OceanGate-Kapsel
AP/OceanGate Expeditions
Bericht

„Titan“-Implosion am Sonntag erfasst

Das Unglück des Tauchboots „Titan“ auf dem Weg zu der in 3.800 Meter Tiefe liegenden „Titanic“ soll sich bereits am Sonntag ereignet haben. Alle fünf Menschen an Bord kamen dabei ums Leben. Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ („WSJ“) erfasste die US-Marine die Implosion schon am Sonntag mit Geräten zur Überwachung von Unterwassergeräuschen.

Kurz nachdem der Kontakt zur „Titan“ abgebrochen sei, sei die Implosion aufgenommen worden. Das „WSJ“ berief sich auf einen Vertreter der Marine, der anonym bleiben wollte. Die Aufzeichnung erfolgte laut der Zeitung durch ein geheimes akustisches Überwachungssystem, mit dem U-Boote aufgespürt werden sollen.

Die US-Marine habe eine Analyse akustischer Daten vorgenommen „und eine Unregelmäßigkeit festgestellt, die zu einer Implosion oder Explosion in der Zone passen könnte, in der sich das Mini-U-Boot ‚Titan‘ befand, als die Kommunikation abbrach“, so der Navy-Vertreter im „WSJ“. Wann und warum genau die „Titan“ implodierte, ist nach Angaben der US-Küstenwache noch unklar.

Suchaktion der US-Küstenwache
IMAGO/ZUMA Wire/Petty Officer 1st Class Amber/Us Coast Guard
Die Suche nach der „Titan“ fand auch per Flugzeug statt

„Unglaublich unversöhnliche Umgebung“

An Bord des Mini-U-Boots befanden sich der Chef von OceanGate Expeditions, Stockton Rush, der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der britisch-pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman sowie der französische „Titanic“-Experte Paul-Henri Nargeolet.

Die „Titan“ war am Sonntag zu einer touristischen Tauchfahrt zum Wrack der 1912 gesunkenen „Titanic“ aufgebrochen. Nach eindreiviertel Stunden brach der Kontakt zum Begleitschiff ab. Auf die Frage, ob die Leichen der Besatzung gefunden werden könnten, gab es vonseiten der US-Küstenwache am Donnerstag noch keine Antwort. Es handle sich in der Gegend des „Titanic“-Wracks um eine „unglaublich unversöhnliche Umgebung“, teilte die Küstenwache mit.

Expertin: Bruchteil einer Millisekunde

Die Betreiberfirma OceanGate erklärte, ihre Herzen seien „mit diesen fünf Seelen und jedem Mitglied ihrer Familien in dieser tragischen Zeit“. „Diese Männer waren wahre Entdecker, die einen besonderen Abenteuergeist teilten und eine tiefe Leidenschaft für die Erkundung und den Schutz der Ozeane“, hieß es in einer Mitteilung.

"Titanic“-Tauchboot durch Implosion zerstört

Das seit Tagen verschollene private Tauchboot „Titan“ ist durch eine „katastrophale Implosion“ zerstört worden. Das erklärte die US-Küstenwache am Donnerstag nach dem Fund von Trümmerteilen nahe dem Wrack der „Titanic“. Demnach kamen alle fünf Menschen an Bord der „Titan“ ums Leben.

Die Insassen des Tauchboots bekamen einer Expertin zufolge von der Implosion ihres Gefährts nichts mehr mit. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe extrem groß gewesen – die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte CNN am Freitag Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin.

„Kleinster Defekt“ kann Katastrophe auslösen

Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe ein solches Ereignis auslösen.

Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. „Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab“, so Marty. Die Insassen der „Titan“ seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden, sagte Marty. „Letztlich ist das mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos.“

Leiter der Meereseinsätze nach Kritik entlassen

Die „Titan“ wurde konstruiert, um dem extremen Wasserdruck in der Tiefsee standzuhalten, und war bereits vor dem Unglück zum Wrack der „Titanic“ getaucht. Es gab aber schon vor Jahren Sicherheitsbedenken.

Der ehemalige Leiter der OceanGate-Meereseinsätze, David Lochridge, hatte schon 2018 Bedenken zur Sicherheit des Tauchbootes geäußert – und wurde daraufhin entlassen. In einer Klage gegen das Unternehmen sprach er von Bedenken wegen des „experimentellen und ungeprüften Designs“ der „Titan“.

Familien in „tiefer Trauer“

Die Familien der Insassen meldeten sich in Pakistan und Großbritannien zu Wort. „Mit tiefer Trauer geben wir den Tod von Shahzada und Suleman Dawood bekannt“, so die pakistanische Dawood-Stiftung am Freitag. „Wir sprechen den Familien der anderen Passagiere des ‚Titan‘-Tauchboots unser tief empfundenes Beileid aus“, heißt es in der Erklärung von Shahzadas Eltern Hussain und Kulsum Dawood.

„Wir sind allen an den Rettungsaktionen Beteiligten sehr dankbar“, schrieben die Dawoods in der Erklärung der Familienstiftung. „Ihr unermüdlicher Einsatz war für uns in dieser Zeit eine Quelle der Kraft.“ Shahzada Dawood stammte aus Pakistan, lebte aber mit seiner Frau Christine, dem Sohn Suleman und der Tochter Alina in Großbritannien.

In ihrer Heimat ist die Familie sehr prominent: Shahzadas Vater Hussain Dawood ist einer der reichsten Männer Pakistans und Chef des Mischkonzerns Engro, der unter anderem Düngemittel und Chemikalien herstellt und auch in den Energiesektor investiert.

Harding „leidenschaftlicher Entdecker“

Hardings Familie und seine Firma Action Aviation erklärten, sie fühlten sich in ihrer Trauer mit den anderen Familien verbunden, „die ebenfalls ihre Angehörigen in dem ‚Titan‘-Tauchboot verloren haben“. Der 58-jährige Harding sei ein „leidenschaftlicher Entdecker“ gewesen, „der sein Leben für seine Familie, seine Firma und das nächste Abenteuer gelebt hat“.

Der zweifache Vater verdiente sein Geld mit dem Verkauf von Privatjets und schaffte es mit drei Einträgen ins Guinness-„Buch der Rekorde“. Im Juli 2019 gehörte er zu einem Team, das die schnellste Erdumrundung mit einem Flugzeug über beide Pole in 46 Stunden, 40 Minuten und 22 Sekunden schaffte. Im März 2021 tauchte er zusammen mit einem Forscher in die Tiefen des Marianengrabens, des tiefsten bisher bekannten Teils des Pazifiks. Diese Mission war die längste und weiteste in einer solchen Tiefe. Vergangenes Jahr flog er als Tourist in den Weltraum.

Nargeolet, der auch „Monsieur Titanic“ genannt wurde, galt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. „Sein zweites Zuhause war das Meer, er fühlte sich dort so wohl“, sagte sein Stiefsohn John Paschall dem Sender CBS News. „Ich glaube, es bedeutet sehr viel, dass er seine letzten Momente in der Nähe eines Ortes verbracht hat, der ihm so viel bedeutet hat.“

„Titanic“-Regisseur bereut Schweigen

James Cameron, „Titanic“-Regisseur und Miteigentümer des Tauchbootherstellers Triton Submarines, sagte, er bereue, wegen seiner Bedenken bezüglich OceanGate nicht Alarm geschlagen zu haben. Er habe die Konstruktion des Rumpfes des Mini-U-Boots seit Langem für riskant gehalten.

Ein Rumpf für ein Tiefseetauchboot aus Kohlefaser- und Titanverbundwerkstoffen sei „eine furchtbare Idee“. Cameron: „Ich wünschte, ich hätte mich zu Wort gemeldet, aber ich nahm an, dass jemand schlauer war als ich, denn ich habe nie mit dieser Technologie experimentiert.“ Viele Menschen in der Tiefsee-Expeditionsszene seien „sehr besorgt über dieses U-Boot“ gewesen, sagte Cameron weiter.

Einer der Mitgründer von OceanGate wies die Kritik Camerons zurück. Bei der Gründung von OceanGate sei die Sicherheit an erster Stelle gestanden, sagte Guillermo Söhnlein am Freitag im britischen Sender Times Radio. Er hatte bis 2013 bei OceanGate gearbeitet. „Er legte großen Wert auf Sicherheit“, sagte Söhnlein über Rush. „Er ging zudem äußerst gewissenhaft mit Risiken um und war sich der Gefahren in der Tiefsee sehr bewusst“, sagte Söhnlein.