Bauarbeiter
ORF.at/Christian Öser
Kürzer arbeiten

Folgen für BIP laut WIFO gering

Eine aktuelle Studie des WIFO im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) könnte die Arbeitszeitdebatte wieder anheizen. Laut dieser würde eine Arbeitszeitanpassung an individuelle Wünsche das Wohlbefinden der Beschäftigten deutlich erhöhen, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen würden dabei überschaubar bleiben. Die AK freute sich naturgemäß. Auch die Wirtschaftskammer reagierte rasch – und ablehnend.

Eine Reduktion der Arbeitszeit nach den Wünschen der Beschäftigten um 3,5 Prozent würde nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,9 Prozent senken.

Das WIFO hat in seiner Studie vier Szenarien berechnet: eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und ohne Lohnausgleich, mit konstantem und veränderlichem Arbeitsangebot. Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse der vier Szenarien nur geringfügig voneinander abweichen. So wäre das BIP im Basisjahr bei konstantem Arbeitsangebot und vollem Lohnausgleich um 0,8 Prozent niedriger, ohne Lohnausgleich läge das Minus bei 0,9 Prozent.

Nach zehn Jahren würde sich ein BIP-Rückgang von 0,9 Prozent für beide Szenarien ergeben. Bei veränderlichem Arbeitsangebot, etwa weil durch höhere Stundenlöhne mehr Menschen Arbeit suchen, läge der negative Effekt zwischen 0,6 und 0,9 Prozent.

1,5 Prozent mehr Produktivität

Gleichzeitig würden die Stundenlöhne langfristig real um bis zu 3,3 Prozent steigen, die Produktivität um bis zu 1,5 Prozent, die Beschäftigung um bis zu 1,4 Prozent. Die Arbeitslosenquote läge um 0,7 bis 1,0 Prozentpunkte niedriger, und das Budgetdefizit würde um 0,3 Prozent sinken. Auch die Preise würden steigen, der Preiseffekt läge aber unter einem Prozentpunkt. Die Unterschiede zwischen den Szenarien mit und ohne Lohnausgleich gleichen sich im Modell langfristig aus.

„Sehr ähnlich durch alle Branchen“

„Die Effekte ziehen sich sehr ähnlich durch alle Branchen“, sagte der Studienautor Stefan Ederer vom WIFO bei der Präsentation am Donnerstag. Die größten Effekte würden sich dabei im Dienstleistungsbereich zeigen. In der Sachgütererzeugung gäbe es „sehr hohe positive Beschäftigungseffekte und eigentlich nur durchschnittliche Wertschöpfungseffekte“, so Ederer. Das sei überraschend, weil der Sektor stark in globale Lieferketten integriert sei. „Der Wettbewerbsverlust hält sich in Grenzen.“

AK: „Kontrast zu Weltuntergangsszenarien“

Die Ergebnisse „stehen in erheblichem Kontrast zu den Weltuntergangsszenarien, die uns sonst so gezeichnet werden“, sagte AK-Chefökonom Markus Marterbauer und verwies auf Stimmen, laut denen eine Arbeitszeitverkürzung zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, dem Einbruch von Investitionen und der Produktion führen würde. Auch in der Vergangenheit, etwa in der 1970er Jahren, hätten Arbeitszeitverkürzungen kaum negative wirtschaftliche Folgen gehabt.

Wichtig für Effekt ist Eingehen auf Wünsche

Entscheidend sei, dass den Wünschen der Beschäftigten nachgegangen wird. „Die Wohlfahrt der Beschäftigten steigt, wenn sie genauso viele Arbeitsstunden leisten können, wie sie wollen.“ Bei Vollzeitbeschäftigung entspreche das meist einer Reduktion, bei Teilzeitbeschäftigten einer Ausweitung der Arbeitszeit.

In Zeiten der Arbeitskräfteknappheit „werden sich jene jungen, produktiven, innovativen Firmen durchsetzen, die bereit sind, auf die Wünsche der Beschäftigten einzugehen“, sagte Marterbauer. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung seien „höchst bescheiden“, Befürchtungen, die in der politischen Debatte diesbezüglich geäußert werden, würden „nun sehr schön entkräftet“, so der AK-Ökonom.

WKO: Gefahr für Wohlstand

Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer (WKO), lehnte eine Arbeitszeitverkürzung klar ab. Der Wirtschaft würden Arbeitskräfte fehlen, obwohl die Unternehmen 170.000 Menschen mehr beschäftigen als 2019. Der „einfache Grund“, aus seiner Sicht: In Österreich werde im Schnitt um eineinhalb Stunden weniger gearbeitet als vor der Pandemie.

Das Arbeitsvolumen sei zudem das „Fundament für Wohlstand und Sozialstaatsfinanzierung“. Die Last steige hier aber sowieso, da die Babyboomer-Generation in Pension gehe, die Zahl der Menschen im Erwerbsalter dagegen sinke. „Arbeiten diese alle auch noch kürzer, bricht es (gemeint: das Fundament für den Sozialstaat, Anm.) irgendwann ein“, so Gleißner in einer Aussendung.

Sieben Prozent wollen Aufstockung

Als Basis für die WIFO-Studie dienten Daten aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung von 2019, um verzerrende Effekte der Pandemie zu verhindern. Im Durchschnitt arbeiten unselbstständig Beschäftigte in Österreich 36,1 Stunden pro Woche, das gewünschte Arbeitsausmaß liegt bei 34,9 Stunden.

Jede bzw. jeder fünfte Befragte würde gerne weniger arbeiten, eine Aufstockung wünschen sich rund sieben Prozent. Vor allem in höheren Bildungsschichten wird mehr gearbeitet, hier gibt es entsprechend auch einen stärkeren Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten. Nach Altersgruppen ist die geleistete Arbeitszeit mit 37,2 Stunden am größten unter den 45- bis 54-Jährigen.

Weniger Arbeit wünschen sich vor allem Menschen zwischen 55 und 64 Jahren. Männer verbringen pro Woche im Schnitt 40,1 Stunden in bezahlter Arbeit und wünschen sich eine Reduktion auf 38,5 Stunden, Frauen arbeiten derzeit 31,9 Stunden bezahlt und wünschen sich eine Verkürzung auf 31,1 Stunden.