El Salvadors Präsident Nayib Bukele
Reuters/Jessica Orellana
El Salvador

Bukeles autoritärer Kurs macht Schule

Eine neue Art von Populismus zwischen Autoritarismus und Demokratie macht in Lateinamerika gerade Schule: Mit seinem harten Durchgreifen gegen die Bandenkriminalität erreicht El Salvadors junger Präsident Nayib Bukele Zustimmungsraten von über 90 Prozent. Auch wenn Menschenrechtsorganisationen nach Massenverhaftungen Alarm schlagen: Bukele ist mit seiner Politik so erfolgreich, dass er in anderen Ländern Nachahmer findet.

Seit im Vorjahr seine Aktion scharf gegen die Maras, die kriminellen Gangs, begonnen hat, wurden rund 66.000 Menschen verhaftet. Heuer wurde ein Megagefängnis eröffnet, in dem 40.000 Gefangene untergebracht wurden – teilweise auch ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren.

Und plötzlich wurde eines der gewalttätigsten Länder auf der Welt sicherer: Die Mordrate sank deutlich, Familien und Kinder trauten sich wieder auf die Straßen von El Salvador, schreibt der Journalist Francisco Toro im Substack-Newsletter Persuasion: „Unter seiner Führung verlagerte sich das Leben wieder nach draußen, wofür die Salvadorianer zutiefst dankbar zu sein scheinen.“

Vorbild Singapur

Während Populismus normalerweise das Land spaltet, schaffe es Bukele, die Bevölkerung zu einen – und genau das mache ihn so erfolgreich, schreibt Toro. Er sei nicht der erste junge Politiker, der verspreche, das Land von der Kriminalität zu befreien, doch derzeit sei er erfolgreich.

Toro verweist darauf, dass sich Bukele Lee Kuan Yew zum Vorbild genommen hat: Von 1959 bis 1990 führte der erste Premierminister Singapurs den Stadtstaat mit durchaus harter Hand zum Aufstieg. Bukele agiere rücksichtslos, autoritär, aber so erfolgreich beim Aufbau einer stabilen, wohlhabenden Gesellschaft, dass es seine brutale Vorgehensweise gegen Kriminelle im Schatten stehen lasse.

Vom Unternehmer zum Präsidenten

Als Unternehmer wurde der heute 41-Jährige zunächst Bürgermeister von Nuevo Cuscatlan, einem Vorort der Hauptstadt San Salvador, als Mitglied der linken Partei Frente Farabundo Marti para la Liberacion Nacional (FMLN). 2015 gewann er bereits die Bürgermeisterwahl in San Salvador. Zwei Jahre später schloss ihn die FMLN aus, er gründete seine eigene Partei Nuevas Ideas, schloss sich aber für die Präsidentschaftswahl 2019 der Mitte-rechts-Partei Gran Alianza por la Unidad Nacional (GANA) an. Er gewann die Wahl und versuchte zunächst mit dem Prestigeprojekt der Einführung von Bitcoin als Währung zu punkten.

Land in Geiselhaft der Maras

Gegenüber den Maras wählte er zunächst jene Strategie, mit der schon die früheren Regierungen scheiterten, kurz: mit harter Hand vorzugehen, dann aber Nichtangriffspakte zu schließen, die nie lange hielten. Die Maras terrorisierten mit Schutzgelderpressungen El Salvador: Sie vertrieben Menschen aus ihren Häusern und Wohnvierteln. Kinder und Jugendliche wurden gezwungen, sich den Banden anzuschließen. Brutale Initiationsriten verlangten Vergewaltigungen und Morde als Mutproben. Auch der von Bukele geschlossene Pakt hielt nicht lange.

Polizei in Nueva Concepcion
Reuters/Secretaria De Prensa De La Presidencia
Binnen weniger Monate verhaftete das Militär Zehntausende Menschen

Zehntausende Verhaftungen

Im Vorjahr – als auch das Bitcoin-Experiment mehr und mehr Kritiker auf den Plan rief – griff der Präsident mit einem Notstandsdekret dann durch: Es folgte eine aggressive, von der Armee geführte Serie an Razzien, bei der jeder, der auch nur vage im Verdacht stand, ein Bandenmitglied zu sein, ins Gefängnis kam, ohne Aussicht auf einen Prozess.

El Salvador: Bukeles Hochsicherheitsgefängnis

Der Präsident des zentralamerikanischen Landes El Salvador, Nayib Bukele, hat den Kampf gegen bewaffnete Banden, die das Land seit Jahrzehnten plagen, zu seiner obersten Priorität erklärt. Er eröffnete im Februar das Terrorism Confinement Center, ein Hochsicherheitsgefängnis für über 40.000 Häftlinge, und feiert regelmäßig den Rückgang der Kriminalität in den sozialen Netzwerken. Jetzt scheint Bukeles Strategie der harten Hand aufzugehen. Nach Ansicht von Lateinamerikaexperten und angesichts der historischen Erfahrungen könnte das jedoch nur von kurzer Dauer sein. Das Land befindet sich seit über einem Jahr im Ausnahmezustand, der Einschränkungen der Grundrechte und Massenverhaftungen zulässt.

Die Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten inszeniert die Verlegung von Tausenden Bandenmitgliedern in das neue Hochsicherheitsgefängnis als Actionfilm: Die Bilder und Videos von tätowierten Häftlingen, nur in weißen Shorts gekleidet, die eng aneinander am Boden kauerten, gingen um die Welt.

Auch harte Maßnahmen gegen Korruption

Neben dem harten Vorgehen seiner Regierung gegen Jugendbanden kündigte Bukele zuletzt auch ein entschlossenes Vorgehen gegen die Korruption an. Dazu solle ein spezielles Gefängnis für Korruptionsstraftaten errichtet werden, und als Erstes solle das Vermögen von Ex-Präsident Alfredo Cristiani beschlagnahmt werden, der laut Medienberichten seit 2021 im Ausland lebt. Ihm wird vorgeworfen, sich in seiner Regierungszeit bereichert zu haben. Bukele kündigte auch an, die Zahl der Parlamentssitze und Bürgermeister in dem mittelamerikanischen Land zu reduzieren.

„Terrorism Confinement Center“ (CECOT) in El Salvador
AP/El Salvador presidential press office
Bilder von den Gefangenen gingen um die Welt

Die Kehrseite von Bukeles Erfolg

In dem Land mit sechs Millionen Einwohnern kommt die Strategie gut an. Und Bukele weiß das auch in Szene zu setzen, indem er etwa, wie BBC berichtete, ehemalige Häuser der Jugendgangs nun der Bevölkerung übergibt.

Doch es gibt auch kritische Stimmen: Mittlerweile sitzen zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung hinter Gittern, darunter auch Unschuldige. So wurden Ausländer, darunter US-Bürger, ohne Beweise verhaftet – genau wie Maras-Aussteiger, die später Gemeinschaftsinitiativen leiteten, aber wegen ihrer Tätowierungen weiterhin für Bandenmitglieder gehalten wurden.

„Terrorism Confinement Center“ (CECOT) in El Salvador
Reuters/Jose Cabezas
Das Gefängnis ist weitab von anderen Ortschaften gelegen

Mittlerweile wurden 5.000 Personen aus Mangel an Beweisen für eine Bandenzugehörigkeit wieder freigelassen, doch sind auch über 150 Menschen in den Gefängnissen gestorben, berichten Menschenrechtsorganisationen. Viele davon hätten Folterspuren aufgewiesen.

„Demokratie ist tot“

Und auch ein Jahr nach der Verhängung des Ausnahmezustands hat El Salvador angekündigt, die umstrittene Einschränkung von Grundrechten auf unbestimmte Zeit beizubehalten. Ob sich die Mordraten mit einer Einschränkung der Grundrechte dauerhaft senken lassen würden, bezweifelt Amnesty-Regionaldirektorin Guevara Rosas. „Es gibt keine einfachen Antworten auf ernsthafte systemische Probleme.“

Auch andere Expertinnen und Experten melden Zweifel an: Das Vakuum, das sie Maras hinterlassen, könnte von neuen Kriminellen gefüllt werden. Und mittelfristig brauche es Pläne, wie man ehemalige Bandenmitglieder wieder resozialisieren kann. Ewig könne man sie nicht wegsperren.

El Salvadors Präsident Nayib Bukele
Reuters/Jessica Orellana
Mit seinem harten Kurs machte sich Bukele zum Nationalhelden

Die Missachtung demokratischer Standards sei „ein essenzieller Teil der Bukele-Politik“, schreibt Toro. Der salvadorianische Kongress nicke neue Gesetze nur noch ab, der Oberste Gerichtshof erscheine „wie ein Bukele-Fanclub“. Die Presse sei mundtot gemacht worden: „Die Demokratie in El Salvador ist tot – und niemand im Land scheint ihr nachzutrauern.“ Schon 2021 nannte sich Bukele selbst den „coolsten Diktator der Welt“.

Der „Bukelismus“-Effekt

Doch mit seinem Erfolg ist Bukele zu einem „Nationalhelden“ geworden. Der „Bukelismus“ habe Züge von lateinamerikanischen autoritären Populisten wie Hugo Chavez und Jair Bolsonaro, aber auch von Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping und Rodrigo Duterte, sei aber weitaus besser ausgefeilt und in Kommunikationsstrategien besser entwickelt, schreibt die norwegische Lateinamerikaexpertin Benedicte Bull auf der nicaraguanischen Medienplattform Confidencial.

Mit Bukeles Erfolg gebe es nun schon einige Nachahmer, schreibt Toro. Guatemalas Präsident Alejandro Giammattei habe versprochen, den Erfolg von El Salvador im Kampf gegen die kriminellen Banden zu kopieren. Der Bürgermeister der peruanischen Hauptstadt Lima, Rafael Lopez Aliaga, wolle ebenfalls eine an Bukele angelehnte Politik betreiben. Und Santiago Cuneo, der beliebteste argentinische Fernsehmoderator, habe bei der Ankündigung seiner Präsidentschaftskandidatur versprochen, „Nayib Bukeles Vorbild zu folgen“. „Demokraten müssen sich nun gewaltig anstrengen“, so Toro. Gerade der Erfolg mache Autokraten gefährlich.