Bei einer Pressekonferenz betonte Albertin von der zuständigen Gemeinde Albula, dass niemand zu Schaden gekommen sei. „Es ist so gekommen, wie wir es vorhergesehen haben.“ Zuvor hatte bereits Christian Gartmann, Sprecher der zuständigen Gemeinde Albula, dem Sender SRF mitgeteilt, dass Brienz „großes Glück“ hatte. „Wir gehen im Moment nicht davon aus, dass es Schäden gab.“
Geröll und Steine stürzten zwischen 23.00 Uhr und Mitternacht den Hang hinunter. Es habe so laut gerumpelt, dass das Getöse im ganzen Talkessel zu hören war, sagte Gartmann. Dort hörten es auch die meisten der rund 80 Einwohner und Einwohnerinnen.
Felsmassen verfehlen Brienz nur knapp
In der Nacht ist ein erheblicher Teil der absturzgefährdeten Felsmassen heruntergekommen und hat das Schweizer Bergdorf Brienz nur knapp verfehlt.
Evakuierung im Mai
Sie hatten ihr Dorf auf rund 1.100 Meter Höhe Mitte Mai verlassen müssen und harrten bei Verwandten in der Nähe oder in Ferienwohnungen aus. Über Webcams konnten sie beobachten, was mit ihrem Dorf passiert.
Seit Tagen waren dort größere Gesteinsbrocken den Hang hinunter gedonnert und auf einer Wiese liegen geblieben. Der große Schuttstrom von der Nacht kam wenige Meter vor dem alten Schulhaus zum Erliegen. Die Straße nach Lenzerheide liegt nun teilweise unter zwölf Meter Schutt.
Mögliche Schäden werden noch ermittelt
Vorher-Nachher-Bilder zeigen die erheblichen Veränderungen im Landschaftsbild. Am Vortag waren in dem Gebiet noch nackte Felsen, einzelne Brocken, helles und dunkles Gestein sowie darunter Wiese, Bäume und eine Holzhütte zu erkennen. Am Freitag lag das alles unter einem gigantischen grauen Schuttberg. Das Dorf sieht auf den Bildern im Vergleich dazu wie eine Miniaturanlage aus. Brienz liegt im Kanton Graubünden rund 25 Kilometer Luftlinie südwestlich von Davos.
Geprüft werde noch, ob die Wohnhäuser und die Kirche wirklich völlig verschont blieben, sagte Gartmann. „Bei solchen Ereignissen krachen manchmal Felsblöcke auf andere Blöcke. Dann gibt es Splittersteine von der Größe einer Faust bis zu einem Fußball.“ Sie könnten „wie eine Kanonenkugel“ Hunderte Meter durch die Luft schießen und Fensterscheiben oder andere Gebäudeteile beschädigen. Bei einem ersten Hubschrauberüberflug habe es nicht nach Schäden ausgesehen.
Gefahrenlage wird noch beurteilt
Nach Angaben des Geologen Stefan Schneider donnerten zwei Drittel bis drei Viertel der geschätzten zwei Millionen absturzgefährdeten Felsmassen den Hang hinunter. Auch am Freitag war nach Angaben von Anwohnern in Tiefencastel immer wieder Gerumpel zu hören, an der Absturzstelle stieg Staub auf.
Die Gefahr weiterer Schuttströme bis zum Dorf galt vorerst als gering. Was aber mit dem Gestein oberhalb der Abbruchstellen ist, müsse mit neuen Messungen erst geprüft werden, sagte Schneider.
Es werde einige Tage dauern, bis man die Gefahrenlage beurteilen könne. „Wir hoffen, dass die Bevölkerung nach Brienz zurückkehren kann“, sagte Peter Peyer, Regierungspräsident von Graubünden. „Die Sicherheit geht aber in jedem Fall vor.“
Berg seit Jahrtausenden in Bewegung
Unterhalb des Dorfes waren vorübergehend Straßen und Bahnstrecken gesperrt worden. Der Bahnverkehr in den Ferienort St. Moritz wurde umgeleitet. Anders als beim jüngsten Bergsturz in Tirol ist in Brienz nicht der Klimawandel Auslöser. Er führt andernorts dazu, dass der Permafrost schmilzt, also das Eis, das Fels in großen Höhen wie Klebstoff zusammenhält.
In Tirol waren am Sonntag rund 100.000 Kubikmeter Geröll abgestürzt. Hunderte Meter des Südgipfels des Fluchthorn-Massivs samt Gipfelkreuz brachen ab. Das Felsmaterial landete fernab von bewohnten Gebieten und gefährdete niemanden.
Der Berg oberhalb von Brienz ist nach Angaben von Fachleuten aber seit Jahrtausenden in Bewegung. Die Rutschung hatte sich über Jahre beschleunigt. Als es im Frühjahr zu brenzlich wurde, hatte die Gemeinde beschlossen, die Einwohner in Sicherheit zu bringen.