Munitionsfabrik in Scranton
Reuters/Brendan Mcdermid
US-Pentagon

Rechenfehler macht Milliarden für Kiew frei

Das US-Verteidigungsministerium hat den Wert der Waffen, die es in die Ukraine geschickt hat, um mindestens drei Milliarden Dollar überschätzt. Ein unangenehmer Fehler, der sich jetzt aber als nützlich erweisen könnte: Der Differenzbetrag könnte die Freigabe weiterer Waffen ermöglichen, die Kiew vor einer lange erwarteten Gegenoffensive benötigt.

Der Fehler wurde dadurch verursacht, dass den Berechnungen in einigen Fällen die Wiederbeschaffungskosten der zur Verfügung gestellten militärischen Ausrüstung und nicht ihr aktueller Wert zugrunde gelegt worden seien, wie Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh mitteilte. Die Unstimmigkeiten seien während einer regulären Rechnungsprüfung aufgefallen.

Das Verteidigungsministerium hatte den Gesamtwert der US-Militärhilfen an die Ukraine seit Kriegsbeginn zuletzt mit mehr als 36,9 Milliarden US-Dollar (knapp 33,7 Milliarden Euro) angegeben. Diese Zahl dürfte nun nach unten korrigiert werden. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Angehörige des US-Kongresses seien am Donnerstag über die Anpassungen informiert worden, berichteten US-Medien.

Lieferungen aus bestehenden Beständen

Die US-Regierung ist dazu ermächtigt, bei den Hilfsleistungen aus den vorhandenen Waffenbeständen zu schöpfen, anstatt die Monate oder Jahre abzuwarten, die es dauern kann, bis Verteidigungsunternehmen Waffen im Rahmen neuer Verträge herstellen können. Präsident Joe Biden hatte wiederholt die Wichtigkeit des Regelung betont.

Munitionsfabrik in Scranton
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Die USA haben wiederholt betont, sie würden die Ukraine so lange unterstützen, bis Kiew den Krieg gewonnen hat

Seit Beginn des Krieges hat das Pentagon etwa alle zwei Wochen ein neues Waffenpaket angekündigt. Doch nach eigenen Berechnungen der Regierung war die Kasse zuletzt knapp geworden. Der Kongress hatte 14,5 Mrd. Dollar für das gesamte Haushaltsjahr, das am 30. September endet, bewilligt. Mitte der Woche waren davon nach Angaben von Kongressmitarbeiterinnen und -mitarbeitern nur noch 2,7 Mrd. Dollar übrig. Das wäre nicht genug, um das derzeitige Tempo und den Umfang der Pakete bis Ende Sptember aufrechtzuerhalten.

Das Weiße Haus, sagten mehrere demokratische und republikanische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, habe sich aber dagegen gesträubt, den Kongress um eine Aufstockung der Hilfsmittel vor Ende des Haushaltsjahres zu bitten. Die Ukraine habe genügend Ausrüstung aus früheren Hilfspaketen angesammelt, um die erwartete Gegenoffensive gegen russische Stellungen zu starten, argumentierte das Weiße Haus. Zudem könnten europäische Lieferanten wie Deutschland inzwischen mögliche Defizite ausgleichen.

US-Präsident Joe Biden
Reuters/Jonathan Ernst
Biden steht im US-Schuldenstreit schwer unter Druck

Ringen um Schuldenobergrenze

Viele hochrangige Kongressabgeordnete beider Parteien zweifelten diese Darstellung aber an. Mehrere von ihnen spekulierten, dass das Kabinett Biden eine Forderung nach mehr Mitteln ablehne, weil in diesen Tagen erbittert um eine Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA gerungen wird. Biden fordert schon seit Monaten von den Republikanern, einer Anhebung oder Aussetzung der gesetzlich festgelegten Schuldenobergrenze zuzustimmen.

Ohne eine Einigung droht den USA schon Anfang Juni die erste Zahlungsunfähigkeit ihrer Geschichte mit potenziell verheerenden wirtschaftlichen und finanziellen Folgen weit über das Land hinaus. Die USA hatten das Schuldenlimit von knapp 31,4 Billionen Dollar schon im Jänner erreicht. Seitdem verhindert die US-Regierung mit „außergewöhnlichen Maßnahmen“ eine Zahlungsunfähigkeit, die Möglichkeiten dafür sind aber bald ausgeschöpft.

Neuberechnung aller Hilfspakete

Ein Beamter des Verteidigungsministeriums sagte, dass das Pentagon immer noch versuche, genau zu bestimmen, wie hoch der Gesamtüberschuss durch die Fehlkalkulationen bei der Militärhilfe genau sein wird. Rechnungsprüfer hätten die militärischen Dienststellen gebeten, alle früheren Hilfspakete für die Ukraine unter Verwendung der richtigen Kostenzahlen zu überprüfen. Das Ergebnis des Rechenfehlers werde jedenfalls wohl sein, dass das Ministerium mehr Mittel für die Ukraine zur Verfügung haben werde.