Arbeiter in einer Fabrik in Zixing City
AP/FeatureChina/Mu Zizhong
Gegen „Politisierung“

China ringt mit seinen Absatzmärkten

Die Debatte über eine Verringerung wirtschaftlicher Abhängigkeiten von China hat der chinesische Regierungschef Li Qiang als Irrweg mit einer Warnung vor Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen zurückgewiesen. Li sprach damit indirekt vor allem die EU an, die Maßnahmen setzen will. China versucht offenbar, seine Absatzmärkte zu erweitern, um die gesetzten Wachstumsziele zu erreichen.

Li warnte Anfand Juli bei dem Treffen der „New Champions“ des Weltwirtschaftsforums (WEF) in der nordchinesischen Metropole Tianjin vor einer Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen in der Welt und rief vielmehr zu verstärkter Kooperation auf.

„Einige im Westen übertreiben die sogenannten Reden von der Verringerung der Abhängigkeit und vom Derisking“, sagte der neue Premier zur Eröffnung des dreitägigen „Sommer Davos“, das erstmals seit der Pandemie wieder mit Teilnehmern aus 140 Ländern stattfindet.

Chinesischer Ministerpräsident Li Qiang
AP/Andy Wong
Der chinesische Ministerpräsident Li Qiang bei dem Treffen der „New Champions“ des Weltwirtschaftsforums (WEF)

„Falsche Lehrsätze“

„Diese beiden Konzepte sind falsche Lehrsätze. Die wirtschaftliche Globalisierung hat die Welt bereits zu einem integralen Ganzen gemacht, in dem die Interessen aller eng miteinander verflochten sind“, so Li. „Das ist eigentlich eine gute Sache, keine schlechte Sache.“ Der Ansatz des „Deriskings“ sei ein „falscher Vorschlag“.

Die Politik soll sich nach seiner Ansicht heraushalten. „Regierungen und betreffende Organisationen sollten es nicht zu weit treiben, geschweige denn das Konzept vom Risiko überspannen oder es in ein ideologisches Werkzeug verwandeln.“ Wenn es Risiken in bestimmten Industrien gebe, dann seien die Unternehmen in der besten Position, diese einzuschätzen. „Sie sollten zu ihren eigenen Schlüssen kommen und ihre eigenen Entscheidungen treffen“, sagte der Premier.

Arbeiter in einer Chipfabrik in Jiashan, Zhejiang, China
AP/TopPhoto
Arbeiter in einer Chipfabrik in China

EU sieht bei China geopolitische Risken

Die EU-Kommission hatte vergangene Woche eine neue Strategie zum Umgang mit wirtschaftlichen Abhängigkeiten und damit verbundenen geopolitischen Risiken vorgestellt. Das Papier zielt vor allem auf China ab, auch wenn das Land nicht namentlich erwähnt wird. Schärfere Regeln schlägt Brüssel vor allem im Zusammenhang mit Ausfuhren und Auslandsinvestitionen vor.

China hat den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht verurteilt. Die EU fürchtet, dass Peking Moskau unterstützen könnte – etwa durch Dual-Use-Güter, die sich zivil wie militärisch nutzen lassen. Daneben geht es vor allem um Europas Abhängigkeit von China, etwa bei wichtigen Rohstoffen und Halbleitern.

Wirtschaftswachstum: China will Maßnahmen ergreifen

China ist auch aufgrund seiner Wirtschaftsdaten auf der Suche nach vermehrtem Absatz. Die chinesische Wirtschaft hat nach den Worten von Ministerpräsident Li im zu Ende gehenden zweiten Quartal an Schwung gewonnen. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dürfte die jährliche Zielmarke von rund fünf Prozent erreichen, sagte Li beim Weltwirtschaftsforum weiter.

Im ersten Quartal hatte es nur zu einem Plus von 4,5 Prozent gereicht. Angesichts einer verlangsamten Industrieproduktion infolge der schwächeren Auslands- und Inlandsnachfrage will die Regierung gegensteuern. „Wir werden mehr praktische und wirksame Maßnahmen ergreifen“, kündigte Li an.

Mann auf einem Elektroroller vor Hochhausbaustellen in Peking
Reuters/Andy Wong
Die Immobilienwirtschaft ist in China in der Krise – die Preise fallen

Immobilienprobleme ziehen Konsum mit runter

Große westliche Banken haben zuletzt ihre Prognosen für das Wachstum der chinesischen Wirtschaft nach enttäuschenden Konjunkturdaten gesenkt. Das BIP der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt dürfte nach den Vorhersagen von UBS, Standard Chartered, Bank of America und JPMorgan in diesem Jahr zwischen 5,2 und 5,7 Prozent zulegen. Bisher lag die Spanne bei 5,7 bis 6,3 Prozent.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet mit einem Wachstum von 5,6 Prozent. „Die Erholung der chinesischen Wirtschaft nach der Abkehr von der Null-Covid-Politik fällt moderat aus“, so die Kieler Ökonomen. „Fallende Immobilienpreise und die finanziellen Probleme zahlreicher Immobilienentwickler haben nicht nur die Bautätigkeit gedämpft, sondern sich wohl auch negativ auf die Konsumbereitschaft ausgewirkt.“

Scholz mahnt Verbesserungen auf chinesischem Markt ein

Vorige Woche hatte Li Frankreich und Deutschland besucht. Li bekräftigte in Deutschland das Interesse Chinas an einem Ausbau der Kooperation. China und Deutschland sollten die Beziehungen „auf ein immer höheres Niveau bringen“. Er verwies auf die „komplexe“ internationale Lage und die mangelnde Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft. „Wenn wir die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft verstärken, werden wir einen Beitrag zur Stabilität der Weltwirtschaft leisten“, sagte der Premier.

Olaf Scholz und Li Qiang bei einer Pressekonferenz in Berlin
Reuters/Nadja Wohlleben
Li Qiang und der deutsche Kanzler Olaf Scholz

Ungeachtet der Debatte über eine deutsche Abhängigkeit von China betonte Deutschlands Kanzler Olaf Scholz, dass die deutsche Bundesregierung auf eine Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit setzt. „Wir haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkopplung von China“, sagte der SPD-Politiker. Er mahnte aber Verbesserungen bei dem Zugang zum chinesischen Markt sowie bei fairen Wettbewerbsbedingungen ein.

Scholz betonte auch die Bedeutung der Menschenrechte bei der Herstellung von Produkten und in der Lieferkette. Verbraucher achteten immer genauer darauf, wie Produkte hergestellt würden. „Würdige Produktionsbedingungen und damit verbundene Verbesserungen der Menschenrechtslage sind in unser beider Interesse“, sagte Scholz. China steht besonders wegen Vorwürfen über Zwangsarbeit von Minderheiten wie den Uiguren unter Beobachtung.

Chinesische Delegation mit Li Qiang und französische Delegation mit Bruno Le Maire bei einem Essen in Paris
APA/AFP/Geoffroy Van Der Hasselt
Die chinesische Delegation mit Li und die französische Delegation mit Bruno Le Maire bei einem Essen in Paris

Auch Frankreich will Beziehungen stärken

Zuvor hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bei einem Treffen mit Li für engere Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern geworben. „Wir sind wirtschaftliche Partner ersten Ranges, China und Frankreich“, sagte Le Maire letzte Woche in Paris. Diese Zusammenarbeit zwischen zwei souveränen Nationen gelte es auf der Grundlage eines gleichberechtigten Wettbewerbs auszubauen.

Französische Firmen liebten China, wollten dort investieren und zu fairen Konditionen Zugang zu den Märkten erhalten, sagte Le Maire bei der Begegnung mit Unternehmern aus beiden Ländern. „Die chinesischen Firmen sind in Frankreich willkommen“, sagte er. Es gelte, die Kooperation auf neue Wirtschaftsbereiche wie etwa die Umwelttechnik auszudehnen. „Wir wollen mehr chinesische Investoren in Frankreich willkommen heißen“, sagte Le Maire und warb um Partnerschaften im Bereich von Elektroautos und der Batterietechnik.