Die von der BBC veröffentlichten Bilder beeindrucken durch ihre Schärfe und die Details, die zu sehen sind: die Seriennummer auf einem Propeller, der Funkraum, das Deck. Der digitale Scan vermittelt den Eindruck, als sei das Wrack in 3-D aus den Tiefen des Ozeans gehoben worden.
Die Bilder wurden im Sommer 2022 von Magellan Ltd, einem Unternehmen für die Kartierung des Meeresbodens, und Atlantic Productions, die einen Dokumentarfilm über das Projekt drehen, aufgenommen.
Man erhofft sich davon neue Erkenntnisse darüber, was genau geschah, als das zum Zeitpunkt des Stapellaufs größte Schiff der Welt auf seiner Jungfernfahrt von Southampton nach New York einen Eisberg rammte. Von den 2.224 Passagieren und Besatzungsmitgliedern kamen damals rund 1.500 ums Leben.
„Es gibt immer noch Fragen, grundlegende Fragen, die über das Schiff beantwortet werden müssen“, sagte Parks Stephenson, ein „Titanic“-Forscher, gegenüber BBC News. Er sagte, das Modell sei „einer der ersten großen Schritte, um die Geschichte der ‚Titanic‘ in Richtung evidenzbasierter Forschung zu lenken – und nicht in Richtung Spekulation“.
Tauchboote, die von einem Team an Bord eines Spezialschiffs ferngesteuert wurden, verbrachten mehr als 200 Stunden damit, das Wrack in seiner gesamten Länge und Breite zu untersuchen. Dabei wurden mehr als 700.000 Bilder aus allen Winkeln aufgenommen, um das Ganze in 3-D nachzubilden.
„Die Tiefe stellt eine Herausforderung dar. Ebenso wie die Strömungen vor Ort“, sagte Gerhard Seiffert von Magellan Ltd. gegenüber der BBC. „Und wir dürfen nichts berühren, um das Wrack nicht zu beschädigen.“ Und: „Wir müssen jeden Quadratzentimeter kartografieren, auch uninteressante Teile (…), um die Lücken zwischen all den interessanten Objekten zu füllen.“
Stephenson, der sich seit vielen Jahren mit der „Titanic“ beschäftigt, sagte, er sei „überwältigt“ gewesen, als er die Scans zum ersten Mal zu Gesicht bekam. „Man kann das Wrack so sehen, wie man es von einem Tauchboot aus niemals kann, und man kann das Wrack in seiner Gesamtheit, im Kontext und in der Perspektive sehen. Und was es uns jetzt zeigt, ist der wahre Zustand des Wracks.“
Neue Aufnahmen von „Titanic“
Gesunkenes Schiff in voller Größe
Er sagte, dass die Untersuchung der Scans neue Erkenntnisse darüber liefern könnte, was mit der „Titanic“ in jener schicksalhaften Nacht 1912 geschah. „Wir wissen wirklich nicht, wie die Kollision mit dem Eisberg ablief. Wir wissen nicht einmal, ob sie ihn an der Steuerbordseite getroffen hat, wie es in allen Filmen gezeigt wird – sie könnte auf dem Eisberg gelandet sein“, sagte er.
Das Meer fordert seinen Tribut von dem Wrack, Mikroben zerfressen es und Teile lösen sich auf. Fachleute sind sich bewusst, dass die Zeit knapp wird, um die Schiffskatastrophe vollständig zu verstehen. Der Scan friert das Wrack nun aber gleichsam ein und soll es möglich machen, jedes noch so kleine Detail zu ergründen.