Linienbus zur Evakuierung in Hannover
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Sperren und Evakuierungen

Großeinsatz wegen Blindgängers in Hannover

Ein Verdacht auf Blindgänger im Boden hat am Sonntag im deutschen Hannover zu großräumigen Evakuierungsmaßnahmen geführt. Im Stadtteil Sahlkamp seien „Verdachtspunkte identifiziert“ worden. Tatsächlich wurde eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden und am Nachmittag kontrolliert gesprengt. Die Folge: Mehr als 8.000 Menschen mussten ihre Wohnungen räumen – „schon wieder“, wie es hieß. Die Stadt hat im Umgang mit Blindgängern beinahe schon Routine.

Der „Kampfmittelverdacht“ in der Hauptstadt des Bundeslandes Niedersachsen hatte sich in den vergangenen Tagen erhärtet. Anlass für Sondierungsarbeiten war eine Baustelle. Nach diesen waren dort erst zumindest vier Sprengkörper im Boden vermutet worden, am Wochenende grenzten Entschärfungsdienst und Feuerwehr Hannover die Gefahrenlage dann auf einen „Verdachtspunkt“ ein . Am Sonntag kam dann die Bestätigung: Entdeckt wurde eine 500-Kilo-Fliegerbombe mit Langzeitzünder, die an Ort und Stelle gesprengt werden musste.

Dafür wurden Säcke mit Zehntausenden Litern Wasser um und über die Fundstelle gelegt. Dadurch sollte bei der Sprengung die Druckwelle gelenkt werde. Auch sollte so verhindert werden, dass das sehr trockene Gras in Brand geriet. Auch nach der Sprengung durfte der Sperrbereich am Abend noch nicht betreten werden. Zunächst müsse der Kampfmittelbeseitigungsdienst feststellen, dass keine Gefahr mehr bestehe, teilte die Feuerwehr mit.

Evakuierungsradius von einem Kilometer

Die Evakuierungsmaßnahmen begannen planmäßig Sonntag um 9.00 Uhr. „Guten Morgen, es geht los“, hatte es schon in der Früh von der Feuerwehr Hannover, die zum Einsatz auf Twitter („#hannbombe“) berichtete, geheißen. Und dann: „Es ist 9.00 Uhr. Ab jetzt bitten wir, den Evakuierungsbereich zu verlassen.“

Um „eine weitere Erkundung und eine mögliche Entschärfung von Kampfmitteln durchführen zu können“ und die dort vermuteten Kampfmittel entschärfen zu können, war ein Evakuierungsradius von einem Kilometer festgelegt worden, wie es in einer Mitteilung der Feuerwehr Hannover vom Samstagabend hieß. Dieser bedeutete für rund 8.100 Hannoveraner und Hannoveranerinnen, dass sie ihre Wohnungen vorübergehend räumen mussten.

Weil sich am Nachmittag noch zwei Personen im Evakuierungsradius von 1.000 Metern im Bereich Hannover-Sahlkamp befanden, mussten die Vorbereitungen für die Sprengung zeitweise unterbrochen werden.

Umfangreiche logistische Maßnahmen

Im Vorfeld wurden die Betroffenen von den Behörden ersucht, alle für sie unbedingt notwendigen Dinge, wie Medikamente, Säuglings- oder Spezialnahrung sowie angemessene Kleidung mitzunehmen und auch ihre Nachbarinnen und Nachbarn über die Maßnahmen zu informieren.

In den Sporthallen einer Schule wurde eine Betreuungsstelle eingerichtet, zu der Sonderbusse fahren. Ein Bürgertelefon wurde eingerichtet, gleichfalls Shuttle-Busse und Krankentransporte für Personen mit eingeschränkter Mobilität. Mehrsprachige Informationsblätter wurden verteilt.

Erdreich wird abgetragen und gesiebt

Neben dem „Verdachtspunkt“ Fliegerbombe wurden laut Feuerwehr Hannover „im Rahmen einer laufenden Volumenräumung“ – einer Technik der Kampfmittelbeseitigung, bei der der Boden schichtweise abgetragen und das Material anschließend gesiebt wird – nahe der Stadtgärtnerei außerdem mehrere Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Diese sollten im Zuge der Evakuierungsmaßnahmen an Ort und Stelle durch den Entminungsdienst gesprengt werden. „Eine Gefahr für die Bevölkerung besteht nicht.“

„Schon wieder“: Beinahe schon Routine für Hannover

„Bombenräumung in Hannover – schon wieder“ titelte Sonntagfrüh die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ („HAZ“). Der Umgang mit Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg sei in der Stadt „ja schon fast zur Routine geworden“, schrieb die Zeitung. „In schöner Regelmäßigkeit“ tauchten bei Bauarbeiten oder Sondierungen solche gefährlichen Überbleibsel auf und müssen beseitigt werden. Gefährlich sei die Arbeit für die Kampfmittelexperten, für die Anrainerinnen kaum, dafür aber sicher auf andere Art nervenaufreibend.

Die Tageszeitung erinnerte an den letzten großen ähnlichen Einsatz bei Laatzen nahe Hannover im März, bei dem rund 20.000 Menschen ihre Wohnungen vorübergehend räumen mussten. Dort konnte ein Blindgänger entschärft werden, bei zwei weiteren Bomben war das nicht möglich, sie mussten gesprengt werden. Dabei wurden Gleise und Oberleitungen beschädigt, es gab längere Einschränkungen im öffentlichen Verkehr. Außerdem dauerte der Einsatz („Mammutprojekt“) damals länger als geplant, nachdem laut HAZ vereinzelt Anrainerinnen und Anrainer die Gefahrenzone sehr spät geräumt hatten.