Jugendliche unter Regenschirm
ORF.at/Georg Hummer
Noch keine 30 Grad

Stolperstart in den Sommer

Nach dem kühlen, nassen und trüben Frühling hat auch der Juni bisher eher nur verhaltenes Sommerwetter gebracht. Die ersten 30 Grad des Jahres lassen noch auf sich warten und haben verglichen mit den letzten Jahrzehnten eine ziemliche Verspätung. Dennoch deuten Prognosen auch für heuer auf einen überdurchschnittlich warmen Sommer hin.

Die Badetage in Österreich kann man bisher an einer Hand abzählen. Gerade in der Osthälfte des Landes gab es in den letzten Tagen immer wieder Starkregen und Gewitter, die Keller und Unterführungen unter Wasser setzten und viele Feuerwehren in Atem hielten. Die Hagelversicherung meldete Schäden in der Landwirtschaft in Millionenhöhe.

An einigen Wetterstationen der GeoSphere Austria wurden Regenrekorde gebrochen, so in Wels/Schleißheim (Oberösterreich), Bad Radkersburg (Steiermark) und Bruckneudorf (Burgenland). In Wels regnete es bei einem Gewitter Anfang der Woche 125 Liter pro Quadratmeter, das ist ein neuer Tageshöchstwert. Der meiste Regen fiel dabei in nur zwei Stunden, auch das gab es hier noch nie.

Starkregen als Merkmal für Klimakrise

Die Zunahme von Starkregen ist ein Merkmal der Klimakrise, denn wärmere Luft nimmt mehr Wasserdampf auf und entsprechend kann der Regen ergiebiger ausfallen. Davon kann auch das Nordburgenland ein Lied singen. Gleich mehrmals wurde die Region um Bruckneudorf und Parndorf zuletzt von heftigen Gewittergüssen heimgesucht. Über 190 Liter Regen pro Quadratmeter fielen diese Woche, damit ist der Juni schon jetzt hier der regenreichste Monat überhaupt seit Messbeginn vor über 80 Jahren.

Der Neusiedler See profitierte vom Regen und konnte sich wieder ein bisschen erholen, er startet damit etwas höher in den Sommer als beim Rekordminimum letztes Jahr. Über 25 Zentimeter stieg das Wasser im See seit April. Mit einem aktuellen Wasserstand von 115,25 Zentimetern über der Adria fehlen aber immer noch 30 Zentimeter auf den mittleren Wasserstand zu dieser Jahreszeit.

30 Grad so spät wie selten

Von der Hitze blieb Österreich bisher verschont. Ab Temperaturen von 30 Grad sprechen Meteorologen von einem heißen Tag. Diese Schwelle wurde heuer noch nicht erreicht bzw. überschritten. 29,2 Grad in Ferlach und Wien stehen bisher als Höchstwerte zu Buche. Sommertage gab es aber schon einige, Innsbruck ist mit 17 Tagen über 25 Grad der Ort mit den meisten.

Stadtansicht von Wien
ORF/Georg Hummer
Sommertage gab es heuer auch in Wien bereits einige – das Wetter ist und bleibt aber weiter unbeständig

Keine passende Wetterlage hat sich bisher eingestellt, kein stabiles Hochdruckwetter, das die Hitze aus dem Süden zu uns hätte kommen lassen. Und selbst im Mittelmeer-Raum waren die letzten Wochen alles andere als stabil und heiß. Rom kam heuer etwa erst auf einen Tag mit 30 Grad. Dafür regnete es in Italien häufig, und die akute Trockenheit ging zu Ende.

Im Durchschnitt wird es in Österreich Mitte Mai das erste Mal heiß. Dieses Eintrittsdatum verschob sich in den letzten Jahrzehnten durch die menschengemachte Klimaerwärmung nach vorne. Letztes Jahr war es schon am 11. Mai in Innsbruck so weit, 2018 zeigte das Thermometer in Salzburg bereits am 20. April 30 Grad. Schon jetzt ist klar, so lange wie heuer ließ der erste Hitzetag in Österreich seit über 30 Jahren nicht mehr auf sich warten.

Copernicus prognostiziert heißen Sommer

In anderen Teilen Europas wurde es diese Woche das erste Mal heiß. In Polen wurden am Mittwoch, in Deutschland am Donnerstag das erste Mal heuer über 30 Grad gemessen, in den Niederlanden, in Belgien und in der französischen Hauptstadt Paris am Freitag. Um Österreich macht die Hitze aber noch länger einen weiten Bogen, nächste Woche gehen die Temperaturen sogar wieder ein bisschen zurück, bevor sie übernächste Woche wieder steigen sollten. Im Jahr 1989 dauerte es in Österreich übrigens bis zum 2. Juli, bis es erstmals heiß wurde.

Schlüsse oder Trends über den weiteren Verlauf des Sommers lassen sich durch den verhaltenen und eher holprigen Start aber nicht ableiten. Vielmehr zeigen die Saisonalprognosen der Wettermodelle einen überdurchschnittlich warmen Sommer. Die am Samstag erschienene neueste Vorhersage des EU-Copernicus-Klimawandeldienstes (Copernicus Climate Change Service – C3S) berechnet für nahezu ganz Europa überdurchschnittliche Temperaturen.

Temperatur-Prognose des EU-Klimawandeldienstes COPERNICUS für Juli bis September
COPERNICUS
Temperaturprognose des EU-Klimawandeldienstes Copernicus für Juli bis September: Fast überall viel wärmer als normal

Um ein bis zwei Grad sollen die Monate Juli, August und September in weiten Teilen des Kontinents wärmer als im Schnitt der Jahre 1993 bis 2016 ausfallen. Auch in Österreich wird mit deutlich höheren Temperaturen gerechnet als normal. Letztes Jahr war der Sommer in Europa der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen, er hatte eine starke Dürre, viele Waldbrände und niedrige Flusspegel zur Folge. Die Gletscher der Alpen verloren mehr als fünf Kubikkilometer Eis, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach von mindestens 15.000 zusätzlichen Todesfällen aufgrund der Hitze.

Mehr Regen im Süden, weniger im Norden

Welche Folgen der heurige Sommer haben könnte, lässt sich noch nicht abschätzen. Bei den Niederschlägen zeigen die Modelle mehr Regen als üblich in den kommenden Monaten von Spanien über Italien bis zum Balkan, auch in Österreich würde es den Prognosen von Copernicus zufolge eher feuchter weitergehen. Rund um die Nord- und Ostsee wird dagegen weniger Niederschlag erwartet als üblich.

Dieses Wettermuster hat sich bereits in den letzten Wochen etabliert. Der Osten Deutschlands ist dadurch bereits jetzt von einer schweren Dürre betroffen, in Berlin hat es seit einem Monat nicht mehr ergiebig geregnet. In Polen und Litauen herrscht aktuell hohe Waldbrandgefahr, und die Trockenheit bedroht hier auch Ernten.

Niederschlags-Prognose des EU-Klimawandeldienstes COPERNICUS für Juli bis September
COPERNICUS
Niederschlagsprognose des EU-Klimawandeldienstes Copernicus für Juli bis September: Vor allem in Südeuropa mehr Regen als üblich

Eine Aussage, wie der Sommer im Detail wird, ist schwierig, und saisonale Prognosen sind mit gewisser Vorsicht zu genießen. Schließlich geben sie einen Mittelwert über einen längeren Zeitraum bzw. eine Abweichung davon wieder und berechnen nicht das konkrete Wettergeschehen einzelner Tage. Aber auch ein Blick in die Statistik und der Klimatrend zeigen, dass alles andere als ein warmer Sommer eine Überraschung wäre.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver.

Einstige Rekorde sind mittlerweile Durchschnitt

Seit den 1990er Jahren wurden die Sommer in Österreich immer wärmer, seit der Jahrtausendwende verstärkt sich dieser Trend weiter. Die letzten zehn Sommer in Österreich waren schon knapp drei Grad wärmer als in den 1970er Jahren.

Die wärmsten Sommer in Österreich waren allesamt in der jüngeren Vergangenheit: Auf Platz eins liegen gleichauf 2003 und 2019, auf Platz drei rangiert 2015. Der Sommer 2022 reiht sich auf Platz vier ein. Die Zahl der heißen Tage über 30 Grad pro Jahr hat sich in den letzten Jahrzehnten verdoppelt bis verdreifacht. Was früher ein Rekord war, ist mittlerweile Durchschnitt.