Kika-Filiale von außen
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Sanierungsverfahren

Kika/Leiner stellte Insolvenzantrag

Die angeschlagene Möbelkette Kika/Leiner hat unter ihrem neuen Eigentümer Hermann Wieser am späten Montagnachmittag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht St. Pölten beantragt. Gemessen an den betroffenen Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern (rund 3.300) handelt es sich laut dem Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) um die größte Insolvenz der letzten zehn Jahre in Österreich. Die unbesicherten Gläubigerforderungen (Passiva) belaufen sich auf 132 Mio. Euro.

Zum Vermögen (Aktiva) machte das Unternehmen keine Angaben, teilten AKV, Creditreform und KSV am späten Nachmittag mit. Die Möbelkette strebt einen Sanierungsplan zahlbar innerhalb von zwei Jahren an. Die 433 Gläubiger sollen eine Quote von 20 Prozent erhalten. Die Insolvenzursachen liegen laut Kika/Leiner unter anderem im erhöhten Preisdruck und nicht eingetretenen Umsatzerwartungen sowie in Lieferverzögerungen aufgrund der Pandemie.

3.296 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betroffen

Betroffen sind 3.296 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Der Staat dürfte um 80 Prozent der offenen Forderungen umfallen, erwartet Karl-Heinz Goetze vom Kreditschutzverband von 1870 im Ö1-Interview. Bei einem gut vorbereiteten Verfahren könne es aber innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein.

In den vorläufig geschätzten Passiva in Höhe von 132 Mio. Euro sind folgende Verbindlichkeiten enthalten: 40 Mio. Euro an Lieferantenforderungen, welche jedoch teilweise von einer Versicherung, abgedeckt werden sollen, und 42 Mio. Euro an öffentlichen Abgaben und Beiträgen sowie Dienstnehmerforderungen, einschließlich der Beendigungsansprüche aus den aufzulösenden Dienstverhältnissen.

Laut Unternehmensangaben können kika/Leiner-Gutscheine in allen geöffneten Filialen dennoch zur Gänze eingelöst werden, zitieren Kreditschützer aus dem Antrag zur Eröffnung eines Sanierungsverfahrens. Kika/Leiner möchte auch, dass Kundinnen und Kunden mit offenen Aufträgen und bereits geleisteten Anzahlungen (rund 42 Euro Mio.) ihre Waren vollständig erhalten. Dazu muss aber die noch zu bestellende Insolvenzverwaltung in alle offene Kaufverträge eintreten.

AKV: „Aufklärungsbedürftige“ Aspekte

Für den AKV gibt es mehrere Aspekte rund um die Insolvenz von kika/Leiner, die „aufklärungsbedürftig“ sind. Man müsse prüfen, ob nicht bereits eine Insolvenzantragspflicht des Voreigentümers vorgelegen sei, hieß es vom AKV. Von der Insolvenzverwaltung zu überprüfen seien jedenfalls die letzten zwei Wirtschaftsjahre im Hinblick auf den Eintritt der materiellen Insolvenz und eine mögliche Insolvenzverschleppung sowie die Verwendung von Covid-19-Förderungen in Höhe von rund 5,7 Mio. Euro. „Darüber hinaus werden die gänzlichen Zahlungsflüsse zwischen der Schuldnerin und der Signa-Gruppe zu überprüfen sein.“

Aus Sicht von Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, stellt sich nun vor allem die Frage, wie die angestrebte Sanierungsquote von 20 Prozent finanziert werden soll. Er gehe davon aus, dass auf der Aktivseite neben dem bestehenden Inventar vor allem Markenrechte zu verwerten sein werden. Das Sanierungskonzept müsse darüber hinaus sowohl einen klaren Plan für die Filialschließungen als auch für den Mitarbeiterabbau beinhalten, so Weinhofer.

„Der KSV1870 wird diese Schuldnerangaben sowie die vorgelegten Sanierungsmaßnahmen genauestens überprüfen, um einen weiteren wirtschaftlichen Schaden für die betroffenen Gläubiger zu vermeiden“, so die Leiterin Unternehmensinsolvenzen Wien/Niederösterreich/Burgenland beim KSV1870, Brigitte Dostal, in einer Aussendung. Es gehe nun auch darum, „rasch Lösungen für Mitarbeiter zu finden, die unverschuldet ihren Job verlieren“.

Finanzprokuratur prüft Insolvenz

Die Mehrheit der Gläubiger muss dem Sanierungsplan zustimmen. Ein gewichtiges Wort wird dabei die Republik Österreich über die Finanzprokuratur mitzureden haben. Die Finanzprokuratur sei nun beauftragt, „die Interessen der Republik wahrzunehmen“, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Denn der Staat zählt zu den größten Gläubigern, und damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Wolfgang Peschorn während Pressekonferenz
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Wolfgang Peschorn will das Insolvenzverfahren für die Republik Österreich prüfen

Ansprüche der Republik

„Die Republik Österreich wird sicher ein gewichtiges Wort mitzureden haben, wie es mit dem Verfahren weitergeht“, sagte Wolfang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, im Ö1-Mittagsjournal am Montag. Es sei jetzt die Aufgabe der Finanzprokuratur, die Interessen der Steuerzahler zu vertreten und alles genau zu prüfen. „Oberste Prämisse ist jetzt nachzuschauen, was in den letzten Jahren passiert ist“, so Peschorn in der ZIB2. Man müsse sehen, „ob hier vielleicht mehr Schein als Sein war“, so Peschorn.

Die Ansprüche der Republik würden sich auf drei verschiedene Stellen aufteilen, führte Peschorn weiter aus. Gemeint sind die Steuerbehörden, der Insolvenz-Entgelt-Fonds sowie möglicherweise die COFAG, von der kika/Leiner Pandemiehilfen bekommen hat. Die Insolvenz sei der „Startschuss für umfangreiche Prüfungen“ – auch vonseiten der Abgabenbehörden. Peschorn geht davon aus, dass es hier eher zu Nachforderungen als zu Rückzahlungen kommen werde.

Rückwirkende Zusammenlegung „auffällig“

Zu klären ist aus Sicht von Peschorn auch, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. Als „auffällig“ bezeichnete Peschorn den Umstand, dass die beiden Unternehmen kika und Leiner 2022 rückwirkend auf den Bilanzstichtag 2021 zusammengelegt wurden. Das lasse „Vermutungen aufkommen, warum das passiert ist“. Auf Nachfrage antwortete Peschorn: „Damit ein Unternehmen noch eine Bilanz erstellen kann.“

Peschorn zur kika/Leiner-Insolvenz

Der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, zur Insolvenz von kika/Leiner.

Peschorn vermutet zudem, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietengelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen. „Man muss sich anschauen, wie die Verrechnungspreise waren“, so der Finanzprokurator-Chef. Peschorn betonte bei all dem aber, dass die Unschuldsvermutung gelte.

Bericht: Haftungen auf drei Euro beschränkt

Die Immobiliengruppe Signa des Unternehmers Rene Benko bezeichnete den kika/Leiner-Verkauf als „gutes Geschäft“. Zunächst hatte Signa die Immobilien der Leiner & kika Möbelhandels GmbH an die Supernova-Gruppe des deutschen Investors Frank Albert um kolportierte 350 Mio. Euro verkauft, kurz darauf erfolgte der Verkauf auch des operativen Geschäfts an den Handelsmanager Hermann Wieser.

Wenige Tage später gab das Unternehmen bekannt, per Ende Juli 23 der 40 Standorte in ganz Österreich schließen zu wollen und sich von 1.900 der insgesamt 3.900 Beschäftigten zu trennen. Mit dem geplanten Sanierungsverfahren entscheidet nun der Insolvenzverwalter über Filialschließungen und Stellenabbau.

Beim Verkauf des Handelsgeschäfts an Wieser hatte sich Signa vertraglich abgesichert. Gewährleistung und Haftungen seien auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt, in Summe also auf drei Euro, schrieb der „Standard“ vor Kurzem. Außerdem könne der Käufer keine Ansprüche gegen bisherige Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder, Gesellschafter und Darlehensgeber geltend machen und nicht vom Vertrag zurücktreten bzw. den Kontrakt anfechten. Die kolportierten Vertragsdetails bestätigte der kika/Leiner-Sprecher gegenüber der APA.

Geschäftsmann Rene Benko, 2021
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Signa-Chef Benko verkaufte die Immobilien und das operative Geschäft von kika/Leiner getrennt

Interesse an Mietzahlungen

Die operativen kika- und Leiner-Gesellschaften zahlten in den vergangenen Jahren Mieten in Millionenhöhe an eigene Immobiliengesellschaften, welche die Standorte besaßen. Die Miet- und Leasingverpflichtungen beliefen sich im Geschäftsjahr 2020/21 bei kika auf 24 Mio. Euro, bei Leiner auf 19 Mio. Euro. Das führte bei den jeweiligen Immobiliengesellschaften laut Firmenbuch Ende 2021 zu einem Bilanzgewinn von gesamt 66,6 Mio. Euro für kika- und Leiner-Standorte. Der Jahresabschluss zum 30. September 2022 ist noch nicht beim Firmenbuch hinterlegt.

Kika/Leiner stellte Insolvenzantrag

Die angeschlagene Möbelkette kika/Leiner hat unter ihrem neuen Eigentümer Hermann Wieser am späten Montagnachmittag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht St. Pölten beantragt. Die unbesicherten Gläubigerforderungen (Passiva) belaufen sich auf 132 Mio. Euro, zum Vermögen (Aktiva) machte das Unternehmen keine Angaben, teilten AKV, Creditreform und KSV am späten Nachmittag mit.

Auch dieses Konstrukt will Peschorn prüfen. Denn das Interesse des Immobilienunternehmens Signa an dem Handelsgeschäft sei „möglicherweise immer nur dadurch gegeben, dass man die Mietentgelte für die Liegenschaften erhalten wollte“. Laut dem KMU-Berater Gerald Zmuegg vom Finanzombudsteam sei die Höhe der Mieteinnahmen „für den Verlust in der operativen Gesellschaft mitverantwortlich“.

Rote Zahlen schrieb das Handelsgeschäft von kika/Leiner schon länger. Die vergangenen zehn Jahre wechselte die Gruppe mehrfach den Besitzer – von dem südafrikanischen Eigentümer Steinhoff (2013) an Signa (2018) und fünf Jahre später nun an Wieser, der das Unternehmen am Dienstag einem Insolvenzverwalter übergeben wird.

Gewerkschaft: Verkauf rückabwickeln

Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Angestellten in der Privatwirtschaft (GPA), Barbara Teiber, spricht von einem „Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie Beschäftigten“. Sie fordert eine Rückabwicklung des gesamten kika/Leiner-Deals: „Der Finanzminister hat die Republik schadlos zu halten.“

Parallel mit dem vorgesehenen Auftakt des Sanierungsverfahrens soll am Dienstag auch die Information der Beschäftigten beginnen. Bis Ende der Woche sollen an allen Filialstandorten Betriebsversammlungen abgehalten werden. Dabei will etwa die Arbeiterkammer über die Wahrung der Ansprüche und die nächsten Schritte informieren.