Menschen in der Salzburger Innenstadt
ORF/Georg Hummer
Gleichstellungsindex

Europa führend, Österreich stürzt ab

Österreich ist in der vom Weltwirtschaftsforum (WEF) am Mittwoch herausgegebenen globalen Rangliste der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen auf Rang 47 unter 146 Ländern abgestürzt. Das bedeutet gegenüber 2022 eine Verschlechterung um 26 Plätze. Europa schneidet im Vergleich der Kontinente am besten ab.

Auf dem ersten Platz des Geschlechtergleichstellungsindex landete erneut Island. Auf den Spitzenplätzen im internationalen Vergleich, den das WEF seit 2006 erarbeitet, folgen Norwegen, Finnland, Neuseeland und Schweden. Die Plätze sechs bis zehn belegen Deutschland, Nicaragua, Namibia, Litauen und Belgien. Insgesamt weist Europa mit 76,3 Prozent die höchste Geschlechterparität weltweit auf.

Ein Drittel der europäischen Länder ist unter den 20 bestgereihten. Schlusslichter in Europa sind Ungarn, Tschechien und Zypern. Österreich liegt in Europa nur im hinteren Mittelfeld – auf Platz 22 der 36 untersuchten europäischen Länder nach Serbien, Frankreich und Luxemburg.

Grafik zum Gleichstellungsindex
Grafik: APA/ORF; Quelle: WEF

Wenige Ministerinnen in Österreich

Hauptgrund für die Verschlechterung Österreichs ist laut dem WEF-Bericht der Bereich Politik, wo sich Österreich wegen der geringeren Zahl von Ministerinnen in der Regierung deutlich verschlechterte. Einberechnet werden zudem Frauen als Staatsoberhäupter sowie ihr Anteil im Parlament. Leichte Verbesserungen wurden in Österreich dagegen bei der Gleichstellung im Bereich Wirtschaft festgestellt. Am größten wird die Gleichheit bei Gesundheit und Bildung eingeschätzt.

Anders Deutschland, das mit einer fast ausgewogenen Geschlechterverteilung in der Bundesregierung auf Platz sechs vorgerückt ist. Außerdem trug der leicht gestiegene Frauenanteil unter parlamentarischen Abgeordneten zu dem bisher besten Ergebnis für Deutschland in dem diesjährigen Index bei. Deutschland verbesserte sich um vier Plätze, obwohl die wirtschaftliche Schere zwischen den Geschlechtern im vergangenen Jahr weiter aufging, wie es am Mittwoch in dem WEF-Bericht hieß.

Bei gleichem Tempo 131 Jahre bis zur Gleichstellung

Global gesehen verringerte sich der Abstand zwischen den Geschlechtern im vergangenen Jahr nur minimal. Sollte sich die Welt weiterhin so langsam in Richtung Gleichstellung bewegen, werde sich die Lücke zwischen Frauen und Männern erst in 131 Jahren schließen, berechnete das WEF. In Europa würde es bei diesem Tempo immerhin 67 Jahre dauern.

Das österreichische Frauenministerium äußerte Unverständnis über das Ergebnis und hinterfragte gleichzeitig die Aussagekraft des Rankings: „Insgesamt muss man die Gewichtung dieses Indikators für das Ranking schon hinterfragen, wenn das nun dazu führt, dass Österreich in Bezug auf Gleichstellung deshalb hinter Länder wie Ruanda und Zimbabwe gereiht wird. Das ist nicht nachvollziehbar“, hieß es in einer Mitteilung.

Raab: „Bedauerlich“

Gleichzeitig betonte das Ressort von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP): „Die veröffentlichten Ergebnisse des ‚Global Gender Gap Report 2023‘ werden derzeit im Detail geprüft, aber klar ist schon jetzt: Österreich hat sich in drei von vier Bereichen verbessert und einzig im Bereich politische Partizipation verschlechtert, da durch Regierungsumbildungen weniger Frauen als im letzten Jahr in politischen Ämtern sind. Das ist bedauerlich, alle politischen Parteien sind hier gefordert, Mädchen und Frauen politische Teilhabe in ihren Strukturen zu ermöglichen und sie zu fördern.“

Von den Grünen hieß es in einer Reaktion via Aussendung: „Frauen müssen verstärkt in politische Ämter und Entscheidungspositionen. Denn nur dort, wo Frauen in führenden Funktionen sind, werden ihre Anliegen auch gesehen und vertreten“, so Meri Disoski, stellvertretende Klubobfrau und Frauensprecherin der Partei.

Der Frauenanteil in mehreren Landesregierungen, insbesondere in ÖVP-FPÖ-geführten Bundesländern wie Oberösterreich und Niederösterreich, sei „erschreckend niedrig“, sagte Disoski. Dass in der ersten Führungsriege der SPÖ nur Männer stehen und die Partei ihre vielgeforderte Frauenquote geopfert habe, sei „entlarvend“.

SPÖ spricht von „Armutszeugnis“, NEOS von „Totalabsturz“

Die SPÖ reagierte auf den Bericht am Mittwoch mit Kritik an der Regierung. Die Verschlechterung um 26 Plätze sei „ein Armutszeugnis für diese Bundesregierung“, kritisierte SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner und warf Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) fehlende wirksame Initiativen in Sachen Gleichstellungspolitik vor. Wichtige Schrauben, um in Sachen Gleichstellungspolitik voranzukommen, seien Lohntransparenz, verpflichtende Karenz für beide Elternteile und ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.

NEOS sprach von einem „Totalabsturz für Österreich“ und einem herben Rückschlag für die Gleichstellung von Frauen in Österreich. Die Frauensprecherin der Partei, Henrike Brandstötter, forderte von der Bundesregierung eine umgehende Kurskorrektur und konkrete Maßnahmen wie das Angebot einer flächendeckenden und kostenlosen Ganztagskinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag, „anstatt Frauen mit einer Herdprämie in mittelalterliche Rollenbilder zu zwingen, wie die ÖVP das tut“.

FPÖ will nur von „biologischem Geschlecht“ sprechen

Nach Ansicht der FPÖ würden in der österreichischen Politik Frauenthemen vermehrt durch LGBTQ-Themen verdrängt, „während die frauenpolitischen Baustellen immer größer werden“, so Frauensprecherin Rosa Ecker in einer Aussendung. „Wenn die schwarz-grün-rot-pinke Einheitspartei mehr Gleichstellung möchte, müssen sie auch endlich anfangen, Politik für Frauen zu machen. Und ich spreche hier klar vom biologischen Geschlecht. Denn was sich mit großer Sorge in unserem Land beobachten lässt, ist die zunehmende Verdrängung von frauenpolitischen Themen“, betonte Ecker und befürchtet eine „Abschaffung der biologischen Geschlechter“.

Der „Global Gender Gap Index“ misst jährlich den aktuellen Stand und die Entwicklung der Geschlechterparität in vier Schlüsselbereichen (wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit, Bildungsniveau, Gesundheit und Überleben sowie politische Teilhabe). Es ist der am längsten bestehende Index seiner Art, der seit seiner Einführung im Jahr 2006 die Fortschritte zahlreicher Länder bei der Schließung von Gleichstellungslücken zwischen den Geschlechtern über die Jahre verfolgt. Partnerinstitut in Österreich ist das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO).