Ex-Premierminister Boris Johnson und damaliger Schatzkanzler Rishi Sunak
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Johnson vs. Sunak

Beschimpfungen halten Briten in Atem

Die regierenden britischen Konservativen kommen nicht zur Ruhe. Der Streit zwischen dem aktuellen Premierminister Rishi Sunak und seinem Vorgänger Boris Johnson wird zunehmend schärfer. Jüngster Anlass sind vermeintlich verhinderte Ehrungen für Vertraute Johnsons – prompt kamen öffentliche Attacken auf das „privilegierte Bonzenkind“ Sunak. Doch die Unterstützung für Johnson in der eigenen Partei und in der Bevölkerung schwindet.

Derzeit geht es um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Vertraute Johnsons, die dieser als Dank ins britische Oberhaus berufen wollte. Johnsons ehemalige Kulturministerin Nadine Dorries sagte dem Sender Talk TV am Montagabend, Sunak habe ihre Berufung „doppelzüngig und grausam“ blockiert. Er und sein Berater James Forsyth seien „privilegierte Bonzenkinder“ und hätten verhindert, dass sie, „ein Mädchen, geboren in Armut in Liverpool“, ins House of Lords einzieht. Johnson wie auch Sunak gehören der britischen Oberschicht an.

Wie alle Ex-Premierminister darf Johnson, der im Sommer 2022 unter starkem Druck seiner eigenen Fraktion zurückgetreten war, neue Mitglieder für eine lebenslange Mitgliedschaft in der zweiten Parlamentskammer nominieren. Die zuständige House of Lords Appointments Commission (HOLAC) lehnte aber acht von 15 Berufungen Johnsons ab, darunter neben Dorries noch drei weitere konservative Abgeordnete. Die Denkfabrik Institute for Government sprach von einer beispiellosen Quote.

Nadine Dorries geht auf Straße
Reuters/Phil Noble
Die ehemalige Kulturministerin Dorries fühlt sich unterprivilegiert

Seitdem tobt ein immer stärker offen ausgetragener Kampf bei den Torys. Das Nachrichtenportal „Politico“ schrieb am Dienstag sogar, in der Konservativen Partei sei ein „offener Krieg“ ausgebrochen. Die „Times“ berichtete, auch der Wunsch des Ex-Premiers, seinen Vater Stanley Johnson zum Ritter zu schlagen, sei abgelehnt worden. Stanley Johnson war selbst Politiker für die Konservativen im EU-Parlament.

Aussage gegen Aussage: „Er redet Unsinn“

Sunak zufolge forderte Johnson von ihm, er solle HOLAC überstimmen. Doch das habe er, Sunak, nicht für richtig gehalten. Johnson sagte im Gegenzug: „Rishi Sunak redet Unsinn.“ Es steht Aussage gegen Aussage: „Es ging darum, entweder HOLAC zu überstimmen oder Leuten Versprechungen zu machen“, so Sunak. Johnson hingegen sagte, Sunak hätte HOLAC lediglich auffordern sollen, die Überprüfung zu erneuern, das sei eine reine Formalie.

Grund für die Ablehnung war Medien zufolge, dass die Abgeordneten ihre Mandate noch nicht abgegeben hatten. Die Regierung wies Vorwürfe des Johnson-Lagers zurück, die Kandidaten und Kandidatinnen seien nicht rechtzeitig über diese Bedingung informiert worden.

Johnsons Stern sinkt auch bei den Torys

Die Auseinandersetzung ist auch ein Zeichen für die offenbar sinkende Popularität Johnsons in der eigenen Partei. Am Freitag gab Johnson sein Mandat im Unterhaus ab, offenbar nicht ganz freiwillig. Anlass ist der Bericht eines Parlamentsausschusses, der laut „Times“ am Mittwoch erscheinen soll. Der damalige Premier habe das Unterhaus in der „Partygate“-Affäre in Bezug auf illegale Lockdown-Feiern in der Downing Street belogen.

Boris Johnson beim Rugbyspielen mit Kindern
Reuters/Issei Kato
Johnson sorgt nicht nur mit seiner wilden Frisur, sondern auch mit wildem Auftreten für Aufsehen

Johnson stilisierte sich beim Rückzug als quasi Verstoßener: Es sei sehr traurig, das Parlament zu verlassen, hieß es in seiner Erklärung. Er werde von einigen wenigen Personen hinausgedrängt, die keine Beweise für ihre Behauptungen hätten. Er selbst habe kein Verständnis für die Vorwürfe des Ausschusses zur „Partygate“-Affäre. Der von Labor geführte Ausschuss, in dem auch Konservative vertreten sind, soll Medien zufolge empfohlen haben, ihn für zehn Tage zu suspendieren.

„Wir sind Gott sei Dank über ihn hinweg“

Neben Johnson erklärten auch Dorries und Nigel Adams ihren Rückzug, die damit nötigen Nachwahlen in den jeweiligen Wahlkreisen erfolgen angesichts schlechter Umfragewerte für die Konservativen. Allerdings blieb es bei den drei Personen, was darauf hindeute, dass Johnsons Popularität in der eigenen Partei wie auch in der britischen Bevölkerung schwindet, schrieb „Politico“. Die eigenen Gefolgsleute Johnsons, die von der Popularitätswelle des „bad boys“ der britischen Politik profitiert haben, würden ihm nun den Rücken zuwenden.

Niemand vermisse wohl das Drama unter Premier Johnson, so der derzeitige Energieminister Grant Shapps, der unter Johnson bereits Minister war. „Wir sind Gott sei Dank über ihn hinweg“, wird ein anderer, ungenannter Minister von „Politico“ zitiert, ein weiterer meinte, Johnson sei der „Architekt seiner eigenen Zerstörung“, der es niemals verstanden habe, sich zu benehmen. Man solle sich nun besser anderen Dinge zuwenden.

Es gibt allerdings auch Konservative, die Johnson weiterhin nicht abschreiben würden. Gerade schlechte Ergebnisse bei Wahlen könnten für Johnson wieder den Boden für eine neuerliche Rückkehr bereiten. Angesichts der wirtschaftlichen Lage im Zuge von Brexit und Wirtschaftskrise könnte das für das bewiesene „Stehaufmanderl“ Johnson zumindest nicht ganz unmöglich sein.