Gepard in Südafrika vor dem Transport nach Indien
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Sechs Tiere verendet

Rückschlag für Gepardenprojekt in Indien

Im Jahr 1952 sind Geparden in Indien offiziell für ausgestorben erklärt worden. Ein ambitioniertes, aber von Beginn an umstrittenes Wiederansiedlungsprojekt sollte die Großkatzen zurückbringen. Im Herbst wurden die ersten Tiere aus Namibia eingeflogen. Nach dem Tod von drei ausgewachsenen Geparden und drei Jungtieren steht das „Project Cheetah“ nun abermals in der Kritik.

Mitte September waren die acht aus dem Staat im Südwesten Afrikas eingeflogenen Tiere in einem Quarantänegehege im Kuno-Nationalpark im Bundesstaat Madhya Pradesh freigelassen worden. Im Februar wurden zwölf weitere Geparden aus Südafrika nach Indien gebracht.

Das Wiederansiedlungsprogramm für die Geparden ist für den indischen Premierminister Narendra Modi ein Prestigeprojekt. Offiziellen Angaben zufolge handelt es sich um den weltweit ersten Versuch, Geparden gezielt über Kontinente hinweg umzusiedeln. In den kommenden Jahren wollte Indien weitere Geparden ins Land holen. Von bis zu 100 Exemplaren war die Rede.

„Programm wirkt überhastet“

Das „Project Cheetah“ war von Anfang an umstritten. Manche Fachleute befürchteten etwa einen Mangel an Beutetieren im Kuno-Nationalpark, in dem auch eine kleine Tigerpopulation lebt. Dass in den vergangenen acht Monaten drei ausgewachsene Geparden und drei Jungtiere verendet sind, gibt der Kritik neuen Auftrieb.

Betäubter Gepard wird für den Transport vorbereitet
Reuters/Siphiwe Sibeko
In den nächsten Jahren sollen in Indien bis zu 100 Geparden aus Afrika ausgewildert werden

„Wenn Sie ein Tier auswildern wollen, müssen Sie sorgsam vorgehen“, sagte Sarah Durant von der Zoologischen Gesellschaft in London der Zeitung „Observer“. „Es ist klar, dass die Dinge (bei ‚Project Cheetah‘, Anm.) nicht gut laufen. Das Programm wirkt überhastet.“

Pläne für die Wiederansiedlung hatte es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben, ohne dass es eine Umsetzung gegeben hätte. Neuen Schwung erhielt das „Project Cheetah“ im Jahr 2020 durch eine Gerichtsentscheidung. Das oberste Gericht genehmigte die Ansiedlung afrikanischer Geparden an einem „sorgsam ausgewählten Standort“. Zwei Jahre später wurden die ersten Tiere ins Land gebracht.

Fachleute wegen verendeter Jungtiere besorgt

Zwei der ausgewachsenen Tiere waren an Organversagen gestorben, ein drittes bei einem Paarungsversuch. Der Tod der ausgewachsenen Tiere sei angesichts der Stresssituation, die eine Umsiedlung über Tausende von Kilometern bedeutet, nicht unerwartet gekommen, sagte der Veterinär Adrian Tordiffe von der University of Pretoria in Südafrika dem Magazin „Nature“. Nach einer anfänglichen „Hochrisikophase“ sollte sich die Zahl der Todesfälle stabilisieren, so Tordiffe.

Besorgter zeigen sich Fachleute über den Tod der Jungtiere. In der afrikanischen Serengeti, wo die Raubkatzen mit anderen Jägern wie Löwen und Hyänen konfrontiert sind, beträgt die Überlebensrate des Gepardennachwuchses in freier Wildbahn nur zehn Prozent. In geschützten Habitaten in Namibia dagegen liege sie bei 80 Prozent, sagte die deutsche Biologin Bettina Wachter gegenüber „Nature“.

Auch im Nationalpark Kuno, wo der Druck durch Fressfeinde geringer ist als in der Serengeti, hätten Wachter und Tordiffe eine höhere Überlebensrate erwartet. Nach offiziellen Angaben verendeten die Jungtiere in Indien wegen Unterernährung und Schwäche.

Platzprobleme

Neben dem Nahrungsangebot hinterfragen Fachleute auch, ob die Geparden im Kuno-Nationalpark genügend Platz haben. Die Reviere von Gepardenmännchen liegen in freier Wildbahn 20 bis 23 Kilometer auseinander, so Wachter. Das Refugium in Indien biete der Biologin zufolge acht Tieren – fünf Männchen und drei Weibchen – Platz. Die Verantwortlichen des „Project Cheetah“ betonen dagegen, der Nationalpark biete angesichts des großen Nahrungsangebotes Lebensraum für 21 Geparden.

Biologin Wachter zeigte sich skeptisch: In der Serengeti gebe es ebenfalls ein ausreichendes Vorkommen von Beutetieren, die Geparden hielten dennoch großen Abstand voneinander. Ähnlich äußerte sich auch das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin. Geparde lebten in einem sozial stabilen räumlichen System mit weit auseinander liegenden Territorien und Dichten von weniger als einem Individuum pro 100 Quadratkilometern.

Gepard wird im indischen Kuno Nationalpark ausgewildert
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Die Raubtiere brauchen viel Platz – Fachleute zweifeln, ob der Nationalpark Kuno groß genug für sie ist

Der Kuno-Nationalpark sei mit seinen etwa 750 Quadratkilometern – etwa 17 mal 44 Kilometern – sehr klein für eine Population. Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass sich die Tiere weit über die Grenzen des Parks hinaus bewegen und Konflikte mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der angrenzenden Dörfer unausweichlich werden, hieß es zu den in der Fachzeitschrift „Conservation Science and Practice“ veröffentlichten Analysen. In Indien wurden zwei der Tiere bereits außerhalb des Kuno-Nationalparks gesichtet.

Geparden weltweit bedroht

Bei den in Indien ausgewilderten Tieren handelt es sich um afrikanische Geparden. Optisch sind sie mit dem einst im Land lebenden asiatischen Geparden ident. Genetisch unterscheiden sie sich aber leicht voneinander. Die letzten Exemplare – etwa 100 Tiere – des asiatischen Geparden leben im Iran.

In Indien dürfte das letzte Exemplar 1947 von einem Prinzen erlegt worden sein. Fünf Jahre später wurde die Art in Indien offiziell für ausgestorben erklärt. Die Zerstörung ihres Lebensraumes, intensive Bejagung und die Folgen der Klimakrise setzen den Großkatzen weltweit zu. Nur etwa 7.000 Exemplare leben Schätzungen zufolge noch in freier Wildbahn, die meisten in Afrika.