Ukrainischer Präsident Wolodimir Selenskyj
AP/Louise Delmotte
Nach G-7-Gipfel

Selenskyj hofft auf baldige F-16-Lieferung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich am Sonntag zum Abschluss des G-7-Gipfels im japanischen Hiroshima für die dort erhaltenen Hilfszusagen bedankt. Im Fokus stehen dabei die für die Ukraine näher gerückte Lieferung von US-Kampfflugzeugen des Typs F-16. Er könne nicht sagen, wie viele Flugzeuge die Ukraine bekommen werde und wann das geschehen wird, so Selenskyj, der dazu anfügte: „Wir werden es beschleunigen, weil es für uns wichtig ist.“

Er sei jedenfalls zuversichtlich, dass die Ukraine nach dem grünen Licht für eine F-16-Ausbildung für seine Piloten auch die schon lange eingeforderten Kampfflugzeuge erhalten werde. Selenskyj verwies in diesem Zusammenhang auf die jetzt anstehende Pilotenausbildung. „Wir haben mehrere Monate Zeit für die Ausbildung unserer Piloten, und wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Leute so gut wie möglich ausgebildet und erfahren sind“, wie Selenskyj Agenturangaben zufolge dazu sagte.

Bei seiner allabendlichen Videoansprache zog Selenskyj eine positive Bilanz seines Auftritts beim G-7-Gipfel. „Das Thema Ukraine stand im Mittelpunkt, der Respekt gegenüber allen Ukrainern war besonders“, so Selenskyj.

Selenskyj war am Vortag als „Überraschungsgast“ für den G-7-Gipfel in Hiroshima gelandet. Hinter dem Japan-Besuch steht Beobachtern zufolge die am Freitag erstmals von den USA in den Raum gestellte Unterstützung in Sachen F-16-Kampfjets. Wie im Vorfeld zum G-7-Gipfel von US-Regierungsvertretern bekanntgegeben wurde, unterstützt nun auch US-Präsident Joe Biden die Ausbildung ukrainischer Piloten an „Kampfjets der vierten Generation, einschließlich F-16“. Nähere Details dazu sind weiter offen – die Ausbildung solle den US-Angaben zufolge aber im Zusammenarbeit mit „Verbündeten und Partnern“ erfolgen.

Ukraine: USA und Indien bieten Hilfe an

Beim G-7-Gipfel in Japan wurde dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj weitere Unterstützung zugesagt. Neben den USA bot ihm diesmal auch Indien direkte Hilfe an.

USA müssen Auslieferung zustimmen

Die Ukraine drängt seit geraumer Zeit auf eine Lieferung westlicher Kampfjets im Krieg gegen Russland. Die Führung in Kiew ist dabei insbesondere an US-Kampfjets vom Typ F-16 interessiert, die von zahlreichen Streitkräften weltweit genutzt werden. Die USA müssten eine Lieferung der F-16 an die Ukraine aus den Beständen der Streitkräfte anderer Länder absegnen. Beobachter sehen diese Option nun deutlich näher gerückt.

Bisher hatte die Biden-Regierung eine Lieferung westlicher Kampfjets an die Ukraine abgelehnt – aus Sorge darüber, Moskau zu provozieren und direkter in den Krieg hineingezogen zu werden. Zudem hatte sie mit der langen Ausbildung der Piloten und hohen Kosten argumentiert und erklärt, es gebe effizientere Wege, um die ukrainische Luftwaffe zu stärken.

Biden: Gibt Zusage, dass Ukraine nicht in Russland angreift

Biden begründete den Schwenk bei der Kampfflugzeugfrage am Sonntag nach einem Treffen mit Selenskyj mit einer veränderten Situation. So machte er deutlich, dass es bei Fortschritten der Ukrainer zu einer Situation kommen könnte, wo diese Waffen größerer Reichweiten bräuchten, als ihnen bisher zur Verfügung stehen. Er argumentierte zudem, dass die Kampfjets der Ukraine im Fall einer künftigen Friedensvereinbarung auch die Zuversicht geben könnten, den Russen bei einem erneuten Angriff Widerstand leisten zu können.

Biden verwies schließlich auch auf eine Zusage von Selenskyj, die F-16 nicht zu nutzen, um „in russisches geografisches Territorium“ vorzustoßen. Die Kampfflugzeuge könnten aber überall dort eingesetzt werden, „wo sich russische Truppen in der Ukraine und in der Region befinden“.

Ukrainischer Präsiden Selenskyj und amerikanischer Präsident Joe Biden
APA/AFP/Ukrainian Presidential Press Service
Selenskyj im Gespräch mit US-Präsident Biden

Scholz: „Längerfristiges Projekt“

Geht es nach Deutschlands Kanzler Olaf Scholz, werde es wohl keine schnelle F-16-Lieferung geben. „Das, was mit der Ausbildung von Piloten verbunden ist, ist ja ein längerfristiges Projekt“. Auch Biden sagte Reuters-Angaben zufolge, dass es „höchst unwahrscheinlich“ sei, dass die Flugzeuge bereits in den kommenden Wochen bei einer etwaigen ukrainischen Offensive zum Einsatz kämen.

Der britische Premier Rishi Sunak kündigte an, sein Land werde im Sommer mit der Ausbildung ukrainischer Kampfpiloten beginnen. Großbritannien verfügt allerdings ebenso wenig wie Deutschland über die von der Ukraine gewünschten F-16-Kampfjets. Das gilt auch für Italien, wo es laut Regierungschefin Giorgia Meloni ebenfalls die Bereitschaft gebe, sich am Ausbildungsprogramm für ukrainische Kampfpiloten zu beteiligen.

Ukraine erwartet Dutzende Kampfjets

Bei der ukrainischen Luftwaffe rechnet man indes bereits mit der Lieferung von Dutzenden Kampfflugzeugen. Diese "werden nicht stückweise übergeben, sondern in Einheiten. „Eine Lufteinheit ist mindestens ein Geschwader, in unserem Fall sind es derzeit mehr als zwölf Flugzeuge, bei unseren westlichen Partnern bis zu 18 Flugzeuge“, sagte Luftwaffensprecher Juri Ihnat im ukrainischen Fernsehen. Auf diese Weise könnten der Ukraine „anfangs mehrere Dutzend Kampfjets zur Lösung anstehender Aufgaben“ übergeben werden.

Die Ukraine forderte die F-16 zunächst als Schutz gegen die russischen Raketen- und Drohnenangriffe. Sie sollen zusammen mit bodengestützten Flugabwehrsystemen eingesetzt werden. Zudem will Kiew westliche Kampfflugzeuge, um Bodentruppen bei Offensiven gegen Russland zu unterstützen. Die Ukrainer argumentieren, die F-16 würden helfen, die eigenen Truppen zu schützen, ihre Verluste zu reduzieren und womöglich auch für ein schnelleres Kriegsende sorgen.

Selenskyj: Breite Unterstützung für Friedensformel

Selenskyj pocht in seinem Friedensplan unter anderem auf die Wiederherstellung der territorialen Einheit der Ukraine und lehnt Gebietsüberlassungen ab. Die ukrainische Friedensformel sei ein klarer Ausdruck des vereinenden Prinzips der Rationalität, wie Selenskyj bei einer Rede vor den G-7-Staats- und Regierungschefs in Hiroshima sagte.

Im Kurznachrichtendienst Telegram erklärte Selenskyj, der Plan sei so entwickelt, dass alle Punkte durch UNO-Resolutionen gestützt würden und jedes Land den Weg für den eigenen Beitrag dazu wählen könne. „Von Japan bis zu den arabischen Ländern, von Europa bis Lateinamerika finden wir Unterstützung für unsere Formel.“

Japan: „Starke Botschaft“ zu Ukraine

Aus Sicht des Gastgebers Japan haben die G-7-Staaten beim Gipfeltreffen in Hiroshima eine „unerschütterliche Einigkeit“ bei der Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland bewiesen. Die persönliche Anwesenheit von Selenskyj habe geholfen, „eine starke Botschaft“ in die Welt zu senden, sagte Japans Regierungschef Fumio Kishida nach dem Ende der dreitägigen Beratungen.

Die G-7-Staaten verfolgten nach den Worten des japanischen Premiers das „Ideal“, die Welt von Atomwaffen zu befreien. „Wir alle sind Bürger von Hiroshima“, die sich nach Frieden sehnten, sagte Kishida, der aus Hiroshima stammt. Die Stadt war am 6. August 1945 von der ersten in einem Krieg abgeworfenen Atombombe zerstört worden.

Hiroshima: Selenskyj besucht Mahnmal

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach Abschluss seines Japan-Besuchs das Friedensmuseum in Hiroshima besucht.

Kishida hatte zuvor Selenskyj ins Friedensmuseum begleitet, in dem Zeugnisse der Folgen des US-Atombombenabwurfs zu sehen sind. Dabei legten die beiden am Mahnmal für die mehr als 300.000 Opfer weiße Blumen nieder.

Treffen mit Lula abgesagt

Zum Ende des G-7-Gipfels stand für Selenskyj dann noch das Treffen mit Biden auf dem Programm. Bereits am Vortag hatte der ukrainische Präsident unter anderen Scholz, Meloni, Sunak, Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, dem kanadischen Premier Justin Trudeau und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen getroffen. Erstmals seit der russischen Invasion in der Ukraine traf Selenskyj zudem den indischen Präsidenten Narendra Modi und den südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol, die als Gäste am Gipfel teilnahmen. Aus terminlichen Grünen wieder abgesagt wurde ein Treffen mit Brasiliens Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Ukrainischer Präsident Wolodimir Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Stefan Rousseau
Scholz, Trudeau, Selenskyj und von der Leyen beim G-7-Gipfel in Hiroshima

Mit den bilateralen Begegnungen einhergingen neue Hilfszusagen. Südkoreas Präsident Yoon versprach Selenskyj etwa rasche Lieferung von Gütern, die die Ukraine benötige, darunter Ausrüstung zur Minenräumung und Krankenwagen für das Militär. Das ostasiatische Land beteiligt sich bereits an den Finanzsanktionen gegen Russland und leistet humanitäre Hilfe für die Ukraine. Kriegswaffen liefert Südkorea – trotz entsprechender Bitten Kiews – auch weiterhin nicht.

Neue Militärhilfe in Höhe von rund 375 Millionen US-Dollar (346 Mio. Euro) gibt es von den USA. Ein von Biden angekündigtes neues Hilfspaket umfasse nach Angaben aus dem Weißen Haus Munition, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge. Er habe dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei einem Gespräch am Rande des Gipfels versichert, dass die USA alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland zu stärken, sagte Biden.

Moskau beklagt antirussische „Hysterie“

Das russische Außenministerium warf den G-7-Staaten unterdessen am Sonntag in einer Erklärung das Schüren einer antirussischen und antichinesischen „Hysterie“ vor. In der auf Telegram veröffentlichten Erklärung kritisierte das Moskauer Ministerium die G-7-Initiativen zudem als „destruktiv“ und als Gefahr für die globale Stabilität.