Experte: Bildungsgerechtigkeit seit 30 Jahren nicht verbessert

Die gestern präsentierte internationale Volksschullesestudie PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) hat einmal mehr gezeigt, wie sehr sich in Österreich soziale Unterschiede auf die Bildungschancen der Kinder auswirken.

„Daran hat sich in den letzten 20, 30 Jahren – egal wer an der Regierung war – nichts grundsätzlich geändert“, sagte Bildungsforscher Stefan Hopmann im Ö1-Morgenjournal.

Die Politik hätte hier schon lange eingreifen müssen, so Hopmann. Denn wenn ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage sei, für die Sekundarstufe (Mittelschule, AHS-Unterstufe) ausreichend zu lesen, setze dieser Fehler sich ja immer weiter fort.

Die aktuellen PIRLS-Ergebnisse zeigen – wie frühere internationale Bildungsvergleiche auch – in Österreich deutlich größere Leistungsunterschiede nach Bildungsstand bzw. Beruf der Eltern als in anderen Ländern.

„Das ist ein dramatischer Unterschied, das sollte uns beunruhigen“, sagte auch Dirk Hastedt, Geschäftsführer der für die Studie verantwortlichen International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA). Seit der letzten PIRLS-Studie vor fünf Jahren ist die Leistungskluft etwa gleich geblieben.

Hopmann verweist auf Beispiele aus dem Ausland

Für bessere Ergebnisse brauchte es laut Hopmann in Österreich andere Formen der inneren Differenzierung und eine andere Form der Unterrichtsorganisation. Dafür gebe es international auch genügend Beispiele.

„Wir haben in Österreich das zentrale Problem, dass Elterneinsatz, Hausaufgaben und ähnliche Sachen eine völlig überzogene Rolle spielen, wo man eben nicht allein in der Schule lernen kann, was es für die Schule braucht.“ Hier müsste man ansetzen.

Dass eine Lehrkraft eine Klasse vier Jahre unterrichtet, sei „von vorneherein ein gescheitertes Projekt“, sagte Hopmann. Niemand sei in der Lage, der Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler quer durch alle Inhalte im Volksschulunterricht gleichermaßen gerecht zu werden.

Ärger über Umgang mit Ergebnissen

Verärgert zeigte sich Hopmann über den Umgang mit den Ergebnissen der PIRLS-Studie, etwa wenn das Bildungsministerium diese als Beleg für seine gute Arbeit interpretiere. „Da liest jeder in diese Studie hinein, wozu er gerade Lust hat, völlig unbeschadet der Ergebnisse. Und das finde ich langsam sehr ärgerlich.“