Kyriakos Mitsotakis in einem Wahllokal
Reuters/Louiza Vradi
Griechenland-Wahl

Mitsotakis sichert sich absolute Mehrheit

Die Rechnung des bisherigen griechischen Premiers Kyriakos Mitsotakis ist aufgegangen. Die von ihm angeführte konservative Nea Dimokratia (ND) bleibt nach Auszählung fast aller Stimmen mit 40,6 Prozent weiter klare Nummer eins im griechischen Parlament. Aufgrund des neuen Bonussystems sicherte sich Mitsotakis am Sonntag die für die angestrebte Alleinregierung notwendige Mehrheit. Nach der am Montag erfolgten Angelobung ist Mitsotakis für weitere vier Jahre im Amt.

Die größte Oppositionspartei, die linke SYRIZA unter Parteichef Alexis Tsipras, kam laut den vom Innenministerium veröffentlichten Ergebnissen auf 17,8 Prozent. Mitsotakis’ ND lag bereits bei der vorausgegangenen Wahl Ende Mai klar voran – was damals noch fehlte, war die für eine Alleinregierung notwendige Mehrheit. Seitdem regiert in Griechenland eine Übergangsregierung.

Weil die stärkste Partei bei dieser Wahl laut Wahlgesetz mindestens 20 Mandate zusätzlich im 300-köpfigen Parlament erhält, können die Konservativen mit einer Mehrheit von rund 158 Mandaten die künftige Regierung bilden.

Kyriakos Mitsotakis
Reuters/Louiza Vradi
Mitsotakis sicherte sich die Mehrheit für eine Alleinregierung

Varoufakis-Partei scheitert an Dreiprozenthürde

Ins Parlament kommen neben ND und SYRIZA auch die sozialdemokratische PASOK mit 11,9 Prozent, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) mit 7,7 Prozent und die ultrarechte Partei Spartiates mit 4,6 Prozent. Auch die rechtspopulistische Partei Elliniki Lisi mit 4,5 Prozent schafft es ins Parlament. Zudem wird voraussichtlich die ultraorthodoxe Partei Niki mit 3,7 Prozent in der Volksvertretung vertreten sein. Den Einzug ins Parlament schaffte auch die linksradikale Kleinpartei Plefsi Eleftherias mit 3,2 Prozent.

Eine Grafik zeigt das vorläufige Ergebnis der griechischen Parlamentswahl
Grafik: APA/ORF; Quelle: Griechisches Innenministerium

Am Einzug scheiterte die Partei Mera25 des früheren linken Finanzministers Giannis Varoufakis mit 2,3 Prozent.

„Heute feiern wir“

„Heute feiern wir, aber morgen werden wir die Ärmel hochkrempeln“, versprach Mitsotakis am Abend in Athen vor Parteianhängern. Bereits am Montag stand für Mitsotakis die Angelobung für seine zweite Amtszeit auf dem Programm. Der 55-Jährige legte seinen Amtseid im Präsidentenpalast in Athen vor hochrangigen Vertretern der griechisch-orthodoxen Kirche ab.

Seine Nea Dimokratia sei mit diesem Wahlergebnis die stärkste Volkspartei Europas, sagte Mitsotakis am Vortag vor seinen Anhängern. „Es ist ein großes Mandat, um das, was nötig ist, umzusetzen“. Seine größten Anliegen seien nun mehr Wachstum, was zu höheren Löhnen führen werde. Zudem werde er, wie im Wahlkampf angekündigt, das marode Gesundheitssystem umkrempeln. Und er werde weiter daran arbeiten, den Staat zu modernisieren und zu digitalisieren.

Die Neuwahl war notwendig geworden, weil sich die Parteien nach dem Wahlgang vor fünf Wochen nicht auf eine Koalition einigten. Mit Blick auf das nun zum Einsatz kommende Bonussystem zeigte sich Mitsotakis Sonntagfrüh bei der Stimmabgabe in Athen optimistisch, künftig mit absoluter Mehrheit eine „stabile und effektive Regierung“ anführen zu können.

Konservative siegen in Griechenland

Fünf Wochen nach der letzten Parlamentswahl fand in Griechenland am Sonntag wieder eine Wahl statt. Die Konservativen holten die absolute Mehrheit.

Die ND war am 21. Mai bereits mit 40,8 Prozent der Stimmen als klare Siegerin hervorgegangen, hatte aber die absolute Mehrheit verfehlt. Für die ND war es das beste Ergebnis seit 2007.

Unter Mitsotakis stabilisierte sich die griechische Wirtschaft nach Jahren der Austeritätspolitik. Die Arbeitslosigkeit sank, das Wirtschaftswachstum lag 2022 bei sechs Prozent, die Investitionsquote wuchs, und der Tourismus nimmt in diesem Jahr wieder an Fahrt auf. Mitsotakis hatte im Wahlkampf zudem betont, mehr als 50 Steuern gesenkt zu haben.

„Schwere Niederlage“

Für Oppositionsführer Tsipras war das Ergebnis hingegen ernüchternd. „Wir haben eine schwere Wahlniederlage erlitten“, gestand er. Die Partei brauche nun die nötigen Einschnitte. Die Parteimitglieder seien aufgefordert, die Arbeit der gesamten Führungsspitze zu bewerten und sich unter diesen schwierigen Bedingungen neu auszurichten. „Es ist selbstverständlich, dass ich mich als Erster dem Urteil der Parteimitglieder stelle.“

Nach nunmehr fünf Wahlniederlagen dürften Tsipras schwere Zeiten bevorstehen. Rücktrittsforderungen gab es bereits nach dem dramatischen Einbruch der Partei bei der Wahl im Mai. Allerdings ist SYRIZA stark auf Tsipras zugeschnitten. Zwar gibt es bekannte, beliebte Politiker in ihren Reihen, doch auf eine Führungsrolle wurde von ihnen offiziell bisher niemand vorbereitet.

Alexis Tsipras in Wahlkabine
APA/AFP/Louisa Gouliamaki
Die von Tsipras angeführte SYRIZA blieb unter 18 Prozent

SYRIZA scheitere gleichzeitig erneut, dem Kurs der ND etwas entgegenzusetzen. Sie versuchte nach einem Wahlergebnis von nur 20,0 Prozent, im Wahlkampf die sozialen Folgen der Inflation für viele Menschen angesichts der weiterhin niedrigen Löhne in Griechenland zum Thema zu machen. Tsipras warnte nach seiner Stimmabgabe am Sonntag vor einer „unkontrollierten Regierung“ unter Mitsotakis.

SYRIZA beschwor vor der Wahl das griechische Wort „Autokratie“, das „die unumschränkte Staatsgewalt in der Hand eines einzelnen Herrschers“, in diesem Fall des bisherigen Regierungschefs Mitsotakis, beschreibt.

Im europäischen Ausland sahen es manche Beobachterinnen und Beobachter ähnlich. Unter Mitsotakis sei Griechenland auf dem Weg in die Autokratie, war in Medien zu lesen. Sein Stil sei eine neue Form eines „geräuschlosen Populismus“, bewerteten andere die Art Mitsotakis’.

Geheimdienstskandal und Zugsunglück

Tatsächlich ist die zurückliegende Amtszeit der Konservativen längst nicht nur von Ruhm gekrönt. So ließ sich Mitsotakis den Geheimdienst direkt unterstellen. Koordinator wurde ein Neffe des Premiers. Später folgte ein handfester Skandal, weil der Geheimdienst nicht nur Journalisten und Oppositionspolitikerinnen, sondern sogar den eigenen Generalstabschef abhören ließ. Mitsotakis gab an, davon nichts gewusst zu haben, feuerte seinen Neffen und verweist seither auf die Aufarbeitung der Affäre durch die Justiz.

Doch selbst dieser Geheimdienstskandal tat dem Erfolg der Konservativen keinen Abbruch – genauso wenig wie der Vorwurf der „Orbanisierung“ und die Schuldzuweisung von Tsipras, Mitsotakis sei an dem schweren Zugsunglück mit 57 Toten im Februar in Mittelgriechenland schuld.

Mitsotakis profitiert von schwacher SYRIZA

Griechische Beobachterinnen und Beobachter sehen aber in der Stärke von Mitsotakis vor allem auch eine Schwäche von Tsipras: Dass Tsipras und seine SYRIZA bei den Wahlen zuletzt krachend scheiterten – die Partei sackte um elf Prozentpunkte auf 20 Prozent – hätten sie sich vor allem selbst zuzuschreiben, heißt es. Medien sowie Bürgerinnen und Bürger kritisierten im Nachgang einen „toxischen Wahlkampf“, weil Tsipras kaum Programm bot, dafür aber ständig auf die Regierung eindrosch.

Viele Wahlversprechen von SYRIZA, etwa höhere Pensionen und Mindestlöhne, hatten die Konservativen schon vor den Wahlen in die Realität umgesetzt. Mitsotakis brachte das Land zudem wirtschaftlich, sozial und außenpolitisch enorm voran. Die Arbeitslosigkeit sank von rund 19 auf aktuell gut elf Prozent.

Der Staat wurde erheblich entbürokratisiert und digitalisiert: Viele Amtsgänge lassen sich nun in wenigen Minuten online erledigen. Gleichzeitig senkte die Regierung die Unternehmenssteuern. In der Folge entdeckten internationale Firmen wie Microsoft, Google und Pfizer das Land und investierten kräftig.

Harter Migrationskurs mit Erfolg

Auch dass die Regierung mit harten Grenzkontrollen durchgriff und die Flüchtlingszahlen senkte, wird Mitsotakis bei vielen Wählerinnen und Wählern hoch angerechnet. Inseln wie Lesbos und Samos befanden sich wegen der Flüchtlingskrise jahrelang im Ausnahmezustand – dort können die Bürgerinnen und Bürger jetzt wieder normal leben.

Der frühere griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis auf einer Wahlveranstaltung
APA/AFP/Sakis Mitrolidis
Vor allem die harte Migrationspolitik von Mitsotakis kommt bei seiner Wählerschaft gut an

Dem Vorwurf internationaler Medien, dass Griechenland Pushbacks durchführe, also Migrantinnen und Migranten zurück in die Türkei dränge, ohne ihnen einen Antrag auf Asyl zu gewähren, widersprach die Regierung stets. Dass es Pushbacks gab, ist mittlerweile aber unbestritten. Gleichzeitig steht die Zahl nachgewiesener Pushbacks in keinem Vergleich zu den Zehntausenden Menschen, die in den vergangenen Jahren von griechischen Grenzeinheiten gerettet wurden.

Bootsunglück Thema im Wahlkampf

Ein Thema, das bis zuletzt allerdings den Wahlkampf beherrschte, war das jüngste Bootsunglück vor der griechischen Küste, bei dem Hunderte Geflüchtete ums Leben kamen. Mitsotakis griff in dem Zusammenhang SYRIZA wegen der Migrationspolitik während ihrer Regierungszeit offen an, berichtete zuletzt die griechische „Kathimerini“. Dabei verwies er auch auf das überfüllte Flüchtlingslager Moria, das unter der SYRIZA-Regierung in Betrieb genommen worden und im September 2020 niedergebrannt war.

Luftaufnahme von überfülltem Flüchtlingsboot
Reuters/Hellenic Coast Guard
Bei dem jüngsten Bootsunglück vor der griechischen Küste kamen Hunderte Geflüchtete ums Leben

Linke Parteien sehen hingegen die konservative Regierung der vergangenen vier Jahre in der Verantwortung. Aufgrund von ihr eingeführter strenger Kontrollen auf dem Meer wählten Schlepper nun gefährlichere, längere Routen an Griechenland vorbei direkt nach Italien, lautet der Vorwurf. Der mit 500 bis 700 Migranten besetzte Fischkutter war auf dem Weg aus Libyen nach Europa gesunken.