeln können – sogar verstärkter Schädlingsbefall und sinkende Erträge können die Folge sein, so Gaugitsch. Das ist laut Pfaller derzeit bei der Zuckerrübe der Fall, „die grundsätzlich sehr zufrieden ist mit dem Wetter – aber jetzt haben wir das Problem, dass der Rübenderbrüssler tagtäglich Zuckerrübenflächen frisst“. Mindestens 4.000 bis 5.000 Hektar – also zehn Prozent der Flächen – seien teilweise betroffen.

Gewisse Kulturen „nicht mehr anbaubar“

Inwieweit Extremwettereignisse die Ernährungssicherheit hierzulande künftig ebenso beeinträchtigen könnten, wie derzeit in Spanien und Italien gewarnt wird, lässt sich aktuell laut Pfaller nur schwer abschätzen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeige aber bereits, dass sich Trockenphasen stabiler und länger halten. „Und gewisse Kulturen sind dann wirtschaftlich einfach nicht mehr anbaubar und müssen durch andere Kulturen ersetzt werden.“

Eine Flosse auf trockenem Boden
APA/Hand Klaus Techt
Der Wassermangel in den letzten Monaten hat viele Seen in Steinwüsten verwandelt

Man habe schon einmal doppelt so viel Raps gehabt, zudem gebe es viel weniger Sommergerste. „Das ist eine Kombination aus Witterung und steigenden Problemen mit Insekten und anderen Schadenserregern bzw. wirksamen Pflanzenschutzmitteln, die uns dann fehlen, in Kombination mit den sich stärker vermehrenden Insekten.“ Etwa bei Beizmitteln sei man zum Ärger der Bauern stark eingeschränkt worden, bei Zuckerrüben sei das Verbot der Neonikotinoiden ein Thema.

Studien würden bereits prognostizieren, dass vor allem im Osten Österreichs die Erträge stark sinken werden. „Im Trockengebiet gehen die Langzeitprognosen nach wie vor von bis zu minus 40 oder 50 Prozent Ertragseinbußen aus. Und dann muss man sich schon mal überlegen, welche Kultur unter diesen trockenen Bedingungen künftig angebaut werden kann.“ Etwa Soja habe sich mittlerweile zu einer Kultur entwickelt, die mit Trockenheit besser umgehen könne und andere Kulturen bereits abgelöst habe.

Sojaanbau in Neusiedl am See
ORF.at/Viviane Koth
Soja gilt mittlerweile als hitzeresistente Kultur in Österreich

Im Boden schlummert „hohes Potenzial“

Als Maßnahme, um der zunehmenden Unsicherheit in der Branche entgegenzuwirken, sieht Pfaller etwa „Bewässerungssysteme zum richtigen Zeitpunkt“. Die Unsicherheit sei gerade das Problem, mit dem man nur schwer umgehen könne. „Wann regnet es dann wirklich? Welche Kulturen kann ich dann nutzen? Das ist die Herausforderung, mit der die Landwirtschaft gerade kämpft, und da braucht es innovative Ansätze, um das auszugleichen.“

Gaugitsch vom Umweltbundesamt spricht den Böden in puncto Wasserversorgung eine große Bedeutung zu. „Boden, der nicht versiegelt ist, der nachhaltig bewirtschaftet wird, hat ein hohes Potenzial, Wasser und auch Kohlenstoff zu speichern.“ Humusreiche Böden seien besonders wichtig. Hier hätten die Landwirte die Möglichkeit, selbst jenen Einflüssen vorzubeugen, die sie nachteilig betreffen würden.