Parlament von außen
ORF/Roland WInkler
Aus Brüssel

Hochrangiger Besuch im Parlament

Das Rederecht gilt als eines der wichtigsten und strengsten Instrumente im Parlament. Wer wann wie lange sprechen darf, ist exakt geregelt. Selbst für politische Gäste im Hohen Haus heißt es: bitte nicht stören. Seit 2015 besteht allerdings die Möglichkeit, dass herausragende Politpersönlichkeiten eine Erklärung abgeben dürfen. Am Donnerstag hält die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, eine Rede.

Im Zuge ihres Österreich-Besuchs wendet sich Metsola an die Abgeordneten. Die christdemokratische Malteserin ist seit mehr als einem Jahr Parlamentspräsidentin und die dritte Frau in dem prestigeträchtigen Amt. Sie folgte im Jänner 2022 auf den unerwartet verstorbenen italienischen Sozialdemokraten David Sassoli.

Metsola, die Europäisches Recht studierte, sitzt seit 2013 im EU-Parlament, seit November 2020 war sie dessen erste Vizepräsidentin. Einen Namen machte sie sich als Verfechterin des Rechtsstaats und als Kämpferin gegen Korruption. So forderte Metsola im Umgang mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban eine klare Linie ihrer Parteienfamilie. Zuletzt schlüpfte sie wegen der Korruptionsvorwürfe rund um das EU-Parlament in die Rolle der Krisenmanagerin.

Selten gebrauchtes Rederecht

Seit einer Novelle der Geschäftsordnung im Jahr 2015 kann der Präsident des Nationalrats nach Beratung in der Präsidialkonferenz „herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik einladen, in einer Sitzung des Nationalrates eine Erklärung zu einem bestimmten Thema abzugeben“. Im Anschluss daran findet in der Regel eine Debatte statt. Anträge werden allerdings keine gestellt – auch tatsächliche Berichtigungen sind unzulässig.

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
APA/AFP/John Thys
Metsola wird am Donnerstag eine Erklärung vor dem Nationalrat abgeben

Von diesem Recht wurde bisher aber äußerst selten Gebrauch gemacht. Mit Metsola wird nach dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon 2016 und der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Liliane Maury Pasquier, 2019 erst zum dritten Mal von der Möglichkeit in der Geschäftsordnung des Nationalrats Gebrauch gemacht.

Die Anfang März stattgefundene Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beruhte nicht auf diesem Gesetz. Selenskyj sprach nämlich im Rahmen einer Veranstaltung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor der eigentlichen Nationalratssitzung. Damit sparte man quasi die Beratung in der Präsidiale, in der alle Klubs sitzen, aus.

Fragestunde mit Kocher

Vor der Erklärung Metsolas samt Debatte ist Donnerstag eine Fragestunde mit ÖVP-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher angesetzt. Beschlussfähig sind am zweiten Plenartag etwa das Aus für die Coronavirus-Kurzarbeit mit Ende September, die Einführung der Pflegelehre und Nachbesserungen beim Pflegebonus für pflegende Angehörige.

Aufgrund einer Fristsetzung stehen von ÖVP und Grüne vorgelegte Änderungen im Erdgas- und Elektrizitätsabgabegesetz auf der Tagesordnung. Dadurch sollen etwa vor dem Hintergrund gesunkener Großhandelspreise Stromerzeuger einen höheren Energiekrisenbeitrag zahlen, wenn sie die Strompreise nicht senken. Erstmals diskutieren wird der Nationalrat über zwei Anträge der FPÖ, die auf eine Stärkung des Interpellationsrechts von Abgeordneten abzielen.