Schwarze Rauchsäulen über Karthoum
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Eskalation im Sudan

Beide Seiten setzen auf „große Offensiven“

Nach dem Auslaufen einer Feuerpause am Wochenende gehen die Kämpfe im Sudan zwischen der Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) mit unverminderter Härte weiter. Armee-Einheiten bewegten sich laut der in London ansässigen Website Middle East Eye (MEE) aus zahlreichen Landesteilen nun auf die Hauptstadt Khartum zu, um diese zu befreien. Die RSF plant ebenfalls eine große Offensive. Und auch in der Region Darfur wird heftig gekämpft, die Lage sei „außer Kontrolle“, so der Gouverneur.

Die in London ansässige Website MEE sieht nach der Feuerpause die nunmehrige Eskalation als neue „tödlichere“ Phase in dem Krieg. Die Befürchtung ist groß, dass sich die Kämpfe auch auf andere Landesteile stärker ausweiten. Beide Seiten hätten große Offensiven vorbereitet, so Cameron Hudson, ehemaliger CIA-Analyst und leitender Mitarbeiter des Afrikaprogramms des US-Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS).

Die Armee unter Abdel Fattah al-Burhan versuche, Khartum zurückzuerobern, so Hudson weiter. Laut MEE ziehen bereits Armeetruppen aus dem ganzen Land in Richtung Khartum. Parallel dazu seien 200 RSF-Fahrzeuge auf dem Weg zu einem Stützpunkt im Bundesstaat Nordkordofan, um eine Offensive gegen El Obeid, die Hauptstadt des Bundesstaates, vorzubereiten, so MEE weiter. Die paramilitärische RSF wird von al-Burhans ehemaligem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo befehligt.

Menschen fliehen mit Hab und Gut aus Karthoum
AP
Menschen fliehen mit Hab und Gut aus Khartum

Heftige Kämpfe und Plünderungen in Khartum

In Khartum berichteten Einwohner und Einwohnerinnen am Sonntag von heftigen Gefechten in mehreren Teilen der Hauptstadt. In der direkt an Khartum angrenzenden Stadt Omdurman ist nach Angaben von Augenzeugen eine Militärmaschine abgestürzt. In Bahri, das zusammen mit Khartum und Omdurman eine Metropolregion am Zusammenfluss von Blauem und Weißem Nil bildet, kam es am Sonntag auch zu Kämpfen.

Die Kämpfe in der Hauptstadt und der Region haben zu weitreichenden Schäden und Plünderungen, einem Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung, Strom- und Wasserausfällen und schwindenden Vorräten von Nahrungsmitteln und Medikamenten geführt. Man lebe in einer echten Hölle, so eine Bewohnerin gegenüber dem TV-Sender al-Jazeera.

Gouverneur von Darfur: Katastrophengebiet

Auch in Darfur gingen die Kämpfe unvermindert weiter. Der Gouverneur von Westdarfur, Khamis Abakar, sagte gegenüber al-Jazeera am Sonntag, es herrsche völlige Gesetzlosigkeit. Bewaffnete hätten alles übernommen. „Die Situation ist völlig außer Kontrolle“, so Abakar. Laut Berichten sollen mindestens 40 Menschen getötet worden sein, Dutzende seien verwundet, berichtete auch der „Guardian“ am Montag.

Menschen am Markt, im Hintergrund eine Rauchsäule
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Ein Markt im Süden Khartums, im Hintergrund sind Rauchsäulen aus der Hauptstadt zu erkennen

Zahlreiche Kämpfe gab es auch in Norddarfur. Die Armee wies allerdings Berichte zurück, dass die Stadt Kutum, eine wichtige Drehscheibe für den Handel, von der RSF erobert worden sein soll. Die RSF entwickelte sich aus verschiedenen Milizen in Darfur und hat auch in Darfur ihre Machtbasis.

Der Gouverneur von Darfur, Mini Minawi, ein ehemaliger Rebellenführer, der nun mit der Armee zusammenarbeitet, berichtete via Twitter von Plünderungen durch die bewaffneten Gruppen. Darfur sei ein „Katastrophengebiet“. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, rasch Hilfe zu schicken, berichtete al-Jazeera weiter. Schon in den Vortagen wurden Kämpfe in Darfur gemeldet.

Bereits rund 1,2 Millionen Vertriebene

Am Samstag war eine von den USA und Saudi-Arabien vermittelte Feuerpause ausgelaufen. Sie hatte zwar zu einem Abflauen der Kämpfe geführt, wurde jedoch wie frühere Waffenstillstandsvereinbarungen streckenweise nicht eingehalten. Der lange schwelende Machtkampf zwischen der Armee und der RSF war am 15. April offen ausgebrochen. Saudi-Arabien und die USA kündigten an, weiterhin mit Delegationen der Armee und der RSF zu verhandeln, um doch noch eine Feuerpause zu erreichen.

Sudanische Demonstranten, 2019
Reuters/Mohamed Nureldin Abdallah
2019 führten Proteste im Sudan zu einem Militärputsch und zur Absetzung des Langzeitdiktators Omar al-Baschir

Durch die Kämpfe wurden etwa 1,2 Millionen Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben. Etwa 400.000 suchten bisher Schutz in angrenzenden Ländern. Internationale Beobachter und Beobachterinnen fürchten, die ganze Region könnte destabilisiert werden.

Die USA setzen auch auf Sanktionen. Sie kündigten am Donnerstag welche an, einschließlich Visabeschränkungen gegen bestimmte Vertreter der Regierungsarmee, der RSF und gegen Anhänger des ehemaligen Langzeitherrschers Omar al-Baschir, der 2019 gestürzt wurde. Außerdem würden wirtschaftliche Maßnahmen gegen bestimmte Unternehmen, die die Konfliktparteien mit Waffen belieferten, verhängt.

Humanitäre Hilfspakete auf einem Lastwagen
AP/Nazim Sirag
Humanitäre Hilfspakete auf einem UNICEF-Lastwagen

Furcht um Kulturgüter

Denkmal- und Altertumspfleger im Sudan baten unterdessen die verfeindeten Fraktionen, Zehntausende historische Artefakte zu bewahren, die jetzt durch die Kämpfe in Khartum bedroht sind. Ein am Freitag in den sozialen Netzwerken verbreiteter Videoclip zeigte offenbar, wie RSF-Kämpfer das Nationalmuseum in Khartum betreten und Lagerbehälter mit Mumien und anderen Überresten öffnen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten sich in einem Schockzustand befunden, so die Direktorin des Nationalmuseums, Ghalia Gharelnabi, gegenüber dem „Guardian“.

Gharelnabi sagte, sie sei besorgt über die Möglichkeit von Zusammenstößen zwischen RSF-Kämpfern und der Armee im Museum, das von Fachleuten als eine der wichtigsten Einrichtungen dieser Art in Afrika angesehen wird.

Die mehr als 100.000 Objekte umfassende Sammlung des Museums beinhaltet einbalsamierte Mumien von 2.500 Jahren vor unserer Zeitrechnung, die zu den ältesten und archäologisch bedeutendsten der Welt gehören, Statuen, Töpferwaren und antike Wandgemälde sowie Artefakte von der Steinzeit bis zur christlichen und islamischen Zeit.