Das US-Höchstgericht in Washington
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US-Urteil

Schutz für Tech-Riesen bleibt aufrecht

Das oberste Gericht der USA hat eine wichtige Regel, die Onlinedienste vor Haftung für Beiträge von Nutzerinnen und Nutzern schützt, unangetastet gelassen. Die Richterinnen und Richter wiesen in zwei Fällen Kläger ab, die Twitter und Google für die Verbreitung terroristischer Inhalte zur Verantwortung ziehen wollten, wie am Donnerstag bekanntgegeben wurde.

Das Urteil stärkt den als „Section 230“ bekannten Schutzschirm vor Klagen, unter dem sich die großen Onlineplattformen entwickeln konnten. Das oberste Gericht entschied am Donnerstag, dass Twitter nicht nach dem US-Anti-Terror-Gesetz für terroristische Inhalte auf der Plattform haftbar gemacht werden könne.

Geklagt hatten Hinterbliebene eines Mannes, der 2017 bei einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Istanbul getötet worden war. Sie warfen Onlineplattformen vor, terroristische Organisationen durch die Verbreitung deren Beiträge unterstützt zu haben.

Am Supreme Court war man anderer Ansicht. Unter Verweis auf das Twitter-Urteil beschäftigten sie sich nicht mit einem zweiten Fall, in dem es um ähnliche Vorwürfe gegen Googles Videoplattform YouTube ging.

Algorithmen nicht aktive Beihilfe

Ein wichtiges Detail für die Branche ist, dass die Richterinnen und Richter auch die Arbeit allgemeiner Empfehlungsalgorithmen, die Beiträge für Nutzerinnen und Nutzer auswählen, anders als die Kläger nicht als aktive Beihilfe zur Verbreitung bestimmter Videos sahen. Unter anderem in einer Anhörung vor dem Gericht hatte es Debatten darüber gegeben, ob Algorithmen unter den Schutzschirm von „Section 230“ fallen.

Twitter-Zentrale in San Francisco (US-Bundesstaat Kalifornien)
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Tech-Riesen wie Twitter können das Urteil als Erfolg verbuchen

Die gesetzliche US-Regelung aus den 1990er Jahren schützt Onlinedienste vor einer Haftung für die Veröffentlichung von Inhalten, die von anderen erstellt wurden.

Expertin sieht wichtige Fragen offen

Die Tech-Riesen hatten im Vorfeld gewarnt, im Fall einer Niederlage vor Gericht könnte „Chaos“ in sozialen Netzwerken drohen. Das jetzige Urteil ist ein Erfolg für Twitter, Google und Co.

Das US-Höchstgericht kann sich allerdings im Rahmen künftiger Fälle mit der „Section 230“ befassen. Früher oder später werde sich der Supreme Court mit wichtigen Fragen beschäftigen müssen, die im aktuellen Urteil vermieden worden seien, sagte die Rechtsexpertin Anna Diakun der Nachrichtenagentur AP. Dazu gehörten vor allem Fragen, in welchem Umfang „Section 230“ den Plattformen Immunität bietet.

Grenzen für Wiederverwertung von Kunst

In einer weiteren Entscheidung schränkte das US-Höchstgericht unterdessen den Spielraum für die Wiederverwendung von Kunst in neuen Werken ein. Laut Urteil hat der 1987 verstorbene Künstler Andy Warhol mit einem Bild des Musikers Prince die Urheberrechte einer Fotografin verletzt. Warhols Porträt basierte auf ihrem einige Jahre zuvor aufgenommenen Foto.

Die Andy-Warhol-Stiftung verwies in dem Gerichtsverfahren auf die „Fair Use“-Doktrin, die die Wiederverwendung eines Kunstwerks oder seiner Elemente bei der Schaffung neuer Werke zulässt. Die Idee dabei ist, dass auch bei urheberrechtlich geschützten Werken dafür keine Erlaubnis des Urhebers notwendig ist, wenn dabei ein eigenständiges neues Kunstwerk entsteht.

In dem Urteil von Donnerstag folgte die Mehrheit am Supreme Court jedoch der Auffassung, dass Warhol mit seinem Bild nichts „grundlegend anderes und Neues“ geschaffen habe. Auch habe sein Porträt genauso wie das Foto der Fotografin Lynn Goldsmith die kommerzielle Nutzung zum vorrangigen Ziel gehabt. Das hebe den „Fair Use“-Schutz auf. Warhol sei damit nicht anders vorgegangen als etwa ein Musiker, der in seinen Song Musik eines anderen Künstlers einbinde. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für Kunstschaffende haben.