chinesische Container im Hamburger Hafen
IMAGO/Chris Emil Janßen
Wettbewerbsfähigkeit

EU will Abhängigkeit von China mindern

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Dienstag in Brüssel den Beginn einer Strategie für die wirtschaftliche Sicherheit der Europäischen Union vorgestellt. Angesichts geopolitischer Spannungen und Krisen wie der Pandemie drängte sie auf mehr ökonomische Unabhängigkeit der EU. Die Kommission will daher den Handel mit einigen Drittländern einschränken, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Im Fokus steht China.

Von der Leyen machte deutlich, dass militärisch nutzbare „Spitzentechnologien“ aus Europa nicht über China nach Russland gelangen dürften. Dafür bringt Brüssel verschärfte Exportauflagen ins Gespräch. Aber auch europäische Investitionen in der Volksrepublik könnten verstärkt unter die Lupe genommen werden.

Von der Leyen sagte zu China, im Fokus stehe vor allem „eine kleine Gruppe von Spitzentechnologien“ aus Europa. Die EU-Kommission wolle „sicherstellen, dass sie nicht die militärischen Kapazitäten einiger Länder verstärken“. China hat den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht verurteilt. Die EU fürchtet, dass Peking Moskau unterstützen könnte – etwa durch „Dual-Use-Güter“, die sich zivil wie militärisch nutzen lassen.

Präsidentin der europäschen Kommission Ursula von der Leyen
AP/Virginia Mayo
Von der Leyen will wirtschaftliche Sicherheit für die EU schaffen

Zudem müsse sich die EU bei wichtigen Rohstoffen und Halbleitern unabhängiger von China machen, etwa wenn es um die Energieversorgung gehe, bekräftigte von der Leyen. Dazu hat die Kommission bereits konkrete Vorschläge gemacht, solche zu Exportauflagen und Investitionen sollen bis Jahresende folgen. Um etwa dem Abfluss von Wissen über kritische Technologien entgegenzuwirken, schlägt die Kommission vor, dass sie in hinreichend begründeten Fällen bestimmte Einrichtungen aus Drittländern von Forschungs- und Innovationsprojekten ausschließen könnte.

China nicht explizit genannt

„Wirtschaftliche Sicherheit ist für uns zu einer Priorität geworden“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin. Die Strategie werde die Souveränität, die Sicherheit und den Wohlstand Europas in den kommenden Jahren gewährleisten, teilte von der Leyen mit. Doch eine offene Wirtschaft werde auch in Zukunft eine gute Kraft für Unternehmen in Europa sein.

Die „Strategie für wirtschaftliche Sicherheit“ umfasst 17 Seiten, auf denen China nicht explizit genannt wird. Für die EU ist die Volksrepublik mit Importen von zuletzt rund 626 Milliarden Euro aber der größte Handelspartner. Die Exporte der EU nach China umfassten 2022 rund 230 Milliarden Euro. Damit steht die Volksrepublik auf Platz drei. Kommende Woche sollen die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel erstmals über die Strategie beraten.

Expertinnen zu Beziehungen China – Westen

Chinas Diplomatie gilt als kaum experimentierfreudig und nicht spontan. Jetzt aber redet China mit den USA und Deutschland. Dazu im Studio: China-Expertin Cora Jungbluth (Bertelsmann-Stiftung) und USA-Expertin Constanze Stelzenmüller (Brookings Institution Washington).

Bedenken ließen jedoch nicht lange auf sich warten. Volker Treier etwa, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, reagierte: „Die Pläne der EU-Kommission zur Wirtschaftssicherheit in Europa dürfen nicht in Richtung eines staatlich gelenkten Außenhandels ausufern.“ Deutsche Unternehmen sähen vor allem Überlegungen zu staatlichen Prüfungen von Auslandsinvestitionen äußerst kritisch.

EuRH befürchtet Verfehlung der Klimaziele

Nicht zuletzt geht es auch um das Erreichen der Klimaziele. Bei der Produktion von Batterien für Elektroautos etwa hinkt die EU stark hinter China und den USA her. Der Europäische Rechnungshof (EuRH) warnt daher vor einer Verfehlung der Klimaziele, wie das Ö1-Morgenjournal am Dienstag berichtete.

Die EU-Kommission forderte die Staaten bereits auf, Rohstoffe wie Lithium, Mangan, Kobalt und Grafit in ihren eigenen Böden und Bergen zu suchen. Doch Annemie Turtelboom, Mitglied des EuRH, rechnete vor, dass das Freilegen dieser Rohstoffe lange dauere – rund zehn Jahre –, und diese Zeit habe man nicht, um die Klimaziele zu erreichen. Energiekosten und Förderungen seien in den USA für Batteriehersteller oft attraktiver, warnte die EuRH-Prüferin.

Die Nachfrage nach Batterien steigt stark. Jeder fünfte neu zugelassene Wagen in der EU fährt bereits mit Batterieantrieb, und ab 2035 sollen in der EU ausschließlich E-Autos zugelassen werden. Laut EuRH sei eine Verschiebung des Aus für Verbrenner in der EU nicht ausgeschlossen, sollte die Union mit der Batterieproduktion weiter hinterherhinken.

Cosco-Deal im Hamburger Hafen

Turtelboom schlägt daher vor, Förderungen für Batteriehersteller klarer aufzulisten und diese besser zu bündeln. Doch auch der Zugang zu Rohstoffen und Fachkräften müsse verbessert werden. Auch an Recycling und Wiederverwertung von Batterien müsse die EU denken, so Turtelboom gegenüber dem ORF in Brüssel – und auf China dürfe man sich nicht verlassen.

Vor allem in Berlin werden die Brüsseler Pläne mit großer Aufmerksamkeit beobachtet, denn die Präsentation fällt mit den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zusammen. In der Bundeshauptstadt ist derzeit der chinesische Ministerpräsident Li Qiang zu Gast. Am Montag wurde der umstrittene Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei dem Hamburger Containerterminal Tollerort fixiert. Deutschland plant übrigens schon länger eine eigene „China-Strategie“. Details dieser Strategie sind noch nicht bekannt.