Nach einer durchaus hitzigen Debatte verlor die Regierung von Odor im Parlament die Vertrauensabstimmung. Nur 34 von 136 anwesenden Abgeordneten stimmten für das Regierungsprogramm. Zu einem neuerlichen Regierungswechsel wird es aber nicht kommen, weil Odor das Vertrauen von Präsidentin Zuzana Caputova genießt. Bis zur Wahl Ende September wird Odor wohl die Regierungsgeschäfte leiten.
Neben der gesamten Opposition hatte auch ein Großteil der bisherigen Regierungskoalition schon im Vorfeld angekündigt, gegen die erst seit Mai angelobte Regierung zu stimmen. Die zweitägige Debatte zur Regierungserklärung verlief dementsprechend laut und lebhaft. Statt fachlicher Stellungnahmen dominierten persönliche Untergriffe. So hatte die rechtsextreme Partei LSNS etwa Odors Herkunft als Grund für ihre Ablehnung vorgebracht, wie etwa „Pravda“ ausführlich berichtete. Odor gehört der ungarischen Minderheit an.
Odor warb für Programm
Obwohl klar war, dass die Regierung die Vertrauensabstimmung verlieren wird, versuchte der 46-jährige ehemalige Vizegouverneur der slowakischen Notenbank, für seinen Plan zu werben. Er wolle Ruhe und Stabilität in die politischen Debatten bringen, „auch eine kultivierte gesellschaftspolitische Diskussion“, sagte er. Man habe weder Zeit noch das Mandat, Reformen in ihrer ganzen Breite zu verwirklichen. Man werde aber versuchen, Vorarbeiten für die Nachfolgeregierung umzusetzen.
Als Prioritäten hatte das nur 28 Seiten lange Regierungsprogramm die Sicherung eines ordentlichen Funktionierens des Staates bis zur Neuwahl im September, die Fortsetzung humanitärer, politischer sowie militärischer Hilfe für das von Russland angegriffene Nachbarland Ukraine, die Gesundung der öffentlichen Finanzen sowie staatliche Hilfe für schwache Einwohnerschichten in der Inflationskrise beinhaltet.
Die Abgeordneten kritisierten das Regierungsprogramm als viel zu vage. Die Smer-SD-Partei unter dem früheren Regierungschef Robert Fico bezeichnete Odor als „Neoliberalen, der der Slowakei nicht helfen will“. Der Regierungschef selbst konterte die Angriffe laut „Pravda“, indem er sagte, er wolle zu allen Kommentaren Stellung nehmen, die „konstruktiv und faktenbasiert“ seien. Für wenige Sekunden herrschte völlige Stille. „Vielen Dank“, sagte Odor und ging.
Wahlkampf bereits im Gang
Beobachter und Beobachterinnen im Land führen die Attacken auch darauf zurück, dass sich die Parlamentsparteien bereits im Wahlkampf befinden. Ex-Ministerpräsident Igor Matovic, der Vorsitzende der stärksten Partei der bisherigen Koalition, OLaNO, kritisierte in der Aussprache vor allem Passagen über den aktuell „historisch schlechtesten“ Zustand öffentlicher Finanzen des Landes heftig. „Gewaltige Schande und Lügen, die sie hier verbreiten“, sagte er.
Die Expertenregierung solle der bisherigen Koalition lediglich Zeit verschaffen, sich nach ihrer heftigen internen Krise wieder zu fassen und auf die Neuwahl im September vorzubereiten, beklagte hingegen Smer-SD-Vorsitzender Fico. Seine Partei liegt in Umfragen derzeit knapp voran.
Expertenregierung nach zähem Ringen
Präsidentin Caputova hatte die Expertenregierung nach einer langwierigen politischen Krise im Land am 15. Mai ernannt. Der slowakischen Verfassung zufolge musste sich das neue Kabinett innerhalb von 30 Tagen mit seiner Regierungserklärung im Parlament einer Vertrauensabstimmung stellen.
Bis zur Neuwahl am 30. September wird Odor die Amtsgeschäfte leiten. Die Regierung wird nur mit eingeschränkten Kompetenzen wirken und keine grundsätzlichen Entscheidungen im Bereich Wirtschaft oder Außenpolitik vornehmen können, ähnlich wie zuvor die konservativ-populistische Minderheitsregierung von Eduard Heger, die seit einem verlorenen Misstrauensvotum im Dezember nur noch geschäftsführend im Amt war.
Laut aktuellen Umfragewerten steuern die Parteien der bisherigen rechtsorientierten Regierungskoalition der Slowakei auf eine schwere Niederlage bei der bevorstehenden Parlamentswahl zu. Das weckt Befürchtungen einer drohenden Richtungsänderung der slowakischen Außenpolitik. Denn die linkspopulistische Smer-SD lehnt weitere Waffenlieferungen an die Ukraine langfristig ab.