Gesetz lässt Hunderte ukrainische Schüler sitzen bleiben

Hunderte ukrainische Kinder in Österreich müssen die vierte Klasse Volksschule wiederholen, zum Teil schon zum zweiten Mal, und das trotz eines bestandenen Deutschtests. Grund dafür sei eine Regelung im Schulorganisationsgesetz, die mit den umstrittenen Deutschförderklassen eingeführt wurde, wie das Ö1-Mittagsjournal gestern berichtete.

Ö1 brachte das Beispiel eines Elfjährigen, der bereits zum dritten Mal die vierte Klasse besuchen soll, obwohl er den MIKA-Deutschtest geschafft hatte – jedoch nicht rechtzeitig, also schon im Wintersemester. Jetzt gilt er noch als außerordentlicher Schüler.

Aufstieg in andere Schulart nicht erlaubt

Sowohl Lehrerin als auch Schuldirektorin seien dafür, dass der Bub in die Mittelstufe aufsteigt, zitierte Ö1 die Wienerin Eva Potura, die eine dreifache Mutter aus der Ukraine betreut. Nicht nur zeige der Bub gute Leistungen, es passe auch der Stoff nicht mehr, da die ukrainischen Kinder auch online in ukrainische Schulen gehen, wo sie schon in der zweiten Sekundarstufe seien.

„Das Traurige ist: Wenn er erst gestern eingereist wäre, würde er ohne Probleme als außerordentlicher Gymnasiumsschüler eingestuft werden“, sagte Potura. Allein in Wien betrifft das mehr als 200 ukrainische Kinder, wurde Ö1 in der Bildungsdirektion Wien bestätigt. Das liege daran, dass außerordentliche Schüler laut Schulorganisationsgesetz nicht in eine andere Schulart aufsteigen dürfen.

„Pädagogischer Wahnsinn“

Für den ehemaligen Lehrer und jetzigen Bildungskoordinator der Regierung, Daniel Landau, ein „pädagogischer Wahnsinn“: „Weil was ist das für eine Botschaft, wenn ich meine Aufgaben bestehe und all das, was von mir erwartet wird, positiv erfülle, aber nicht aufsteigen darf? Diesen Kindern wird es so verunmöglicht, in Österreich einen Pflichtschulabschluss zu erreichen.“

Eltern hätten ihn weinend angerufen, so Landau. Für manche komme nicht infrage, dass ihr Kind ein drittes Mal die vierte Klasse Volksschule mache, sie würden lieber in die Ukraine zurückfahren, so Landau. „Das heißt, sie sind sogar willig, in ein Land zurückzukehren, in dem Krieg herrscht.“

„Mehrsprachigkeit Teil unserer Gesellschaft“

In der Bildungsdirektion Wien heißt es, man kenne das Problem und sei in laufendem Austausch mit dem Bildungsministerium. Dort verwies man auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen. „Mehrsprachigkeit ist Teil unserer Gesellschaft. Um Bildungserfolg zu schaffen, müssen Hürden abgebaut werden. Mehr Möglichkeiten für schulautonome Entscheidungen könnten ein Weg sein“, sagte der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer.

Das Bildungsministerium versicherte in einer Stellungnahme, dass es eine Lösung geben werde. „Die betroffenen Schulen werden morgen kontaktiert“, hieß es aus dem Ministerium.