ÖGB-Chef Wolfgang Katzian
APA/Georg Hochmuth
ÖGB-Chef Katzian

Keine Zurückhaltung bei Lohnverhandlungen

Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian, will sich bei den Lohnverhandlungen im Herbst nicht in übertriebener Zurückhaltung üben. Das könne man angesichts der hohen Inflation von keiner Gewerkschaft der Welt verlangen, sagte er am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“. An den neuen SPÖ-Chef Andreas Babler hat er seine Erwartungen und zur Causa kika/Leiner seine eigene Meinung. Er ortet eine Vorgangsweise, „die stinkt“.

Katzian steht vor seiner Wiederwahl kommende Woche durch die Delegierten des ÖGB-Bundeskongresses für weitere fünf Jahre an der Spitze der Gewerkschaft. Im „Journal zu Gast“ am Samstag nahm er Stellung zu den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen, dem Thema Arbeitszeitverkürzung, der Insolvenz der Möbelhauskette kika/Leiner, an der er deutliche Kritik übte, und der Situation der SPÖ nach dem Wechsel an der Spitze.

Mit Blick auf die Lohnverhandlungen sagte Katzian, dass man hier die „Spielregeln“ sicher nicht ändern werde, das bedeute, dass dafür die Teuerungsrate der letzten zwölf Monate ausschlaggebend sei. Konkret: Aus Gewerkschaftssicht werde es keine Abschlüsse „unter der rollierenden Inflation geben“. Im Vorjahr hatte die Inflationsrate bei 8,4 Prozent gelegen, im Mai bei 9,0 Prozent, für das Gesamtjahr 2023 rechnete die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) zuletzt mit 7,4 Prozent.

Teuerung: „Da passiert nichts“

Was den Einwand einer Lohn-Preis-Spirale betreffe, sei er auf diesem Ohr nicht taub, so Katzian auf Nachfrage. Aber die Regierung habe zu wenig unternommen, um die Teuerung zu bremsen, „da passiert nichts“. Lohnzurückhaltung erteilte er eine Absage. Die könne man in der aktuellen Situation „von keiner einzelnen Gewerkschaft der Welt verlangen, das machen wir sicher nicht“.

„Blumenstrauß“ an Protestmöglichkeiten

Stattdessen werde man beobachten, wie sich die maßgeblichen Inflationstreiber, (zuletzt erneut) die Kosten für Wohnen, Haushaltsenergie und Lebensmittel, weiter entwickeln. Wenn nicht klar sei, dass diese zurückgehen, werde es „Aktivitäten“ geben, so Katzian, seit 2018 ÖGB-Chef, und zusätzlich seit Mai Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Man verfüge hier über „viele Möglichkeiten des großen Blumenstraußes von Aktivitäten“, diese reichten von Aktionstagen bis zu Demonstrationen.

Kika/Leiner „ausbanlt“

Deutliche Kritik übte Katzian an der Insolvenz von kika/Leiner. Hier gelte es die Prüfung durch die Finanzprokuratur abzuwarten. Sollte diese ergeben, dass „nicht alles astrein“ abgelaufen sei, dann sei er dafür, „dass sich das jemand Externer anschaut“. Eine Möglichkeit sei eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission. Diese könnte schließlich auch eine „mögliche Rückabwicklung“ zum Beispiel von Immobiliendeals ausloten.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Möbelhauskette sei stets signalisiert worden, dass „alles in Ordnung“ und die Arbeitsplätze sicher seien und man „auf einem guten Weg“ sei. Mittlerweile wisse man, dass die Firma im Hintergrund filetiert, „ausbanlt“, wie Katzian sagte, worden sei. „Das ist eine Vorgangsweise, die stinkt.“ Daher müsse man sich die Causa genau ansehen, „den ganzen Prozess insgesamt aufarbeiten“.

FPÖ will U-Ausschuss

Einen parlamentarischen U-Ausschuss zum kika/Leiner-Komplex wünscht sich wiederum die FPÖ. Generalsekretär Christian Hafenecker erneuerte am Samstag sein Angebot an die SPÖ, das parlamentarische Gremium gemeinsam einzusetzen. Aus freiheitlicher Sicht könnte der potenzielle Untersuchungsgegenstand „selbstverständlich“ auf einen „Malversationskomplex COFAG“ ausgedehnt werden, dürfte doch kika/Leiner nur die „jüngste Spitze des Eisbergs“ sein, was Coronavirus-Hilfen anbelange.

Katzian hat mit neuer SPÖ-Spitze „gutes Gefühl“

Katzian nahm im „Journal“ auch zum Wechsel an der Spitze der SPÖ von Pamela Rendi-Wagner hin zu Andreas Babler Stellung. Der (allerdings von Pannen begleitete) Prozess sei ein Wettbewerb im positiven Sinn gewesen, „es ist ausgegangen, wie es ausgegangen ist“. Babler habe jedenfalls seine volle Unterstützung.

Er glaube, dass der neue Parteichef die Sozialdemokratie wieder „in ruhige Gewässer“ zu führen imstande sei. Von ihm erwarte sich die Gewerkschaft politische Unterstützung in ihren Forderungen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so Katzian. „Da habe ich im Moment ein gutes Gefühl.“

Differenziert äußerte sich der ÖGB-Chef schließlich zum Thema Arbeitszeitverkürzung, „weil wir unterschiedliche Branchen haben“, in denen sich die Forderung nicht 1:1 umsetzen lasse, so Katzian sinngemäß. Jedenfalls sei der Arbeitsdruck erheblich gestiegen, in einigen Berufen brauche es eine Verkürzung der Regelarbeitszeit ganz dringend – und generell könne man das Thema nicht „auf den St. Nimmerleinstag“ verschieben. Wenn das auf Kollektivertragsebene nicht gelingt, hätte der ÖGB-Chef auch nichts gegen eine gesetzliche Regelung einzuwenden.