Lebensmittel und Rechnung
ORF/Patrick Bauer
Warten auf Entspannung

Inflation bleibt „hartnäckig“

Die heimische Wirtschaft befindet sich heuer in einer Stagnationsphase, die Inflation bleibt „hartnäckig“. Die Arbeitslosenrate steigt aber nur minimal. Zu diesem Ergebnis kommen das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) in ihrer am Mittwoch vorgestellten Konjunkturprognose. Im laufenden Jahr soll sich das reale Wirtschaftswachstum auf 0,3 bzw. 0,5 Prozent belaufen, die Inflation bei 7,5 Prozent liegen.

Zum Vergleich: Im Vorjahr betrug die Inflation 8,6 Prozent, und die Volkswirtschaft wuchs real um 4,9 Prozent. „Steigende und auch langfristig höhere Zinsen sowie hohe Unsicherheit drücken auf die private Investitionstätigkeit und schmälern die Wachstumsaussichten“, sagte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der Konjunkturprognose in Wien.

Die Inflation bleibe „hartnäckig hoch“, so Felbermayr. Die Inflationsrate werde heuer ganze zwei Prozentpunkte höher als in Deutschland und im Euro-Raum sein, so Felbermayr. „Mittelfristig geht die Inflation nur langsam zurück. Sie wird wohl noch 2027 leicht über der angestrebten Zweiprozentmarke liegen.“

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Klaus Neusser
APA/Roland Schlager
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Chef Klaus Neusser

IHS: Verschiebung des Wachstumspfades „nach unten“

Der scheidende interimistische IHS-Direktor Klaus Neusser sieht durch die CoV-Pandemie und den Ukraine-Krieg „eine Verschiebung des langfristigen Wachstumspfads in Österreich nach unten“. Die Regierung müsse deswegen „mehr langfristig denken und die Angebotselemente verstärken“, sagte Neusser bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Es gebe „einen Reformstau in Österreich“, und es wäre „an der Zeit, das Steuersystem zu überdenken“.

Gegenüber der März-Prognose erhöhte das WIFO die Inflationserwartung für 2023 um 0,4 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent, das IHS erwartet für heuer wie im März eine Teuerungsrate von 7,5 Prozent. Die hohe Inflation drückt laut IHS auf den privaten Konsum. Für 2024 bestätigte das WIFO die bereits im März prognostizierte Inflationsrate von 3,8 Prozent, das IHS erhöhte um 0,5 Prozentpunkte auf 4,0 Prozent.

Grafik zur WIFO/IHS-Konjunkturprognose
Grafik: APA/ORF; Quellen: WIFO/IHS

Besser als Deutschland, halb so gut wie Euro-Raum

Für das laufende Jahr erwarten die Institute wie in ihrer März-Prognose ein reales Wirtschaftswachstum von 0,3 bzw. 0,5 Prozent. Einer Rezession in der Industrie stehen laut WIFO Wertschöpfungszuwächse im Dienstleistungssektor gegenüber. Österreich liege besser als Deutschland, das in einer Rezession stecke (minus 0,4 Prozent), aber nur halb so gut wie der Euro-Raum (plus 0,6 Prozent).

Belastungsfaktoren für die heimische Wirtschaft seien die hohe Inflation, steigende Zinsen, die durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Unsicherheiten sowie die ungünstigen internationalen Rahmenbedingungen, so das IHS. Für das kommende Jahr senkte das WIFO die Wachstumsprognose für die heimische Wirtschaft um 0,4 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent, das IHS beließ die Schätzung bei 1,4 Prozent.

Österreichs Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren eine Achterbahnfahrt erlebt: Nach dem CoV-bedingten Einbruch des realen Wirtschaftswachstums im Jahr 2020 von minus 6,5 Prozent ging es 2021 mit plus 4,6 Prozent und 2022 mit plus 4,9 Prozent wieder steil nach oben. Im zweiten Halbjahr 2022 setzte ein internationaler Konjunktureinbruch ein, der auch Österreichs Volkswirtschaft erfasste.

Prognose: Kaum Wachstum, Teuerung bleibt hoch

Heuer dürfte es kaum mehr ein Wachstum geben, melden das WIFO und das IHS in ihren Konjunkturprognosen. Auch für nächstes Jahr erwarten beide Institute nur ein leichtes Wachstum von 1,4 Prozent. Deutlich hartnäckiger als gedacht hält sich die Teuerung.

Leichter Anstieg bei privatem Konsum erwartet

Das schwache Wirtschaftswachstum hinterlässt aber relativ geringe Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Das WIFO geht von einem Anstieg der nationalen Arbeitslosenrate von nur 0,1 Prozentpunkten auf 6,4 Prozent aus, das IHS rechnet mit einem Anstieg von 0,2 Prozentpunkten.

Der robuste Arbeitsmarkt, kräftige nominelle Lohnzuwächse und eine sinkende Sparquote sollten heuer laut den Konjunkturexperten zu einem Anstieg des realen privaten Konsums von 0,9 bzw. 0,5 Prozent führen. Für 2024 gehen die Ökonomen von einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 6,1 bzw. 6,3 Prozent aus.

Steuereinnahmen steigen

Ein Profiteur der hohen Teuerung ist der Staat: Inflationsbedingt steigen die Steuereinnahmen deutlich stärker als die Staatsausgaben, und das nominelle Bruttoinlandsprodukt soll im laufenden Jahr um 7,6 Prozent auf 481 Mrd. Euro klettern. Das WIFO rechnet für heuer mit einem staatlichen Finanzierungssaldo in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von minus 2,2 Prozent, das IHS mit einem Defizit von minus 2,6 Prozent.

Für 2024 rechnen die beiden Institute nur noch mit einem Budgetdefizit laut Maastricht-Definition von 1,2 bzw. 1,6 Prozent. „Es gilt, Kurs zu halten und etwaige neue Ausgaben nur mit Gegenfinanzierung durchzuführen“, so Felbermayr. Zum Vergleich: In den CoV-Jahren 2020 und 2021 belief sich das staatliche Defizit noch auf 8,0 und 5,8 Prozent.

Brunner: „Schreckensszenarien“ nicht eingetreten

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) freute sich nach dem Ministerrat mit Blick auf die neuesten Prognosen, dass „alle Schreckensszenarien“ wie Energieengpässe, eine Rezession und einhergehende Einkommensverluste und höhere Arbeitslosenzahlen nicht eingetreten seien.

Im europäischen Vergleich stehe Österreich gut da, und die Hilfen seien im internationalen Vergleich auch treffsicher erfolgt, bekräftigte er erneut. Hierzulande sei die Kaufkraft leicht gestiegen, die Haushaltseinkommen hätten ein leichtes Plus von 0,6 Prozent verzeichnet.

Auch zur hohen Inflation versuchte Brunner erneut zu beschwichtigen und verwies darauf, dass in Österreich ein hoher Dienstleistungsanteil im Warenkorb sei, da der Tourismussektor stärker sei als in anderen Ländern. Mit dem deutschen Warenkorb würde die heimische Rate um einen Prozentpunkt tiefer liegen, so Brunner.

ÖVP-Arbeits- und -Wirtschaftsminister Martin Kocher verwies auf die mit 77,5 Prozent höchste Erwerbsquote aller Zeiten, die Arbeitslosigkeit sei zuletzt nur leicht gestiegen und werde mit der Rückkehr eines Wachstums ab Ende des Jahres auch wieder sinken.

Battisti (ORF) zur Konjunkturprognose

Barbara Battisti aus der ZIB-Wirtschaftsredaktion spricht zur Konjunkturprognose des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und des Instituts für Höhere Studien (IHS).

SPÖ: Die Schuldigen sind ÖVP und Grüne

Die Opposition übte indes geharnischte Kritik an der Regierung. Die SPÖ sieht die Regierung mit ihren Versuchen gegen die Teuerung gescheitert. „Die aktuelle Wirtschaftsprognose ist ein weiterer Beweis für das klägliche Scheitern der Bundesregierung im Kampf gegen die Rekordteuerung“, so SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter.

Die Zahlen sprächen eine eindeutige Sprache. Die Rekordinflation und die schlechte Wirtschaftsperformance in Österreich seien hausgemacht. „Die Schuldigen sind ÖVP und Grüne, die Leidtragenden die österreichische Bevölkerung und die österreichische Wirtschaft“, so Matznetter weiter.

FPÖ: Bevölkerung zahlt Preis

In ein ähnliches Horn stieß die FPÖ. „Die schwarz-grüne Regierung trägt für die kontinuierliche Talfahrt von Österreichs Wirtschaft die volle Verantwortung und fährt dennoch unbeirrt unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand und die soziale Sicherheit voll an die Wand“, so FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung

„ÖVP und Grüne haben den Zeitpunkt zum rechtzeitigen Eingreifen samt dringend notwendigem Gegenlenken vollkommen verschlafen.“ Den Preis dafür zahle nicht nur die Wirtschaft, die nicht in die Gänge komme, sondern auch die heimische Bevölkerung, die unter der hausgemachten Teuerung Tag für Tag stärker leide, so Kickl weiter.

NEOS: Regierung heizte Preise künstlich an

Auch NEOS sieht in der Regierung den Verantwortlichen. Diese treibe Österreich in den Ruin, so NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. „Wann gedenken ÖVP und Grüne, das Anheizen der Inflation zu beenden?“, hieß es weiter. „Schließlich war es die Regierung, die uns in diese Lage gebracht hat, weil sie mit ihren Gießkannenmilliarden die Preise in den vergangenen Monaten künstlich angeheizt statt gebremst hat“, so Loacker.