Person mit Kassenzettel eines Supermarktes
ORF/Patrick Bauer
Sinken erwartet

Inflation hat Österreich – noch – fest im Griff

Die Inflation in Österreich ist seit September des Vorjahres deutlich höher als im Euro-Raum. Das WIFO präzisierte am Freitag im aktuellen Forschungsbericht die wesentlichen Ursachen für diese Überinflation. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) prognostiziert indes ein Sinken der Inflation bis 2024 – ein Trend, der sich schon in der aktuellen Mai-Inflation leicht abzeichnet.

Die Verbraucherpreise waren im Mai um 9,0 Prozent höher als im Mai 2022. Das teilte die Statistik Austria am Freitag mit. Die Teuerung verlangsamte sich allerdings im Vergleich zum April, als die Preise im Jahresabstand um 9,6 Prozent gestiegen waren. Allerdings waren die Statistiker und Statistikerinnen in ihrer Schnellschätzung vor zwei Wochen noch von einer Mai-Inflation von 8,8 Prozent ausgegangen. Im Vergleich zum Vormonat April stieg das Preisniveau im Mai um 0,3 Prozent.

„Die Inflation hat sich auf hohem Niveau eingebremst“, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas laut Aussendung. Die Teuerung sei im Mai auf dem niedrigsten Wert seit Juni 2022 gewesen. Das liege vor allem an den Treibstoffen, die deutlich billiger seien als vor einem Jahr.

Die Inflationstreiber

„Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sowie Gastronomie und Beherbergung verteuerten sich im Mai zwar etwas weniger stark als im Vormonat, die Teuerungsraten sind hier aber weiterhin zweistellig“, so Thomas. Der Anstieg der Preise für Wohnung, Wasser, Energie (durchschnittlich plus 15,1 Prozent) beeinflusste die Inflationsrate mit 2,86 Prozentpunkten und blieb damit der wichtigste Treiber der Inflation im Jahresvergleich, so die Statistik Austria.

Inflation im Mai auf 9,0 Prozent gesunken

Die Verbraucherpreise waren im Mai um 9,0 Prozent höher als im Mai 2022. Das teilte die Statistik Austria am Freitag mit.

WIFO: Hauptursachen für hohe Inflation

Das WIFO sieht indes mehrere Gründe für die hohe Inflation in Österreich. Man habe preisdämpfende Maßnahmen später umgesetzt als der restliche Euro-Raum. Im Gegensatz zu anderen Euro-Ländern wie Deutschland, Italien und Spanien gab es keine Eingriffe in die Mehrwertsteuer.

Auch die expansive Fiskalpolitik habe zur hohen Teuerungsrate beigetragen. Zusätzlich kurbelte der wieder zunehmende internationale Tourismus die Inflation an. Schließlich sind Touristen und Urlauberinnen nach der Pandemie bereit, mehr Geld für den Urlaub auszugeben.

Anpassung der Energiepreise erwartet

Nach Ansicht des WIFO zählt auch die verzögerte Anpassung der Energiepreise zu den Ursachen der hohen Teuerungsrate. In anderen Ländern der Euro-Zone sei es rascher zu einer Anpassung an die Großhandelspreise gekommen. Zwar gab es zuletzt, so das WIFO, hohe Lohnerhöhungen. Aber deren Effekt auf die Inflation war nur von kurzer Dauer, ist man beim WIFO überzeugt.

Mit der Anpassung der Energiepreise sowie einer Stabilisierung der Nahrungsmittelpreise sollte der Inflationsabstand zu den anderen Ländern des Euro-Raums jedoch abnehmen. Negativ auswirken könnte sich jedoch, wenn die Ausgaben für Freizeitaktivitäten hoch bleiben.

OeNB: Jahresinflation von 7,4 Prozent erwartet

Die OeNB erwartet heuer im zweiten Halbjahr eine Konjunkturbelebung und damit im Gesamtjahr ein leichtes Wirtschaftswachstum. Die Inflation wird trotz des Rückgangs immer noch 7,4 Prozent betragen. Die Arbeitslosigkeit bleibt stabil. 2024 sollten laut am Freitag veröffentlichter Prognose die Inflation auf 4,1 Prozent sinken und die Wirtschaft um 1,6 Prozent wachsen.

Die Wirtschaft sei seit dem zweiten Halbjahr 2022 in einer Stagflationsphase, also einem Nullwachstum bei hoher Inflation, so die OeNB. „Aber in der zweiten Jahreshälfte nimmt die Wirtschaft wieder Schwung auf, und die Inflation wird langsam sinken“, sagte OeNB-Gouverneur Robert Holzmann.

Es bestehe für das Gesamtjahr 2023 in Österreich keine Gefahr einer Rezession, also eines Schrumpfens der Wirtschaft, die OeNB erwartet ein Plus von 0,5 Prozent. Die Preise werden aber gemessen am EU-weit vergleichbaren Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) um 7,4 Prozent zulegen. Die Beschäftigten in Österreich können dennoch mit einem leichten Wachstum ihrer realen Einkommen von 0,3 Prozent rechnen. Die Arbeitslosenrate steigt nur minimal auf 6,4 Prozent.

Ausblick auf 2024

Da in Österreich die Kollektivvertragsverhandlungen die Inflation des Vorjahres in die Lohnerhöhungen einbringen, führt die sinkende Inflation 2024 zu einem „außergewöhnlich kräftigen Ansteigen der Reallöhne und damit des privaten Konsums“, heißt es in der Prognose. Der Reallohn könnte um 3,3 Prozent steigen.

Die Inflation geht 2024 zwar auf 4,1 Prozent zurück, die Teuerung im Dienstleistungsbereich sinkt aber nur langsam. Deshalb werde die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) im Jahr 2024 mit 5,1 Prozent um einen Prozentpunkt über der HVPI-Rate liegen. Das Wirtschaftswachstum sollte auf 1,7 Prozent steigen, die Arbeitslosigkeit wieder leicht zurückgehen.

Auch 2025 Reallohnzuwachs erwartet

Für 2025 geht die OeNB von einem weiteren Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent aus. Die Inflation sollte auf 2,9 Prozent sinken, würde damit aber immer noch über dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent und auch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt liegen. Die realen Einkommen sollten mit 2,4 Prozent noch einmal kräftig zulegen. Der grundsätzliche Arbeitskräftemangel geht weiter, die Arbeitslosenrate sollte nur noch knapp über sechs Prozent liegen.

Neuverschuldung sollte sich einbremsen

Bei den öffentlichen Finanzen geht die OeNB davon aus, dass Österreichs Neuverschuldung (Defizit) dank des Auslaufens der CoV-Maßnahmen sinkt, es wird aber nach 2,6 Prozent des BIP heuer in den Folgejahre immer noch 1,9 Prozent betragen.

Die Schuldenquote (Gesamtverschuldung) – gemessen als Schuldenanteil der Wirtschaftsleistung – „wird vor allem aufgrund des inflationsbedingt hohen Wachstums des nominellen BIP von 78,4 Prozent im Jahr 2022 auf 70,9 Prozent im Jahr 2025 sinken“, heißt es in der OeNB-Prognose.

OeNB: Kaum preisdämpfende Maßnahmen

Die OeNB berechnete auch, wie sich die Teuerung in Österreich entwickelt hätte, wenn Maßnahmen wie in andern Euro-Ländern ergriffen worden wären. Das hätte dazu geführt, dass die Inflation im Vorjahr um einen Prozentpunkt niedriger, heuer dafür um einen halben Prozentpunkt höher ausgefallen wäre.

Während Transfers und Indexierungen die Inflation in Österreich im Vorjahr antrieben, habe es kaum preisdämpfende Maßnahmen gegeben, so Birgit Niessner, Leiterin der Volkswirtschaftlichen Hauptabteilung der OeNB, am Freitag im Rahmen der OeNB-Prognose. Österreich habe sehr stark auf einkommensstützende Maßnahmen gesetzt. Dadurch wurde der inflationsbedingte Rückgang der Haushaltseinkommen 2022 zu 90 Prozent und 2023 zu 70 Prozent kompensiert.

Energiepreis und Unternehmensgewinne

Dafür wirke heuer vor allem die Strompreisbremse in Österreich preisdämpfend. Heuer sei es also „schon so, dass die Inflation durch politische Maßnahmen gesenkt wurde“, so Niessner. Aber 2024 werde die Inflation schon wieder höher ausfallen, als es ohne politische Maßnahmen der Fall gewesen wäre. Denn „wenn die Strompreisbremse ausgesetzt wird, gehen die Preise auch wieder nach oben“, so Niessner, die davon ausgeht, dass der Strompreis ohne Stützungen über zehn Cent pro kWh liegen wird.

Auch die Unternehmensgewinne spielten bei der Teuerung eine maßgebliche Rolle, sagte der Leiter des Konjunkturreferats der OeNB, Gerhard Fenz. So sei die innerösterreichische Inflation (gemessen am BIP-Deflator) 2022 bei 6,4 Prozent gelegen, die Gewinne machten davon vier Prozentpunkte aus. Die Bedeutung der Gewinne für die Teuerung gilt vor allem für den Energiebereich, wo die sektorale Inflation bei 34,6 Prozent lag und „fast zur Gänze“ von Gewinnen getrieben war.

Brunner erfreut

Der Rückgang der Inflation erfreut das Finanzministerium. Der Rückgang „auf den niedrigsten Wert seit Juni 2022 ist sehr erfreulich. Das ist die Bestätigung der Trendwende“, so Finanzminister Manus Brunner (ÖVP) über die Mai-Inflation. „Wir müssen weiterhin Maßnahmen setzen, die inflationssenkend wirken. Damit unterstützen wir die EZB im Kampf gegen die Inflation.“ Und: „Wir wollen das Defizit halbieren, um Österreich mittelfristig auf einen nachhaltigen Budgetpfad zu bringen.“

Herbe Kritik der Opposition

Die Opposition sieht das anders: „Mit 9,0 Prozent übersteigt die heimische Inflation jene Deutschlands mit 6,1 oder Italiens mit 8,0 und liegt auch weiter über dem EU-Durchschnitt“, so FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung der FPÖ.

„Da die Prognose der Oesterreichische Nationalbank eine Inflation für heuer noch von 7,4 Prozent ausweist, braucht es sofort einen Preisdeckel auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe durch eine massive Senkung bis hin zur Aussetzung der Mehrwertsteuer und eine Preiskommission – auch ist eine echte Mietpreisbremse notwendig“, sagte Belakowitsch.

Ähnlich argumentierte die SPÖ in einer Aussendung von Sozialsprecher Josef Muchitsch: „Die Preiseingriffe, die in anderen Ländern längst zum Goldstandard bei der Teuerungsbekämpfung gehören, zeigen Wirkung“, so Muchitsch. „Die Bundesregierung muss endlich aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen und Preise senken. Von der Mietpreisbremse bis zur Streichung der Mehrwertsteuer – die Vorschläge liegen auf dem Tisch“, sagte Muchitsch weiters.

„ÖVP und Grüne dürfen nicht länger nur hoffen und zuwarten und sich schon jetzt in den Sommerurlaub verabschieden“, sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. „Im Herbst warten wegen der anhaltend hohen Inflation schwere Lohnverhandlungen – die Regierung muss durch eine Senkung der Lohnnebenkosten dafür sorgen, dass Druck aus den Verhandlungen genommen wird und die Unternehmen Luft für höhere Löhne bekommen", so Loacker, der zudem eine rasche Senkung der Lohn- und Einkommenssteuern forderte.