U.S.-Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Vivek Ramaswamy
APA/AFP/Getty Images North America/Win McNamee
Vivek Ramaswamy

Trumpismus mit frischem Antlitz

Das Rennen um den republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist voll im Gange. Neben Ex-Präsident Donald Trump hatte sich kürzlich auch Floridas Gouverneur Ron DeSantis für die parteiinterne Wahl beworben. Weitere namhafte Republikaner werden folgen. Doch auch ein vergleichsweise unbekannter Politiker erregt derzeit die Aufmerksamkeit: Vivek Ramaswamy.

„Kapitalist und Bürger auf Mission zur Wiederbelebung der Exzellenz im US-amerikanischen Leben“ – mit diesem Slogan wirbt der Politiker auf seiner offiziellen Website. Das klingt etwas weniger schrill als der Wahlspruch des früheren US-Präsidenten Trump („Make America Great Again“), aber in sozialen Netzwerken spricht Ramaswamy schon einmal von „America First 2.0“. Wegen des Drogenschmuggels in die USA richtete er im Februar dem mexikanischen Präsidenten Andres Manuel Lopez Obrador aus: „Es ist ein neuer Daddy in der Stadt.“

In dieser Tonalität geht es auf seiner Wahlkampftour weiter. Der Sohn indischer Einwanderer, der sich selbst als Trumps Erbe sieht, ortet ein gespaltenes Land, das gerade eine große Identitätskrise durchlebe. In diversen Foren wiederholt Ramaswamy sein Mantra: Menschen würden sich einer „rassistischen Wokeness“ und einer „radikalen Gender-Ideologie“ zuwenden, um eine innere Leere zu füllen. Es sei die Aufgabe der Republikaner, diese Leere zu füllen. Ramaswamy schielt auf den Kulturkampf, den bereits Trump befeuert hatte.

In rechten Fußstapfen von Trump

Der in Ohio geborene Politiker studierte Jus an der Eliteuniversität Yale und gründete nach seinem Abschluss unter dem Namen Roivant Sciences mehrere Start-ups. Nachdem er 2021 die Holding verlassen hatte, baute er die Investmentgesellschaft Strive Asset Management auf. Unterstützt wird er von Tech-Milliardär Peter Thiel. Mit Strive Asset Management geht Ramaswamy gegen Nachhaltigkeitsziele bei Geldanlagen vor. Zudem stellt sich der Republikaner gegen finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland. Stattdessen müsse man Taiwan gegen China helfen, so Ramaswamy.

Vivek Ramaswamy steht neben dem Wahlkampftourbus
AP/Charlie Neibergall
Ramaswamy tourt seit Februar durch das Land

Das Spezialgebiet des Republikaners ist allerdings der Kulturkampf. Diesem widmet er sich nicht nur in Reden und Interviews, sondern auch in Büchern. Unter den Titeln „Woke, Inc.: Inside Corporate America’s Social Justice Scam“ und „Nation of Victims“ fordert er das lesende Publikum auf, „Exzellenz zu verfolgen“ und „die Opferkultur abzulehnen“. In mehreren Interviews spricht er von „Wokeness", Transgenderismus“, „Klimatismus“ und „Covid-ismus“. Das seien die Symptome einer „nationalen Identitätskrise“.

Damit tritt Ramaswamy in die Fußstapfen von Trump, der während der Wahlkämpfe und seiner Präsidentschaft in dieselbe Kerbe schlug. Doch Beobachter und Beobachterinnen sind sich einig, dass der unerfahrene Republikaner im Gegensatz zum früheren Präsidenten noch stärker diesen „Kulturkampf“ ventiliert. Ramaswamy attestierte dem Thema höchste Priorität im Wahlkampf.

Medial schlägt er damit schon richtig ein. Insbesondere auf dezidiert konservativen bis rechten Seiten wird er auf- und abgespielt. Auch andere Medien greifen Ramaswamy auf und berichten über dessen Wahlkampftour. Schon im Dezember 2022 widmete das US-Magazin „The New Yorker“ dem „kommenden Star des rechten Flügels“ ein ausführliches Porträt. Zu der Zeit war von seiner Kandidatur keine Spur. Diese machte er erst bei Fox News im Februar öffentlich.

„Vivek“ mit Pence gleichauf

An die Umfragewerte von Trump oder Floridas Gouverneur Ron DeSantis kommt Ramaswamy freilich noch lange nicht heran. Doch im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur holte er in einigen Umfragen die frühere US-UNO-Botschafterin Nikki Haley ein. Eine Umfrage des US-Mediums CBS News von Mai ergab, dass er gemeinsam mit Pence an dritter Stelle liegt – wenn auch nur mit fünf Prozent. Trump führt in allen Umfragen, DeSantis folgt dahinter.

US-Republikaner DeSantis bei einer Rede
IMAGO/ZUMA Wire/Brian Cahn
DeSantis gilt als schärfster Präsidentschaftskonkurrent von Trump innerhalb der Partei

Selbst Trump ist auf Ramaswamy bereits aufmerksam geworden. „Ich freue mich, dass Vivek Ramaswamy in der jüngsten Umfrage von CBS YouGov zu den Vorwahlen der Republikaner so gut abschneidet“, hielt der Ex-Präsident auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social fest. Was ihm an „Vivek“ so gefällt, sei, dass er „nur Gutes über ‚Präsident Trump‘ und alles, was die Trump-Regierung so erfolgreich gemacht hat, zu sagen hat“. Das sei der Grund, warum er so gut abschneidet.

Dass Trump seinen Herausforderer lobt und ihm die Daumen drückt, ist laut „Washington Post“ auf dessen Eigeninteressen zurückzuführen. Trump wolle den Republikanern, die mit seinem Auftreten vielleicht nichts anfangen können, zeigen, dass es noch einen Kandidaten gibt, der nicht DeSantis – der eben als Trumps größter Konkurrent in der parteiinternen Abstimmung gilt – heißt.

Laut dem US-Magazin „The Atlantic“ macht DeSantis derzeit ohnehin keine gute Figur und hinke den Erwartungen hinterher – das war noch vor seiner Ankündigung, in den parteiinternen Vorwahlkampf einzusteigen. Ramaswamy hingegen sei in aller Munde. Seine „überraschend hohen Zahlen deuten darauf hin, dass eine glänzendere, jüngere und lebhaftere Politik im Stil von ‚America First‘ immer noch wettbewerbsfähig sein kann – oder zumindest störend wirkt.“

Vermögen für Kampagne

Gegenüber „Politico“ erklärte Ramaswamys Kampagne, der Kandidat sei bereit, über 100 Millionen Dollar (92 Mio. Euro) in seine Kampagne zu stecken. Dieses Budget reiche für die Vorwahlkampfkampagne, aber würde nicht die Kosten für die Präsidentschaftskandidatur decken. Im ersten Quartal hat Ramaswamy laut dem Medienbericht 10,5 Millionen Dollar in seine politischen Ambitionen gesteckt. Diese Summe habe es ihm ermöglicht, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen, die sich vor allem um die aufwendige digitale Kampagne kümmern.

US-Republikaner Donald Trump bei einer Wahlkampfrede
IMAGO/UPI Photo/Ian Halperin
Trump beglückwünschte seinen Kontrahenten Ramaswamy

Zwar sammelt Ramaswamy mittlerweile auch Spenden, er kann aber auch auf ein sattes Vermögen zurückgreifen, wie „Politico“ anhand seiner Einkommenssteuererklärungen recherchierte. Der Unternehmer stellte diese Journalisten und Journalistinnen zur Verfügung. Seit 2011 habe er mehr als 240 Millionen Dollar verdient, davon 174 Millionen Dollar allein an Kapitalgewinnen im Jahr 2020. Am Tag, an dem er seine Kandidatur verkündete, verkaufte er Anteile der von ihm gegründeten Holding Roivant Sciences um 32 Millionen Dollar.

Wikipedia-Artikel geändert – kein neutraler Standpunkt

Dass zumindest bei Ramaswamy der Wahlkampf voll im Gange ist, merkt man auch an seinem Wikipedia-Eintrag. In den vergangenen Wochen wurde dieser gleich mehrmals aktualisiert. Laut einem Artikel von „Forbes“ hatte der Republikaner für Änderungen Geld fließen lassen. Jeder kann Wikipedia-Artikel ändern, aber es ist gegen die Regeln, wenn jemand einen Artikel über sich selbst bearbeitet. Deshalb wurde ein User namens Jhofferman engagiert. Dieser legte die Bezahlung gemäß Richtlinien auf seinem Profil auch offen.

Vorwahlen in den USA

Der US-Präsident wird in einem zweistufigen Verfahren gewählt. Vor der eigentlichen Wahl finden parteiinterne Vorwahlen statt, in denen sich Republikaner und Demokraten auf jeweils einen Bewerber bzw. eine Bewerberin einigen.

Laut der Versionsgeschichte des Wikipedia-Artikels wurden Zeilen über Ramaswamys Erhalt eines „Paul & Daisy Soros Fellowship for New Americans“ im Jahr 2011 entfernt. Paul Soros war der ältere Bruder des Milliardärs George Soros. Letzterer hatte den Demokraten Geld gespendet, gleichzeitig ist der Philanthrop immer wieder Gegenstand antisemitischer Verschwörungstheorien, die von Rechten verbreitet werden. Nach einem Hin und Her mit anderen Usern fand die Soros-Passage wieder in den Artikel.

Das gilt auch für Ramaswamys Rolle im „Covid-19 Response Team“ des US-Bundesstaates Ohio. Diese wurde entfernt und später wieder eingefügt. User Jhofferman hielt Berichten zufolge fest, dass das Covid-19-Engagement auf Wunsch des Republikaners entfernt wurde, während das Soros-Stipendium vom Redakteur selbst als „irrelevantes Material“ eingestuft wurde.

Angenommen wird aber, dass Ramaswamy jede Verbindung zur Soros-Familie als kontraproduktiv für den republikanischen Wahlkampf ansieht. Jedenfalls wird die Neutralität bzw. Objektivität des englischsprachigen Artikels über den Republikaner als umstritten gekennzeichnet. Wikipedia warnt: „Der Artikel muss möglicherweise bereinigt werden, um den Inhaltsrichtlinien von Wikipedia zu entsprechen, insbesondere dem neutralen Standpunkt. Ein Hauptautor dieses Artikels scheint eine enge Beziehung zum Subjekt zu haben.“