Als Regierungschef und als Vorsitzender der sozialdemokratischen PSOE übernehme er die Verantwortung für das Ergebnis, sagte Sanchez am Montag in einer Rede an die Nation mit ernster Miene vor dem Regierungspalast. „Eine Klärung ist erforderlich, ein Volksentscheid nötig“, so Sanchez. Statt wie vorgesehen im Dezember soll Spanien bereits am 23. Juli über sein neues Parlament abstimmen – ein riskanter Schritt, schließlich bleiben Sanchez und seiner Partei jetzt nur mehr sieben Wochen, um die Partei für die Neuwahl zu rüsten.
Was war passiert? Bei den Wahlen am Sonntag hatte die PSOE in den rund 8.100 Kommunen des Landes ein Ergebnis von insgesamt rund 28,1 Prozent erzielt. Die konservative PP von Alberto Nunez Feijoo erreichte dagegen etwa 31,5 Prozent, zudem siegte sie in sechs von zehn bisher von der PSOE regierten Regionen. Außerdem eroberte die PP unter anderem Valencia und Sevilla – die dritt- und die viertgrößte Stadt des Landes.
Konservative Erfolge in fast allen großen Städten
In sieben der acht größten Städte gewannen die Konservativen. Das hat es seit der Gründung von PP und PSOE nach dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 noch nie gegeben. In der Hauptstadtregion Madrid gelang es der politischen Hardlinerin Isabel Diaz Ayuso, die absolute Mehrheit für die PP zu sichern. Zudem konnten die Konservativen eine von der PSOE erhoffte Rückeroberung des Rathauses von Barcelona verhindern.

Die PP habe Spanien „wie ein Tsunami überrollt“, titelte die renommierte Zeitung „El Mundo“. „Wir haben einen klaren Sieg eingefahren, und Spanien hat die ersten Schritte in Richtung einer neuen politischen Ära gemacht“, sagte Oppositionsführer Feijoo in seiner Siegesrede. Er hatte den Urnengang im Vorfeld zu einem nationalen Referendum über die Minderheitsregierung von Sanchez erklärt. Diese sah sich zuletzt zunehmender Kritik wegen der steigenden Inflation und des allgemeinen Kaufkraftverlustes ausgesetzt.
ORF-Korrespondent Manola über Neuwahlen in Spanien
ORF-Korrespondent Josef Manola berichtet aus Madrid über die überraschende Entscheidung des spanischen Regierungschefs Pedro Sanchez, nach der schweren Niederlage für seine sozialdemokratische Partei bei den Regional- und Kommunalwahlen eine vorgezogene Parlamentswahl anzukündigen.
Auf rechtsextreme Vox-Partei angewiesen
Als weiterer Wahlsieger neben der konservativen PP feierte sich die rechtsextreme Vox-Partei, die stark gestiegene Zustimmung verbuchen konnte. Sie verdoppelte ihre Stimmenzahl bei den Kommunalwahlen auf landesweit knapp 7,2 Prozent und konnte ihre Sitzzahl in mehreren Regionalparlamenten signifikant erhöhen. Zudem hat sich die Vox-Partei mit ihrem guten Abschneiden für die PP unentbehrlich gemacht.
In fünf der sechs von der PP gewonnenen Regionen werden die Konservativen bei der Regierungsbildung auf die Unterstützung der Rechtsextremen angewiesen sein. Das dürfte PP-Chef Feijoo einiges Unbehagen bereiten: Er will bei den Parlamentswahlen vor allem die politische Mitte erobern und diese mit einer moderaten Linie überzeugen. Deshalb hatte er zuletzt versucht, sich von der Vox abzugrenzen.
„Wir werden nichts verschenken“
Doch gibt es bereits in einigen Regionen eine Zusammenarbeit zwischen der konservativen PP und der rechtsextremen Vox. „Wir werden nichts verschenken“, warnte Vox-Parteichef Santiago Abascal mit Blick auf die Gespräche mit der PP. Praktisch alle Fachleute sind in Spanien allerdings davon überzeugt, dass keine der beiden Parteien Hemmungen haben dürfte, die Bildung linker Regierungen zu verhindern.

Ein rechtsgerichteter „Tsunami“ sei „durch alle Regionen in Spanien“ gefegt, sagte der sozialdemokratische Spitzenkandidat in der nördlichen Region Aragon, Javier Lamban, der eine Niederlage erlitt. „Wir stehen in Spanien vor einem unbestreitbaren Rechtsaufschwung, angeführt von PP und Vox“, kommentierte seinerseits Miguel Angel Revilla, der als Chef der Regionalregierung Kantabriens abgelöst wurde.
Angeschlagen in EU-Ratspräsidentschaft
Damit geht Sanchez mit einer schweren Hypothek in die Neuwahlen. Er regiert Spanien seit Juni 2018, seit Jänner 2020 zusammen mit der linksgerichteten Podemos-Partei in einer Minderheitsregierung. Auch Podemos musste am Sonntag deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Somit wird Spanien am 1. Juli mit einer angeschlagenen und auf die Wahl konzentrierten Regierung die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Sanchez, einem Hoffnungsträger der Linken in Spanien und Europa, droht die Abwahl.