Tesla Fahrzeuge in der Fabrik in Grünheide
Reuters/Patrick Pleul
100 Gigabyte

Riesiges Datenleck bringt Tesla in Bedrängnis

Tesla hat offenbar ein Datenschutzproblem: Dem deutschen „Handelsblatt“ wurden 100 Gigabyte vertraulicher Daten zugespielt, darunter sensible Informationen zu Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern des Autoherstellers. Unter anderem geht es um mögliche Sicherheitsprobleme mit dem Autopiloten. Die Behörden ermitteln.

Die Zeitung fand in den Daten nach eigenen Angaben Bankverbindungen von Kundinnen und Kunden, geheime Details aus der Produktion und die angebliche Fahrzeug- und Sozialversicherungsnummer von Tesla-Chef Elon Musk in den Daten, zudem sensible Daten von mehr als 100.000 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen inklusive angeblicher Gehälter und Anschriften. In anderen Dokumenten gehe es neben Sicherheitsprobleme bei selbstfahrenden Autos um neue Batteriezellen und den geplanten Elektro-Pick-up des US-Herstellers.

Der Zeitung teilte Tesla mit, man verdächtige einen Ex-Mitarbeiter, Daten „unter Verletzung von Geheimhaltungspflichten weitergegeben zu haben“. Tesla wolle rechtliche Schritte gegen den Verdächtigten einleiten. Das „Handelsblatt“ berichtete, der Informant habe sich auch an die Zeitung gewandt, weil er nach schlechten Erfahrungen bei dem Unternehmen und unter Tesla-Chef Elon Musk nicht daran geglaubt habe, den Fall intern lösen zu können.

Milliardenstrafe möglich

Weil Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ganz Europa betroffen seien, sei der Fall an die niederländischen Behörden abgegeben worden, sagte die Datenschutzbeauftragte des deutschen Bundeslandes Brandenburg, Dagmar Hartge, an die sich der Informant ebenfalls gewandt hatte. Die niederländische Datenschutzbehörde erklärte, sie sei informiert. Es sei aber zu früh zu sagen, ob Ermittlungen aufgenommen würden. Tesla wandte sich laut Zeitung ebenfalls an die niederländische Datenschutzbehörde, die Europazentrale des Herstellers liegt in den Niederlanden.

Tesla Gigafactory
APA/Patrick Pleul
In den Daten sind auch Dokumenten zu den Problemen Teslas enthalten

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU sieht für so einen Fall neben Verwarnungen auch Bußgelder vor, die theoretisch bis zu vier Prozent des Konzernumsatzes betragen können – bei einem Tesla-Jahresumsatz von knapp 81,5 Milliarden Dollar wären das bis zu 3,26 Milliarden Dollar. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagten mehrere mit der Sache vertraute Personen, dass viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Tesla auf die Daten Zugriff hätten. Tesla wollte laut Zeitung auch verhindern, dass über das Leck und die Daten berichtet wird.

Probleme breitflächig dokumentiert

Neben dem Problem, dass sensible Daten anscheinend relativ ungehindert den Weg nach draußen finden konnten, ist auch der Inhalt der Dokumente laut Bericht für Tesla höchst problematisch. Insgesamt sollen zig Präsentationen enthalten sein, auch über Probleme, darunter mit dem Elektro-Pick-up Cybertruck und eben dem Autopiloten. Gerade der Autopilot ist eines der großen Features der Tesla-Fahrzeuge, doch die Probleme damit scheinen größer zu sein, als Tesla offiziell zugeben möchte.

Dokumentiert sind laut Bericht Tausende Beschwerden von Tesla-Fahrern und -Fahrerinnen, weil ihr Auto ohne erkennbaren Grund gebremst oder beschleunigt haben soll. Einige seien im Graben gelandet, gegen Wände gefahren oder gegen entgegenkommende Fahrzeuge. Das „Handelsblatt“ kontaktierte laut eigenen Angaben Dutzende Kundinnen und Kunden aus mehreren Ländern, die die Infos aus den Tesla-Files bestätigt haben sollen.

Eine eigene Präsentation widmet sich Bremsen, die quietschen, schleifen oder ruckeln sollen. Laut Bericht sind auch Infos aus dem Innersten des Konzerns enthalten, etwa Angaben zu den Kosten einzelner Autoteile, Vorschläge für die Verwendung bestimmter Computerchips und Aufstellungen der wöchentlichen Serviceumsätze.

Auch ein Schreiben aus Wien enthalten

Gefunden wurde laut „Handelsblatt“ auch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Wien. Eine Ermittlerin forderte darin „sämtliche gespeicherte Verortungsdaten“ des Tesla Model S an, mit dem ein ehemaliger Nationalratsabgeordneter 2020 unterwegs war.

Die Staatsanwaltschaft vermutete, der Politiker habe sich als Fluchthelfer von Jan Marsalek verdingt. Der ehemalige Wirecard-Vorstand hatte sich nach einem Milliardenskandal abgesetzt und wird seitdem international gesucht. Tesla sollte die Daten unverzüglich nach Wien übermitteln. Das misslang laut Bericht.

Das „Handelsblatt“ recherchierte laut eigenen Angaben seit Monaten dazu, ob die geleakten Daten stimmen; und kontaktierte dazu Insider und später weltweit Kunden und Mitarbeiter des Herstellers. Sie bestätigten die sie betreffenden Informationen etwa in Bezug auf das Gehalt. Laut dem Fraunhofer-Institut für sichere Informationstechnologie gibt es keine Hinweise darauf, dass „der Datensatz nicht aus IT-Systemen oder dem Umfeld von Tesla stammt“.

Die deutsche Gewerkschaft IG Metall forderte das Unternehmen auf, die Beschäftigten über alle Verletzungen der Datenschutzrechte aufzuklären. Die Enthüllungen seien beunruhigend und würden in das Bild passen, das man in den vergangenen zwei Jahren aus eigenen Eindrücken und Schilderungen der Kolleginnen und Kollegen bei Tesla gewonnen habe, so die IG Metall