Stromzähler
APA/dpa/Sina Schuldt
Strom- und Gasmarkt

Wettbewerb „zum Erliegen gekommen“

Die auf dem heimischen Strom- und Gasmarkt tonangebenden Landesenergieversorger haben ihre Marktposition im Vorjahr gefestigt. Zu diesem Schluss kommt eine von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und der E-Control eingerichtete Arbeitsgruppe in ihrem am Dienstag vorgestellten Zwischenbericht. Die Rede ist von einem 2022 quasi zum Erliegen gekommenen Wettbewerb, womit auch den Konsumentinnen und Konsumenten weitgehend die Hände gebunden waren.

„Ein Anbieterwechsel hat sich im letzten Jahr nahezu nirgendwo rentiert“ bzw. sei vielfach auch nicht möglich gewesen, hielt die im Jänner angesichts großer Preissteigerungen eingerichtete Arbeitsgruppe fest. Untermauert wurde das mit deutlich zurückgegangenen Wechselzahlen. Diese lagen 2022 beim Strom bei 2,2 Prozent nach 4,2 Prozent im Jahr zuvor. Beim Gas sank dieser Wert von 5,6 Prozent 2021 auf vier Prozent 2022.

Jene, die den Anbieter wechselten, hätten das zudem oft unfreiwillig getan – weil ihr vorheriger Anbieter sie kündigte oder sich gar ganz vom Markt zurückzog oder weil sie etwa aus privaten Gründen umziehen mussten. Die „nahezu einzige Reaktionsmöglichkeit“ habe dem Bericht zufolge darin bestanden, „sich bei den Beschwerdestellen der Unternehmen zu melden und so auf sich aufmerksam zu machen“.

Erster Bericht zu Strom- und Gasmärkten

Die E-Control und die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) haben im Jänner eine Untersuchung der Strom- und Gasmärkte gestartet. Der erste Zwischenbericht liegt nun vor.

Weniger Angebot und „Mondpreise“

Ein fehlender Wettbewerb habe „natürlich Auswirkungen“. Deutlich gezeigt habe sich das 2022 etwa beim Rückgang der Produktangebote und auch dem Rückzug etlicher Lieferanten vom Markt mit Neukunden und Neukundinnen. „Damit einher ging natürlich, dass von diesen Lieferanten auch keine Angebote mehr verfügbar waren“, so BWB-Direktorin Natalie Harsdorf-Borsch, die am Dienstag gemeinsam mit E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch mit den Erkenntissen des ersten Taskforce-Berichts vor die Presse trat.

Laut Harsdorf-Borsch verließen einzelne Unternehmen den Markt gänzlich. Die meisten österreichweiten Anbieter hätten sich bis Oktober 2022 zudem auf ihre regionalen Märkte zurückgezogen, so Urbantschitsch. Im gleichen Monat habe es im Tarifkalkulator der E-Control nur noch 20 Produkte im Angebot gegeben, wie Harsdorf-Borsch ergänzte. Darunter waren auch einige mit „Mondpreisen“, so Urbantschitsch.

Neukunden als große Verlierer

Die im Jänner eingesetzte gemeinsame Taskforce von E-Control und BWB sah sich die Preise auf dem Energiemarkt in den vergangenen Monaten an und verglich sie mit fiktiven Beschaffungskosten der Anbieter. Da man keinen Einblick in die realen Kostenstrukturen der Unternehmen habe, seien mehrere fiktive Modelle erstellt worden, die sich darin unterscheiden, wie weit im Voraus Unternehmen sich mit Strom und Gas auf den Großhandelsmärkten eindecken.

Bei dieser Analyse habe sich die ungleiche Behandlung von Bestands- und Neukunden sehr deutlich gezeigt: Bei der Bestandskundschaft bewegten sich die Preise weitgehend mit den Kosten mit. Beim Strom lagen sie in den meisten Fällen sogar unter den Beschaffungskosten.

Anders bei den Stromneukundinnen und -kunden: Hier hätten viele Unternehmen die gesunkenen Kosten nicht weitergegeben. Urbantschitsch sagte, es stelle sich die Frage, ob die günstigen Preise der Bestandskunden über die Neukundenpreise quersubventioniert wurden. Die Thematik betreffe zudem nicht nur kleine Alternativanbieter, sondern auch die großen Landesenergieversorger.

Zuschuss als Bremse für Preisanpassungen

Angeschaut hat man sich auch, wie sich der Stromkostenzuschuss auswirkte. In zeitlicher Nähe zur Bekanntgabe der Beihilfen hätten einzelne Anbieter ihre Preise angepasst, sagte Harsdorf-Borsch. Auch nachdem die Großhandelspreise gesunken sind, könne man beobachten, dass beim Strom die Endkundenpreise weniger schnell reagierten als beim Gas, wo es keinen Zuschuss gibt.

Schwierigkeiten sehen E-Control und BWB zudem bei den Preisanpassungsklauseln. Diese würden oft vorsehen, dass der Gesamtpreis mit steigenden Beschaffungskosten angehoben werden kann. Bei gleich bleibenden Fixkosten seien dadurch die Margen der Unternehmen wesentlich gestiegen, so Urbantschitsch.

Harsdorf-Borsch (BWB) zu Marktanteilen

Ein Punkt des ersten Berichts zum heimischen Strom- und Gaspreis umfasst die Marktstellung der Landesenergieversorger. Diese geht bis zu 98,7 Prozent, so BWB-Chefin Harsdorf-Borsch.

Bis zu 98,7 Prozent Marktanteil

Hintergrund der Untersuchung ist die starke Marktkonzentration im Energiebereich. Mit Blick auf die Marktanteile der Landesenergieversorger finde man dem Bericht zufolge eine Bandbreite von 60,3 Prozent in Oberösterreich bis 98,7 Prozent in Vorarlberg. Dort teilen sich die 44 weiteren Anbieter die verbleibenden 1,3 Prozent, wie Harsdorf-Borsch beim Pressegespräch anmerkte.

Bei den Stadtwerken führt der Berichte von 55,1 Prozent (Linz) bis 96,6 Prozent (Innsbruck) reichende Marktanteile an. Insgesamt seien die Marktanteile der Landesenergieversorger und Stadtwerke in den Netzen der westlichen Bundesländer und Stadtwerke (Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Innsbruck) deutlich höher als in den östlichen und südlichen Bundesländern. Relativiert wird das aber wieder mit den „zwei Ausnahmen“ Niederösterreich und Burgenland – wo die Landesenergieversorger 91,1 bzw. 92,4 Prozent des Marktes bedienen.

„Ermittlungen werden vertieft, Kontrollen verschärft“

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, habe man „von Anfang an betont, dass wir – sollte es sich bei den ersten Untersuchungen herausstellen, dass dies notwendig ist – nächste Schritte setzen werden“, so Harsdorf-Borsch.

Konkret habe man „verpflichtende Auskunftsverlangen an die Vertriebsgesellschaften der Landesenergieversorger, größere Stadtwerke und an die Verbund AG versendet“. Von den genannten Unternehmen, die in Summe rund 80 Prozent des österreichischen Strommarktes abdecken, werde etwa Auskunft über die „Gründe für ein unterschiedliches Angebotsverhalten“ und zur „Preisweitergabe von steigenden und sinkenden Großhandelspreisen“ erwartet.

Angekündigt wurden zudem verschärfte Kontrollen – etwa für die Bereiche Transparenz- und Meldeverpflichtungen, Geschäftsbedingungen und Preisanpassungsklauseln. BWB und E-Control begrüßten zudem das Bekenntnis der Regierung zur Verschärfung des Kartellrechts, wie die beiden Behörden mitteilten. „Als einen ersten Schritt“ empfehlen diese zudem eine systematische Überarbeitung der Grundversorgung.

AK für Preisdeckel

Die Arbeiterkammer (AK) fügte in einer Reaktion auf den Taskforce-Bericht die Forderung hinzu, dass Versorger künftig die Notwendigkeit von Preiserhöhungen darlegen müssten, vor allem dann, wenn es eine Strompreisbremse gibt. Zudem müssten Verbraucherinnen und Verbraucher, während die Preisbremse gilt, ein Sonderkündigungsrecht erhalten. Außerdem fordert die AK auch für Gas und Fernwärme einen Preisdeckel.

Ergebnisse „werden nun intensiv diskutiert“

ÖVP-Konsumentenschutzsprecher Peter Weidinger begrüßte indes die Erkenntnisse aus dem Bericht. „Die heutigen Ergebnisse und Empfehlungen werden nun intensiv diskutiert. Es wird erwartet, dass dieser Zwischenbericht den weiteren Prozess beeinflusst und die Grundlage für weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Energiekontrolle im Gasmarkt legt.“

Für die SPÖ zeigt der Bericht, dass der Markt nicht funktioniert. Sie ortet zudem ein Versagen der Regierung. „Denn diese setzt auch in diesem Bereich keine Maßnahmen, um die Energiepreise zu senken und die Menschen vor der Rekordteuerung zu schützen“, so der SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll.

FPÖ und NEOS sehen Kritik an Preisbremse bestätigt

Auch die FPÖ sieht sich in ihrer Kritik an den Energiepreisen, aber auch an der Strompreisbremse bestätigt. Für FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger würden die Energieanbieter über die Preisbremse auf Kosten der Steuerzahler subventioniert. Gleichzeitig hätten die Konzerne zuletzt immer wieder Rekordgewinne erzielt.

Auch NEOS übte Kritik: „Die politisch Verantwortlichen hätten es jederzeit selbst in der Hand gehabt, die Landesenergieversorger frühzeitig in die Pflicht zu nehmen, damit gesunkene Großhandelspreise auch an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden“, so NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Der Zwischenbericht bestätige auch die NEOS-Kritik an der Strompreisbremse, heißt es in der Aussendung weiter. Doppelbauer forderte eine „gesamtheitliche Planung“ für Österreich.