Iranische Fußballnationalteamspielerinnen mit Hidschab jubeln
IMAGO/Maryam Majd
Frankreich

Hidschab könnte Weg auf Fußballplatz finden

Der Internationale Fußballverband (FIFA) gestattet es muslimischen Fußballerinnen seit 2014, beim Spiel einen Hidschab zu tragen. In Frankreich dagegen untersagt der nationale Verband „das Tragen von Zeichen oder Kleidungsstücken, mit denen eine politische, philosophische, religiöse oder gewerkschaftliche Zugehörigkeit demonstriert wird“. Eine Klage gegen das Verbot könnte nun aber Erfolg haben – die politische Rechte zeigt sich alarmiert.

Der Staatsrat, das höchste französische Verwaltungsgericht, befasste sich Anfang der Woche mit einer Klage gegen das Verbot. Die Richter wurden von den „Hijabeuses“ angerufen, einem 2020 gegründeten Kollektiv muslimischer Frauen, die das Recht fordern, Fußballspiele verschleiert bestreiten zu dürfen. „Unser Kampf ist nicht politisch, nicht religiös, er betrifft den Sport und nur den Sport. Es gibt Frauen, die jedes Wochenende vom Spielfeld ausgeschlossen werden, weil sie einen Schleier tragen. Alles, was wir wollen, ist, Fußball zu spielen“, sagte Foune Diawara, die Vorsitzende des Kollektivs.

Schon vor eineinhalb Jahren hatten die „Hijabeuses“ Klage beim Staatsrat eingelegt. Ihre Hoffnung wurde damals durch einen von den Republikanern im Senat verabschiedeten Änderungsantrag gedämpft, der das „Tragen auffälliger religiöser Zeichen“ bei Sportveranstaltungen verbietet. Der Kampf des Kollektivs ging aber weiter, nun scheint ihre Forderung Gehör zu finden.

Der Frauenfußballverein „Hidjabers“ spielt vor dem französischen Senat in Paris
APA/AFP/Bertrand Guay
Mitglieder der „Hijabeuses“ im Jänner 2022 bei einem Protestmatch im Luxemburger Garten vor dem französischen Senat

Staatsrat stützt „Hijabeuses“

Clement Malverti, öffentlicher Berichterstatter des Staatsrats, forderte am Montag den nationalen Fußballverbands FFF (Federation Francaise de Football) auf, seine Regeln zu ändern und verlangte die Annullierung von Artikel 1, in dem das Verbot festgeschrieben ist. Um seine Argumentation zu untermauern, betonte der öffentliche Berichterstatter die „grundlegende Unterscheidung“ zwischen öffentlich Bediensteten und Sportlerinnen und Sportlern.

Erstere seien an den Grundsatz der „Neutralität“ gebunden und dürften damit keine religiösen Symbole tragen, Letzteren stehe es „frei“, ihre Überzeugungen zu zeigen, solange sie die öffentliche Ordnung nicht stören. Es gebe weder „Proselytismus“ (abwertende Bezeichnung für eine „Abwerbung“ von Gläubigen; Anm.) noch „Provokation“ allein durch das Tragen des Hidschabs und keine „Neutralitätsanforderung“ für Spielerinnen, die beim FFF lizenziert sind, so der öffentliche Berichterstatter, dessen Meinung in der Regel von den Richtern befolgt wird. Für Spielerinnen der französischen Nationalmannschaft könnten allerdings andere Kriterien gelten.

Finnische Jugendspielerinnen mit Hidschab
APA/AFP/Alessandro Rampazzo
In vielen Ländern steht es Fußballerinnen frei, Kopftuch zu tragen, auch die FIFA erteilte 2014 ihren Segen

Ablehnung der Rechten

Das Urteil des Staatsrats muss innerhalb von drei Wochen verkündet werden, könnte aber laut Agence France-Presse (AFP) auch schon am Donnerstag publik werden. Politische Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Innenminister Gerald Darmanin äußerte sich „sehr ablehnend“: „Man muss keine religiöse Kleidung tragen, wenn man Sport treibt.“ Er äußerte die Hoffnung, dass der Staatsrat „die Neutralität auf den Sportplätzen“ wahren werde.

Marine Le Pen vom ultrarechten Rassemblement National twitterte: „Der Hidschab im Sport ist ein No-Go! Und wir werden ein Gesetz machen, um das durchzusetzen“, twitterte die Vorsitzende der RN-Abgeordneten in der Nationalversammlung. Karl Olive von der Präsidentenpartei Renaissance sagte, er sei bereit, ein neues Gesetz gegen den Hidschab zu erlassen, wenn der Staatsrat der Meinung des Berichterstatters folgen würde. „Wenn es sein muss, würde ich ein Gesetz vorschlagen, damit der Grundsatz der absoluten Neutralität in diesem Land herrscht“, hielt der ehemalige Sportjournalist fest.

Premierministerin will Kontrollen

Die Regierung ist „voll mobilisiert“ für die „strikte Einhaltung unserer republikanischen Grundsätze im Sport“, sagte Premierministerin Elisabeth Borne nüchtern. Ohne zu sagen, ob im Sport wie in der Schule Gesetze erlassen werden müssten, versicherte sie, dass die Regierung „die Kontrollen zu Beginn des neuen Schuljahres verstärken“ werde und „nicht zögern werde, Vereine zu schließen, die eine radikale oder separatistische Ideologie propagieren“.

Der politische Koordinator der Linkspopulisten La France insoumise (LFI), Manuel Bompard, hielt dagegen. „Es gibt Menschen, die es satthaben, ständig stigmatisiert zu werden, weil sie ihre Religion in Übereinstimmung mit dem Gesetz ausüben wollen“, sagte er. Innenminister Darmanin „zeigt mit dem Finger auf Muslime“ und mache sich zum „Minister von Marine Le Pen“, kritisierte die Chefin der LFI-Abgeordneten, Mathilde Panot.

Tücken des Laizismus

In Frankreich spielt die Trennung von Staat und Religion traditionell eine wichtige Rolle. Der Laizismus ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts Staatsdoktrin. Dazu gehören auch laizistische Kleiderordnungen – im öffentlichen Dienst herrscht ein generelles Kopftuch- und Verschleierungsverbot. Religiöse Symbole oder Bekenntnisse sind für Beamte und Beamtinnen in Behörden oder Krankenhäusern tabu.

Seit 2004 dürfen Schülerinnen und Schüler keine deutlich sichtbaren religiösen Symbole mehr tragen. 2010 wurde per „Anti-Burka-Gesetz“ die Vollverschleierung im öffentlichen Raum untersagt. 2016 wurde es zudem privaten Unternehmen erlaubt, Kopftuchverbote für ihre Mitarbeiterinnen zu erlassen. Jahrelang tobte auch ein Streit über das Tragen von Burkinis – vor einem Jahr verbannte der Staatsrat dann das islamische Badekleid aus den französischen Schwimmbädern.