Algen am Strand von Key West, Florida (USA)
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Florida

Algenteppich fördert tödliche Bakterien

Nach monatelangen Warnungen breitet sich der riesige Algenteppich namens „Great Atlantic Sargassum Belt“ an der Küste Floridas aus – und könnte noch gefährlicher sein als bisher angenommen. Denn bei der Zersetzung der Algen werden Vibrionen freigesetzt, Bakterien, die bei Mensch und Tier zum Tod führen können. Die Bakterien profitieren dabei besonders von der Verschmutzung der Meere durch Plastik.

Der rund 8.000 Kilometer breite und geschätzt 13 Millionen Tonnen schwere Algenteppich, der aus der Makroalge Sargassum besteht, hatte bereits Teile Mexikos erreicht und dehnt sich nun an den Stränden von Florida aus, berichtet der „Guardian“. Forschende der Florida Atlantic University (FAU) haben dabei entdeckt, dass die braune Algenmasse bei der Zersetzung nicht nur besonders unangenehm nach faulen Eier riecht, sondern auch eine echte gesundheitliche Gefahr darstellt.

Die bei der Verwesung freigesetzten Vibrionenstämme würden als Omnivoren, also Allesfresser, sowohl die Pflanzen- als auch die Tierwelt bedrohen, wird der Forscher Tracy Mincer von der FAU zitiert. Ebenfalls enthaltene „mikrobielle Flora“ könne weitere Pathogene und damit Gefahr beherbergen. Man wolle die Öffentlichkeit warnen, bevor die Algen unkontrolliert entfernt werden, so Mincer, wobei er hinzufügte, dass die genauen Gefahren noch untersucht werden müssten.

Badegast watet durch Algen in Florida, USA
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Die Sargassumalge sorgt seit Jahren für Probleme im Atlantik

Die Bakterien seien jedenfalls „extrem aggressiv“, so Mincer. Proben unter anderem aus der namensgebenden Sargassosee, wo die Sargassumalge natürlich vorkommt, seien voller Plastikabfall gewesen – die Algen und die Bakterien würden sich an dem Plastik festsetzen, wobei die Bakterien das Plastik sogar aktiv suchen und sich binnen Minuten daran festsetzen würden, so der Forscher weiter. Vibrionen sind unter anderem als Erreger für Cholera bekannt, das im Salzwasser vorkommende Vibrio vulnificus kann in offene Wunden eindringen und eine Sepsis bis zum Tod hervorrufen.

Problem für Tourismus

Die Gefahr ist ein doppeltes Problem gerade im „Sunshine State“ Florida, mitten in der Urlaubssaison. Naturgemäß wird dort versucht, die Strände von den Algen zu säubern, was jetzt nicht nur angesichts des vielen Plastiks ein Problem sei, sagte Sophie Ringel, Gründerin der NGO Clean Miami Beach. Es sei bereits sehr alarmierend, die vielen Algen und das Plastik an den Stränden zu sehen, dass davon auch eine echte Gesundheitsgefahr ausgehe, sei furchtbar.

Algen am Strand von Key West, Florida (USA)
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Für Urlaubende sind die Algen nicht nur optisch eine große Einschränkung

Floridas Gesundheitsbehörde rät Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Besucherinnen und Besuchern die Algen zu meiden und warnt, dass Infektionen mit dem Bakterium Vibrio vulnificus für Menschen mit chronischen Erkrankungen – vor allem bei Lebererkrankungen – sehr schwer verlaufen können. Die Umweltbehörde DEP des US-Bundesstaats gab sich gelassener: Das Phänomen des Algengürtels sei nicht neu, die betroffenen lokalen Verwaltungen hätten jahrelange Erfahrung damit und entsprechende Maßnahmen vorbereitet.

Algenteppich ist ein eigener Mikrokosmos

Vor der Küste von Miami Beach etwa werden die Algen mit großen Maschinen bereits im Wasser entfernt. Dabei würden die Arbeiter Schutzmaßnahmen wie Handschuhe tragen, wie schon vor der Warnung, heißt es von der zuständigen Stelle. Doch das Entfernen des Algenteppichs ist nicht nur hilfreich für Menschen, es stört auch viele Lebensräume von mittlerweile angepassten Tieren, neben den Krabben und Garnelen unter Wasser zählen auch Wasservögel wie Möwen dazu. Sie leiden ebenfalls unter den Zuständen, darunter dem Plastikmüll, dem sie nicht auskommen und den sie zum Teil auch fressen.

Algen am Strand von Key West, Florida (USA)
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Die Algen sind Lebensraum für Wassertiere und -vögel

Es gibt allerdings auch einen kleinen Lichtblick, denn der Algengürtel hat sich im Mai um rund 15 Prozent reduziert, berichtet die University of South Florida (USF) auf Basis von Satellitenbildern. Der Lichtblick ist aber von kurzer Dauer, denn betrachtet man die letzten Jahre, hat das Wachstum der Sargassumalge enorm zugelegt – sie findet im Atlantik schließlich die perfekten Bedingungen, berichtet die USF.

Saisonales Phänomen

Sargassum wurde schon lange in größeren Anhäufungen im Nordatlantik gesehen. 2011 allerdings begannen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunehmende Mengen des Seetangs, die sich in einem riesigen Teppich von Westafrika bis zum Golf von Mexiko erstreckten, zu beobachten, so eine Studie aus dem Jahr 2019. Über die Jahre haben sich diese riesigen Massen an Sargassum immer weiter ausgebreitet. Die Wissenschaft vermutet dahinter ein saisonales Phänomen, das mit den Abflüssen großer Flüsse wie dem Kongo, Amazonas und Mississippi zu tun hat, die die Algen mit Nährstoffen versorgen.

Algen am Strand von Key West, Florida (USA)
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In den vergangenen Jahren hat der Algenteppich enorm an Umfang gewonnen

Das Sargassum kann auch wichtige Mangrovenlebensräume ersticken und dem Wasser Sauerstoff entziehen. Zudem würden die verrottenden Algen Schwefelwasserstoff freisetzen. Ein farbloses Gas, das nach faulen Eiern riecht und beim Menschen Atemprobleme verursachen kann. 2018 wurden auf den Karibik-Inseln Guadeloupe und Martinique Tausende Fälle von Menschen bekannt, die einer akuten Schwefelwasserstoffbelastung ausgesetzt waren.

Letzten Sommer riefen die US-Jungferninseln den Notstand aus, nachdem sich „ungewöhnlich große Mengen“ von Sargassum an ihren Küsten angesammelt hatten und eine Entsalzungsanlage auf der Insel Saint Croix beeinträchtigten. In der Vergangenheit haben belagerte Strandstädte immer wieder zu drastischen Maßnahmen gegriffen, um dem Sargassum Einhalt zu gebieten: In Mexiko etwa wurde die Marine angeheuert, das Seegras aus dem Meer zu schöpfen und die Strände davon zu befreien.