Silhouette einer Statue von Walt Disney und Mickey Mouse
Reuters/Gonzalo Fuentes
Kinoflops

Disney in der kreativen Krise

Jahrzehntelang hat Disney es geschafft, nicht nur Kinderaugen zum Leuchten zu bringen. Die Übernahme von Pixar, Marvel und Lucasfilm verdeutlichte den Erfolg des Medienunternehmens zusätzlich. In letzter Zeit aber schlug sich das nicht mehr an den Kinokassen nieder. Zuletzt blieb der Pixar-Streifen „Elemental“ klar hinter den Erwartungen der Produzenten.

Noch im Jahr 2019 brachte Walt Disney sieben Filme heraus, die jeweils mehr als eine Milliarde US-Dollar (rund 909 Mio. Euro) an den Kinokassen weltweit einspielten – eine viel beachtete Leistung, die auf eine Reihe von Studioübernahmen der letzten 15 Jahre aufbaut. Sie fielen in die Amtszeit von Bob Iger, Geschäftsführer der Walt Disney Company.

Disneys Filmstudios seien damals „Feuer und Flamme“ für Iger und seine Übernahmen gewesen, so Jessica Reif Ehrlich, Analystin bei der Bank of America, zur aktuellen Krise von Disney gegenüber der „Financial Times“ („FT“) am Donnerstag. Erfolg folgte auf Erfolg. „Zehn Jahre lang oder noch länger konnte kein anderes Studio mit Disney konkurrieren“, so Ehrlich.

Schlechter Start für „Elemental“

Jetzt muss sich Iger jedoch mit der Frage auseinandersetzen, ob das kreative Feuer der Disney-Studios zu erlöschen droht. „Die kreativen Motoren funktionieren einfach nicht mehr“, sagte Rich Greenfield von LightShed Partners, einer Investment-Research-Gruppe, zur „FT“. „Und die Herausforderung im Filmgeschäft ist, dass es keine schnelle Lösung gibt.“

Szene aus dem Disney-Animationsfilm „Elemental“
IMAGO/Everett Collection
Die Liebe zwischen Feuer und Wasser in „Elemental“ spielte zu wenig Geld ein

Das enttäuschende Einspielergebnis in den USA letztes Wochenende von Pixars „Elemental“, einer Geschichte über die verbotene Liebe zwischen Figuren aus Wasser und Feuer, verstärkte die Vermutung zusätzlich, dass Disney einem gewissen Trott verfallen sein könnte. „Elemental“ wurde zwar von Kritikerinnen und Kritikern sowie vom Publikum durchwegs positiv aufgenommen, aber der Streifen spielte trotzdem an seinem Eröffnungswochenende weniger als 30 Mio. US-Dollar (27 Mio. Euro) ein – ein erheblicher Flop für einen Film mit einem geschätzten Budget von 200 Mio. US-Dollar (rund 182 Mio. Euro).

Es bleibt abzuwarten, was die folgenden Wochen bringen und wie der Film außerhalb der USA performen wird. Auch „Lightyear“, ein Prequel des ewigen Kinderlieblings „Toy Story“, aus dem letzten Jahr brachte nur ein Viertel des Einspielergebnisses des Originalklassikers ein. „Es ist schon eine Weile her, dass es so etwas wie ‚Toy Story‘ gegeben hat, etwas Außergewöhnliches, das originell ist und wirklich jeden bewegt“, so Analystin Ehrlich.

Iger soll Konzern retten

Iger wurde im November sogar aus der Pension geholt, um den Kurs des Unternehmens neu zu setzen, nachdem sein Nachfolger Bob Chapek nach einem Streit mit dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, und hohen Verlusten im Streaminggeschäft entlassen worden war. Iger restrukturierte das Unternehmen so, dass die Macht nun wieder bei den kreativen Führungskräften liegt. Doch letzte Woche hat Disney die Veröffentlichungstermine einer Reihe von Filmen verschoben – darunter die der „Avatar“- und „Star Wars“-Franchises.

Disney-CEO Bob Iger spricht neben einer Person in Minnie-Mouse-Kostüm
Reuters/Mario Anzuoni
Bob Iger war schon in Pension, er wurde aber aus der Not heraus zurückgeholt

Doch da Igers Zweijahresvertrag nur noch 18 Monate läuft, drängt die Zeit. „Alles bei Disney beruht auf kreativer Exzellenz, seien es die Themenparks, die Produkte oder Disney+ (Disneys Streamingdienst, Anm.)“, sagte Investmentexperte Greenfield zur „FT“. „Disney ist mehr als jedes andere Unternehmen an seinen kreativen Output gebunden, und dieser Output ist derzeit einfach nicht leistungsfähig – und es ist nicht klar, woran das liegt.“

Hoffnung liegt bei Marvel und Pixar

Die Führungskräfte des Unternehmens räumten ein, dass die Leistung von „Elemental“ enttäuschend war, wiesen aber die Behauptung zurück, dass Disney einen kreativen Einbruch erlitten habe. Sie verwiesen auf das gute Abschneiden der neuen Version von „Arielle, die Meerjungfrau“ in den USA in diesem Frühjahr und erklärten, dass sie große Hoffnungen in kommende Filme wie „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, „The Marvels“ und „Wish“ setzen. Die Marvel-Filme zögen weiterhin ein großes Publikum an, fügten sie hinzu.

Aber das Einspielergebnis von „Elemental“ zeigte unbequeme Vergleiche mit den jüngsten Animationsfilmen der Illumination-Studios, die sich im Besitz von Disneys Konkurrenten Universal befinden. „Der Super Mario Bros. Film“ spielte heuer weltweit bereits rund 1,3 Milliarden Dollar (1,2 Mrd. Euro) ein, und „Minions – Auf der Suche nach dem Miniboss“ hat seit seinem Erscheinen im letzten Jahr 940 Millionen Dollar (854 Mio. Euro) eingespielt.

Auch die Disney-Tochter Pixar, die unter der Leitung des Oscar-prämierten Animationszeichners Pete Docter steht, gab bekannt, das Subunternehmen arbeite an einer Reihe von Fortsetzungen, darunter „Toy Story 5“ und einer Fortsetzung von „Alles steht Kopf“.

Druck durch Disney+?

Laut der „FT“ herrscht bei Disney das Gefühl, dass die wichtigsten Marken – insbesondere Marvel, aber auch „Star Wars“ und Pixar – bisher zu sehr unter Druck gesetzt wurden, um den Streamingdienst Disney+ zu finanzieren. Während der Pandemie wurden drei Pixar-Filme direkt auf Disney+ veröffentlicht – und nicht im Kino – was der Zeitung zufolge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verärgerte. Diese meinten, die Strategie habe das Publikum darauf konditioniert, Filme nicht mehr im Kino sehen zu müssen.

Nach der Übernahme von Marvel durch Disney im Jahr 2009 entstanden Franchises, die Dutzende von Filmen hervorbrachten und Dutzende von Milliarden Dollar einspielten, was Disney zur erfolgreichsten Hitmaschine Hollywoods gemacht hatte. Marvel’s „Avengers: Endgame“, der 2019 in die Kinos kam, spielte erstaunliche 2,8 Milliarden Dollar (2,5 Mrd. Euro) ein und ist der Film mit dem zweitgrößten Umsatz der Geschichte.

„Braucht man einen dritten oder vierten Film?“

Doch Marvels Bilanz war in letzter Zeit eher durchwachsen. Es gab zwei Hits – „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ und „Black Panther: Wakanda Forever“ sowie einen Fehlschlag, „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“. Anfang dieses Jahres sagte Iger, dass Disney bei Marvel-Fortsetzungen mit mehr Bedacht vorgehen müsse. „Was wir uns bei Marvel ansehen müssen, ist nicht unbedingt das Volumen der Marvel-Geschichten, sondern wie oft wir bei bestimmten Figuren zur Quelle zurückkehren“, sagte er auf einer Medienkonferenz im März. „Sequels funktionieren normalerweise gut für uns, aber braucht man einen dritten oder vierten Film?“

Das Gleiche gelte für die „Star Wars“-Filme, die unter der Aufsicht von Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy stehen. Iger sagte: „Wir entwickeln immer noch ‚Star Wars‘-Filme. Wir werden dafür sorgen, dass es der richtige ist, wenn wir einen machen, also sind wir da sehr vorsichtig.“ Spannend dürfte also werden, ob sich Disney mit seinen Tochterfirmen künftig auf „alte Hadern“ verlässt oder neue Wege beschreitet – fernab von „Elemental“.