ukrainischer Panzer in der Nähe von Bachmut
AP/Efrem Lukatsky
Offensive vereitelt

Kommandeur widerspricht Moskau

Der russische Feldkommandeur Alexander Chodakowski hat Moskauer Erfolgsmeldungen über das Scheitern einer ukrainischen Großoffensive im Donbas widersprochen. Bisher werde der Feind „von Erfolg begleitet“, schrieb Chodakowski am Montag auf seinem Telegram-Kanal. Seiner Darstellung nach handelt es sich bei den Angriffen westlich von Wuhledar um eine begrenzte taktische Operation der Ukrainer.

Chodakowski leitete seit 2014 die Brigade „Wostok“ der Separatisten im Donbas-Gebiet. Seine Einheiten wurden nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine in die russische Nationalgarde eingegliedert. Zunächst hätten die ukrainischen Truppen den Eindruck erweckt, den Druck auf den Frontabschnitt Welika Nowosilka zu verstärken, wo ihnen am Sonntag bereits ein Durchbruch gelungen sei.

Währenddessen sei ein Stoßtrupp fast unbemerkt weiter östlich bei der Ortschaft Nowodonezke vorgedrungen. „Traditionell den Funkverkehr störend, ist es dem Feind gelungen, uns in eine schwierige Lage zu bringen“, schrieb Chodakowski. Die Lage sei im Fluss.

Eine Grafik zeigt den aktuellen Frontverlauf im Ukraine-Krieg
Grafik: APA/ORF; Quelle: ISW

Prigoschin räumt ukrainischen Geländegewinn ein

Indessen räumte auch der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, Geländegewinne der ukrainischen Streitkräfte in der Nähe von Bachmut ein. Ukrainische Truppen hätten einen Teil der Siedlung Berchiwka nördlich der erst kürzlich von russischen Einheiten eingenommenen Stadt in der Ostukraine zurückerobert, teilte Prigoschin mit. Er bezeichnet das als eine „Schande“.

Prigoschins Söldnertruppe hatte Bachmut im vergangenen Monat nach monatelangen Kämpfen erobert und die dortigen Stellungen inzwischen an die reguläre russische Armee übergeben. Der Wagner-Chef hat die russische Militärführung bereits mehrfach scharf kritisiert und ihr Unfähigkeit vorgeworfen.

ORF-Analyse der Lage in der Ukraine

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz und seine Einschätzung zur angeblichen ukrainischen Gegenoffensive.

Auch die Ukraine bestätigte am Montag „offensive Aktionen“ in einigen Frontabschnitten und gab Geländegewinne nahe Bachmut bekannt. „In einigen Sektoren führen wir offensive Aktionen aus“, erklärte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar im Onlinedienst Telegram. Das Gebiet rund um Bachmut bleibe „das Zentrum der Kämpfe“, und dort verzeichne die Ukraine Erfolge, fügte sie hinzu.

Moskau: Feind gescheitert

In der Nacht auf Montag hatte Russlands Armeesprecher Igor Konaschenkow erklärt, Moskau sei es gelungen, eine ukrainische Großoffensive im südlichen Teil des Gebietes Donezk zu vereiteln. Laut Moskau hat die Ukraine ihre Offensive am Sonntag mit sechs Bataillonen mechanisierter Infanterie und zwei Panzerbataillonen eröffnet. „Ziel des Gegners war, unsere Verteidigung an dem Teil der Front zu durchbrechen, der seiner Ansicht nach am verletzlichsten war“, sagte Konaschenkow laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Der Feind sei mit seiner Mission gescheitert.

Die Ukraine wies die russische Darstellung zurück, sie habe eine Gegenoffensive in der Donezk-Region eingeleitet. Derartige Berichte sollten nur von den russischen Verlusten nahe der Stadt Bachmut ablenken, erklärte Malijar. Die Gegend um Bachmut bleibe das „Epizentrum“ der Kämpfe.

Kiew: „Enjoy the Silence“

Offizielle Stellen in Kiew haben vor öffentlichen Spekulationen über die Offensive gewarnt, da diese dem Feind helfen könnten. „Die Pläne lieben das Schweigen. Es wird keine Ankündigung des Beginns geben“, hielt das Verteidigungsministerium in einem Video fest, das am Sonntag auf Telegram veröffentlicht wurde.

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow veröffentlichte am Sonntag auf Twitter eine Nachricht, deren Bedeutung unklar blieb. Resnikow zitierte ein Lied der britischen Band Depeche Mode, „Enjoy the Silence“: „Worte sind nutzlos, sie können nur schaden.“

ukrainischer Panzer schießt auf russische Positionen in der Region Donezk
Reuters/3rd Assault Brigade/Ukrainian Armed Forces Press Service
Die Ukraine sieht sich um die umkämpfte Stadt Bachmut im Vormarsch

Gefechte in Grenzregion Belgorod

Auch in Russland selbst gab es erneut Kampfhandlungen. Der Gouverneur der Grenzregion Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, bestätigte am Sonntagabend Gefechte in der Ortschaft Nowaja Tawolschanka. Es sei auch eine Energieanlage bei einem Drohnenangriff in Brand geraten. Verletzte habe es nicht gegeben. Zudem dürfte es einen Drohnenangriff auf Zentralrussland gegeben haben. In der Region Kaluga seien zwei Drohnen auf eine Autobahn gefallen, teilte Gouverneur Wladislaw Schapscha am Montag auf Twitter mit. Der Vorfall ereignete sich etwa 300 Kilometer westlich von Moskau.

Im Gebiet Belgorod kommt es seit einiger Zeit immer wieder zu Kämpfen und Angriffen, für die Moskau stets Kiew verantwortlich macht. Tatsächlich aber scheint es sich bei den Eindringlingen auch dieses Mal wieder um Mitglieder der Miliz Russisches Freiwilligenkorps zu handeln, das zwar aufseiten der Ukrainer kämpft, aber aus russischen Nationalisten besteht.

Mitglieder der paramilitärischen Organisation veröffentlichten am Sonntag auch ein Video, in dem sie behaupteten, mehrere Soldaten der russischen Armee gefangen genommen zu haben. Als Bedingung für deren Freilassung forderten die Männer ein Treffen mit Gouverneur Gladkow. Dieser zeigte sich wenig später tatsächlich offen für ein Gespräch – laut den Rebellen kam es letztlich aber nicht zustande.

Bericht über Moskaus Rekrutierungsprobleme

Indessen machen Berichte über eine unangenehme Panne seitens des russischen Militärs die Runde: Recherchen von Investigativjournalisten zufolge wurde versehentlich ein Text über Probleme bei der Mobilmachung für den Krieg gegen die Ukraine veröffentlicht – und kurz darauf wieder gelöscht. Das russische Portal The Insider veröffentlichte den Link zu einem Eintrag im Webarchiv, wo der Text noch einsehbar ist. Moskau äußerte sich nicht zu der mutmaßlichen Veröffentlichungspanne.

In dem Dokument, das kurzzeitig in einer Onlinezeitschrift des russischen Verteidigungsministeriums abzurufen gewesen sein soll, benannte der russische Mobilisierungsbeauftragte Jewgeni Burdinski mit Blick auf die Rekrutierungswelle im Herbst zwei Hauptprobleme, „die fehlende Bereitschaft eines Teils der Gesellschaft zur Erfüllung der militärischen Pflichten“ sowie „die Bereitstellung von militärischer Ausrüstung und die Unterbringung des Personals“.

Burdinski machte an anderer Stelle den „Druck durch Internetblogger“ für die Weigerung vieler Russen verantwortlich, in den Krieg zu ziehen. Geplant seien deshalb noch in diesem Jahr Razzien bei Wehrpflichtigen, hieß es.