Ukrainische Soldaten mit einem Panzer im Wald
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Gegenoffensive

Symbolisch wichtige Erfolge für Ukraine

Im Schatten der Turbulenzen in Russland hat die ukrainische Gegenoffensive in den vergangenen Tagen einige Fortschritte gemacht. Zwar werden nach wie vor bei Weitem nicht alle Truppen mit neuen Waffensystemen eingesetzt, dennoch zeigte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt zufrieden. Auch wenn die Landgewinne bisher überschaubar sind, sind sie zumindest symbolisch wichtig.

Laut britischem Geheimdienstbericht von Dienstag stießen die ukrainischen Truppen in ein Gebiet vor, das bereits seit 2014 von russischen Truppen besetzt ist. Mitglieder der ukrainischen Luftstreitkräfte hätten kleine Vorstöße im Osten des Dorfes Krasnohoriwka nahe der Stadt Donezk gemacht.

„Jüngste vielfache und gleichzeitige ukrainische Angriffe“ im gesamten Donbas hätten Kräfte der international nicht anerkannten „Volksrepublik“ Donezk und tschetschenische Einheiten, die dort operieren, überfordert, hieß es in dem Bericht weiter. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskrieges vor 16 Monaten täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.

Fluss Dnipro überquert

Ein weiterer strategischer und symbolischer Schritt dürfte am Wochenende im Süden gelungen sein. Übereinstimmenden Berichten zufolge konnte die Ukraine erste kleine Verbände an das Ostufer des Dnipro bringen. Auf der Höhe der Antonowsky-Brücke bei Cherson wurde die Überquerung des Flusses geschafft.

Nach der Rückeroberung der Stadt Cherson hatten sich die russischen Truppen auf die andere Seite des Flusses zurückgezogen. Noch sei das ein kleiner Schritt, bemerkten Militärexperten. Schaffen die ukrainischen Truppen aber einen Vorstoß über das Gebiet, so brächte das enorme strategische Vorteile.

Ein glücklicher Tag"

Dementsprechend erfreut zeigte sich Selenskyj am Montag: „Heute sind unsere Soldaten in allen Richtungen im Vormarsch, es ist ein glücklicher Tag“, sagte er am Abend in seiner täglichen Videoansprache. Er wünsche den Soldaten mehr solcher Tage. Vor seiner Rede, die er in einem Zug hielt, hatte Selenskyj per Bahn mehrere Frontabschnitte besucht.

Selenskij besucht ukrainische Soldaten an der Front
APA/AFP/Ukrainian Presidential Press Service
Selenskyj bei seinem Frontbesuch

Es sei ein ausgefüllter und emotionaler Tag gewesen, sagte der Präsident. Er habe sowohl den Raum Bachmut als auch den Süden des Landes in Saporischschja besucht und mehrere Auszeichnungen verteilt, unter anderem zwei goldene Sterne für Helden der Ukraine – die höchste Auszeichnung des Landes. Angesichts der jüngsten Erfolge gab sich Selenskyj überzeugt vom Sieg gegen die russischen Besatzer.

„Wir kommen voran“

So hatte die Führung in Kiew am Montag die Rückeroberung einer weiteren Ortschaft im Gebiet Saporischschja vermeldet. „Die Verteidigungskräfte haben Riwnopil wieder unter unsere Kontrolle gebracht“, sagte die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar auf Messengerdienst Telegram. „Lasst uns weiter vorstoßen!“, schrieb sie.

In einem separaten, auf Facebook veröffentlichten Video sind Soldaten einer ukrainischen Panzerbrigade zu sehen, die vor einem zerstörten Haus ihre Nationalfahne schwenken. Einem der Soldaten zufolge wurde Riwnopil bereits am Sonntag befreit, als die russischen Soldaten „geflüchtet“ seien. „Wir kommen voran“, sagt der Soldat in dem Video.

130 Quadratkilometer zurückerobert

Zuvor hatte Maljar in einer Zusammenfassung der Kämpfe der vergangenen Woche erklärt, es seien weitere 17 Quadratkilometer Gelände zurückerobert worden. Damit habe sich die Gesamtfläche der zurückeroberten Gebiete auf 130 Quadratkilometer erhöht. Die meisten von ihnen liegen – wie Riwnopil – südlich der kriegszerstörten Bergbaustadt Wuhledar.

Zudem hat die Ukraine militärische Vorstöße in Richtung Tokmak in der südlichen Region Saporischschja gestartet. Weiter nördlich kämpfen die ukrainischen Truppen in der Region Donezk weiter um die Sicherung der Flanken um die seit Monaten heftig umkämpfte Stadt Bachmut.

Russische Turbulenzen mit Folgen?

Bachmut war vor wenigen Wochen nach monatelangem Kampf von Russland weitgehend eingenommen worden, hauptverantwortlich dafür waren die Söldner der Wagner-Truppe von Jewgeni Prigoschin, die sich allerdings danach völlig von der Front zurückgezogen hatten. Welchen Einfluss die Meuterei der Truppe und die damit ausgelösten Turbulenzen auf die Kämpfe an der Front haben, bleibt abzuwarten. Im Kampfeinsatz waren Wagner-Söldner zuletzt nicht. Militärexperten glauben, dass sich die Ereignisse zumindest nicht besonders positiv auf die Moral der russischen Truppen auswirken.

Weiter Suche nach Schwächen in russischer Verteidigung

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow bestätigte am Wochenende, dass die derzeitigen Manöver „eine Art vorbereitende Operation“ seien, und räumte ein, dass die Russen „sehr starke Verteidigungslinien“ aufgebaut hätten. Auch Militärbeobachter sprechen seit Wochen davon, dass die Ukraine noch immer versucht, Schwachstellen in der russischen Verteidigung zu finden. Erst dann werde man wohl mit weit größerem Aufgebot und neu aus dem Westen gelieferten Waffen den Druck verstärken.