Wohnanlage in Parikia , Griechenland
IMAGO/K. Steinkamp
Ruf nach Beschränkungen

Kykladen erleben beispiellosen Bauboom

Schon im Frühjahr hat die Buchungslage gezeigt: Griechenland steht vor einer Rekordtourismussaison. Doch nicht nur bei klassisch Urlaubenden steht das Land hoch im Kurs, auch das Interesse ausländischer Immobilieninvestorinnen und -investoren nimmt beispiellose Dimensionen an. Gebaut wird dementsprechend wie wild, vor allem auf den Kykladen wird der Ruf nach Beschränkungen laut.

Erst Mykonos, dann Santorin und mittlerweile Paros – der Run auf die Inseln ist nicht neu, breitet sich aber von Jahr zu Jahr weiter aus. Erst kamen die Hippies, später die Promis – und im Windschatten des Jetset folgte der Massentourismus. Die Nachfrage scheint im zweiten Sommer nach der Pandemie grenzenlos und befeuert die Goldgräberstimmung der Tourismusbranche. Hotels, Ferienwohnungen und -häuser schießen geradezu aus dem Boden.

Wie die griechische Zeitung „Kathimerini“ berichtete, stieg die Zahl der Baugenehmigungen auf der Inselgruppe im Ägäischen Meer in den vergangenen Jahren von 916 (2018) auf 1.280 (2022). Spitzenreiter ist die kleine Insel Paros, auf der alleine in diesen vier Jahren 1.101 Genehmigungen vergeben wurden, auf Santorin waren es 1.001. Dazu kommen illegale Bauten, die – in Griechenland generell nicht unüblich – wenn überhaupt erst im Nachhinein legalisiert werden und dementsprechend nicht in den Zahlen der griechischen Statistikbehörde erfasst sind.

Luftbild der Inseln Antiparos und Parosin Griechenland
picturedesk.com/Louisa Gouliamaki
Stars wie Johnny Depp, Katy Perry und Brad Pitt haben auf Paros geurlaubt – eine bessere Tourismuswerbung gibt es nicht

„Fast anarchische Situation“

Thanos Pagonis, Stadtplanungsexperte am Institut für Architektur an der Technischen Universität Athen, bezeichnete die Situation auf Santorin, Mykonos und Paros gegenüber „Kathimerini“ als „alarmierend“, auf den kleineren Inseln Andros, Tinos und Sifnos ebenfalls als „auffällig“ – dort scheine es aber „innere Widerstände“ zu geben, die das Baugeschehen zumindest bremsen würden. Insgesamt sei es aber eine „fast anarchische Situation“, die zu einer unverhältnismäßigen Belastung der gemeinsamen Infrastruktur der Inseln führe.

Masterplan gefordert

Eleni Maistrou, die Präsidentin des Ausschusses für Architekturerbe der Griechischen Gesellschaft für Umwelt und Kultur (ELLET), warnt davor, dass die ständige Zunahme ungeplanter Bauvorhaben noch ungeahnte Dimensionen haben könnte, was die finanzielle, ökologische und energetische Belastung für die Kommunen und den Staat angehe. Überlastete Straßen und Fährverbindungen, Unterbrechungen in der Wasser- und Stromversorgung und eine Zunahme des Mülls sind Themen, die angesichts der rasanten Entwicklung aktuell und ohne einen Masterplan kaum Schritt halten könnten.

Pagonis schlägt in dieselbe Kerbe. Insbesondere auf Santorin, Mykonos und Paros müsse die großzügige Vergabe von Baugenehmigungen vollständig gestoppt werden, „da alle Grenzen überschritten wurden“. Die italienische Insel Capri habe es durch starke staatliche Kontrolle geschafft, ihren guten Ruf und ihr hohes touristisches Niveau zu bewahren, da die Bautätigkeit stark vom Staat kontrolliert wird. „Wir müssen daher Maßnahmen ergreifen, um den Bau zu begrenzen, bis die Raumplanung der Inseln abgeschlossen ist.“

Villa mit Swimming-Pool auf den Kykladen
IMAGO/Sophie Gallier
Der typische Kykladen-Stil: Weiße, niedrige Häuser mit blauen Fenstern und Türen. Auch die Zahl der Pools auf den Inseln nimmt ständig zu.

Großes Hotelprojekt gestoppt

Ähnlich sieht das offenkundig auch das Oberste Verwaltungs- sowie Verfassungsgericht Griechenlands. Es hat laut griechischen Medien Mitte Juni einen Plan für die Errichtung einer großen Hotelanlage mit Hotel und Villen auf Paros blockiert und dabei implizit, aber eindeutig den Zentralen Stadtplanungsrat der Regierung, der das vorgeschlagene Projekt ohne ausreichende Begründung genehmigt hatte, gerügt.

Laut Planungen hätte im Norden der Insel nahe Naoussa auf 32,7 Hektar unter anderem ein Fünfsternhotel und eine riesige Sport- und Freizeitanlage entstehen sollen. Auf dem entsprechenden Gebiet befinden sich unter anderem eine archäologische Zone und ein Naturschutzgebiet. Das Gericht wies darauf hin, dass die Infrastrukturkapazität der Insel nicht berücksichtigt worden sei. Darüber hinaus bekräftigte das Gericht die Notwendigkeit, bei Genehmigungen die Gesamtkapazität jeder Insel statt Einzelprojekte zu berücksichtigen.

Der mühselige Weg zum Grundbuch

Erschwerend für alles, was in Griechenland mit Immobilienkauf, -besitz und -bau zu tun hat, kommt, dass das Land als einziges in der EU nach wie vor über kein vollständiges Grundbuch verfügt. Immerhin nähert man sich, nach jahrelangem Druck aus Brüssel, mit einer Mischung aus finanziellen Anreizen und Drohungen sowie einem Umweg über den Versuch eines Excel-Katasters einem solchen an. Bis heute sind aber viele Besitzverhältnisse genauso unklar wie jene der Widmungen in landwirtschaftliche Nutzflächen, Bauland, Naturschutz- und Waldgebiete.

Baustelle auf Paros, Griechenland
picturedesk.com/Louisa Gouliamaki

Preisrallye als Problem für griechische Bevölkerung

Das Interesse an Immobilien in Griechenland – sowohl auf dem Festland als auch auf den zahlreichen Inseln – kommt jedenfalls geballt aus unterschiedlichen Richtungen. Die dadurch ausgelöste Immobilienpreisrallye – auf den Kykladen etwa stiegen die Preise im Vorjahr um 21 Prozent – stellt Griechinnen und Griechen vor große Probleme. Kaufpreise, aber auch Mieten sind für viele in Zeiten hoher Inflation und hoher Kreditzinsen im Vergleich zum Lohnniveau unverhältnismäßig gestiegen und schwer bis nicht mehr leistbar.

Wie die griechische Nationalbank berichtete, beliefen sich die ausländischen Immobilieninvestments 2022 auf 1,97 Mrd. Euro im Jahr 2022 (ein Anstieg um 68 Prozent gegenüber 2021). 64 Prozent davon kamen aus dem EU-Ausland. Einen großen Teil machen ausländische Großinvestoren aus, die ihr Geld in Hotelprojekten gut angelegt sehen und mit hohen Renditen rechnen.

Siedlung auf der Insel Tinos, Griechenland
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Auch auf den kleineren Inseln – etwa Tinos – wird viel gebaut

Hohe Nachfrage nach „goldenen Visa“

Stark im Zunehmen ist aber auch die Zahl jener Menschen aus dem EU-Ausland, die sich beim Erwerb einer griechischen Immobilie das „goldene Visum“ gleich mitkaufen. In diese Gruppe fallen vor allem Investorinnen und Investoren aus China und Indien, aber auch Menschen aus Großbritannien und den USA. Voraussetzung dafür ist, dass man mindestens 250.000 Euro in Immobilien investiert, in stark nachgefragten Gebieten – etwa Athen und Santorin – demnächst sogar 500.000. Angesichts der Tatsache, dass Portugal ein ähnliches Programm auslaufen lassen möchte, steigt das Interesse an der griechischen Variante.

Die Investitionen aus den Ländern der Eurozone stiegen ebenfalls an, wenn auch nicht so schnell. Im vergangenen Jahr flossen insgesamt 590 Millionen Euro aus der Eurozone, das sind 25 Prozent mehr als 2021. Ein Anstieg um 49 Prozent auf 106 Mio. Euro war auch bei den Investitionen aus anderen EU-Ländern – angeführt von Bulgarien – zu verzeichnen.