Stadtansicht von Wien
ORF.at/Sonja Ryzienski
Mietplattformen

Langes Warten auf Regeln für Airbnb und Co.

Das Vermieten von Wohnungen über Plattformen wie Airbnb und Booking.com boomt seit Jahren. Es hat in vielen Städten aber zu teils gravierenden Problemen geführt. Kritikerinnen und Kritiker fordern eine Regulierung auf EU-Ebene. Dieser Prozess geht aber nur zäh voran, dabei gibt es längst konkrete Vorschläge. Karten zeigen unterdessen, wie das kurzfristige Vermieten von Wohnraum – meist an Touristinnen und Touristen – Metropolen wie Wien mittlerweile prägt.

Tausende Wohnungen in Wien sind auf Airbnb, Booking.com und ähnlichen Plattformen inseriert. Auch in Salzburg, Graz und Innsbruck gibt es zahlreiche Angebote, und teils auch in Tourismusregionen auf dem Land. Inside Airbnb, eine Organisation, die Daten zum Thema sammelt, aufbereitet und Kommunen berät, gliedert die Effekte auf zahlreiche Großstädte, darunter Wien, auf. Einmal pro Quartal stellt Inside Airbnb öffentliche Informationen von der Airbnb-Website, darunter die Anzahl und die ungefähre Verortung eines Objekts sowie die Art des Zimmertyps, zusammen. Die Daten zu Airbnb-Vermietungen in Wien hat ORF.at analysiert und nach Bezirken in einem Balkendiagramm sowie nach Zählbezirken in einer Karte grafisch abgebildet.

Ein Blick auf die einzelnen Wiener Bezirke zeigt dabei teils – zumindest auf den ersten Blick – durchaus überraschende Verteilungen: Im ersten Bezirk gibt es – wohl aufgrund des hohen Preisniveaus – vergleichsweise wenig Angebot, dafür haben sich mit Favoriten und Rudolfsheim-Fünfhaus zwei Bezirke außerhalb des Gürtels stark etabliert. Wohl kein Zufall ist, dass in diesen beiden Bezirken in den letzten Jahren die Gentrifizierung vergleichsweise stark war und das möglicherweise auch als Maßstab für die weitere regionale Entwicklung von Kurzvermietungen herangezogen werden kann.

Hype, der Alltag verändert

Für Reisende und Vermieterinnen und Vermieter ist die Situation ein Vorteil: teils günstigere Unterkünfte auf der einen Seite, neue Verdienstmöglichkeiten auf der anderen. Doch mit dem starken Boom und der Kommerzialisierung zeigten sich rasch die Nachteile: Ganze Häuser, ja Straßenzüge bestehen oft schon großteils aus solchen Kurzfristwohnungen.

Für die „normalen“ Hausbewohnerinnen und -bewohner sind die ständigen Wechsel und oft lärmigen Dreitagesnachbarn bestenfalls ein Ärgernis, nicht selten aber eine echte Belastung. Von Lärm bis Dreck reicht hier die Palette. Ganze Viertel haben durch die vielen Kurzfristmietwohnungen ihren Charakter stark verändert. Ganz abgesehen von teils viel höheren Mieten, auch weil viele Wohnungen gar nicht mehr „normal“ vermietet werden, da Kurzfristvermietungen teils viel einträglicher sind. Die Wohnmisere in vielen Städten Europas wurde damit spürbar verschärft.

Florianschütz: Immer mehr Investitionsmodelle

Laut dem Wiener SPÖ-Gemeinderat Peter Florianschütz, der sich seit Jahren bei dem Thema engagiert, entwickelt sich die Kurzfristvermietung immer mehr zu einem Investitionsmodell. Große Fonds würden ganze Häuser oder Blocks entsprechend „entwickeln“, so Florianschütz gegenüber ORF.at. Die Folge seien leere Gegenden und fehlende Anrainerinnen und Anrainer. Von Zuständen wie in Spanien und Italien sei man in Österreich zwar noch weit entfernt, aber auch in Wien werde das Problem immer größer.

Franz Staggl, Fachgruppenobmann Hotellerie der Tiroler Wirtschaftskammer, betont dagegen, ein Problem sei aus seiner Sicht die Kurzvermietung nur, wenn eine Umgehung stattfinde – sprich die Wohnungen nicht gemeldet und nicht ordnungsgemäß Abgaben gezahlt werden. Dann werde nämlich der Bevölkerung auch „effektiver Wohnraum entzogen“. Und Staggl zufolge ist es bisher nur im urbanen Bereich ein Problem, nicht aber auf dem Land – auch nicht in Touristenorten.

AirBnB-Vermietungen nach Wiener Zählbezirken mit Stand März 2023: Einmal pro Quartal stellt Inside AirBnB die öffentlichen Informationen der AirBnB-Website zusammen. Die Daten enthalten auch Informationen zur (anonymisierten) Verortung der Objekte, die Daten sind bis zu 150 Meter von der tatsächlichen Adresse entfernt.

Politik ausgekontert

Wie in anderen Branchen, in die die Plattformökonomie vordrang, profitieren die Kurzfristmietplattformen de facto von der Langsamkeit der Politik. Seit Jahren appellieren die Kommunen an nationale Regierungen und die EU-Behörden. Mittlerweile gibt es einen Wildwuchs an nationalen und lokalen Regelungen.

Eine Allianz betroffener Städte, Wien inklusive, fordert seit Längerem konkrete Maßnahmen. Im November legte die EU-Kommission einen Vorschlag vor. Konkret sollen damit Plattformen wie Airbnb und Booking.com dazu verpflichtet werden, Daten von Vermieterinnen und Vermietern an die nationalen Behörden zu liefern. Dagegen sträuben sich diese aber seit Jahren erfolgreich.

Disruption und Wettkampf um Größe

Die Plattformökonomie hat mit riesigem Kapitaleinsatz in den letzten – mittlerweile – Jahrzehnten ganze Branchen in die Krise getrieben und auf völlig neue Beine gestellt: Soziale Netzwerke setzen Medien unter Druck, Uber und Co. die Taxibranche, der Onlinealleshändler Amazon den stationären Handel – und eben Airbnb und Co. die Hotellerie.

Drei Hauptforderungen der Städte

Der Ausschuss der Regionen legte zuletzt seine Forderungen vor. Die drei wichtigsten Forderungen fasst Florianschütz zusammen: Eine ist eine Pflicht der Plattformen, Daten über alle angebotenen Wohnungen und ihre Vermieter zu liefern – damit die Gemeinden die eigentlich fälligen, aber derzeit oft nicht gezahlten Kommunal- und Tourismusabgaben einheben können. Damit werde immerhin öffentliche Infrastruktur finanziert.

Weiters wird gefordert, dass Städte und Regionen gewisse Beschränkungen erlassen können. Das soll es ermöglichen, dass etwa gewisse Gebietszonen und Wohnbautypen wie geförderter Wohnbau von der Kurzvermietung ausgenommen werden können.

Und drittens müssten in Streitfällen nationale Gerichte zuständig sein, nicht das Land mit der Europazentrale des Unternehmens. Denn letzteres würde bedeuten, dass Streitigkeiten vor irischen Gerichten verhandelt werden müssten – wie das etwa bei der Datenschutzgrundverordnung der Fall ist.

Erste EU-Regeln frühestens 2025

Auch die nationalen Regierungen haben sich im Rat auf ihre Verhandlungsposition geeinigt. Nun fehlt noch das Europäische Parlament. Die angepeilte Datenlieferung durch die Plattformen müsse in der Praxis funktionieren, und gegen illegale Angebote müsse effektiv vorgegangen werden können, betont die zuständige Berichterstatterin des EU-Parlaments, die niederländische Grüne Kim Van Sparrentak, gegenüber ORF.at. Plattformen müssten mehr in die Pflicht genommen werden als das der Vorschlag des Rats vorsehe.

Die Position des Parlaments soll laut Van Sparrentak im September im zuständigen Binnenmarktausschuss fixiert werden. Das Plenum könnte diesen dann im Oktober absegnen. Selbst wenn die dann anstehenden Triloggespräche, in denen Rat, EU-Parlament und Kommission einen Kompromiss aller drei Positionen aushandeln müssen, noch heuer abgeschlossen werden, tritt die Datenübermittlungspflicht frühestens 2025, möglicherweise aber auch erst ein Jahr später in Kraft.

Den Plattformen bleibt also noch eine längere „Gnadenfrist“, bis sie zumindest teilweise EU-weit in die Pflicht genommen werden. Viele Städte und Regionen wollen oder können aber nicht so lange warten und werden weiter versuchen, sich mit eigenen Regularien zu behelfen, auch wenn das für alle Seiten aufwendiger und komplizierter sein dürfte. So kündigte Wien vor wenigen Tagen im Zuge einer Novelle der Bauordnung eine deutliche Verschärfung für Vermieterinnen und Vermieter an – mehr dazu in wien.ORF.at.