Supreme Court in Washington DC
APA/AFP/Getty Images/Anna Moneymaker
US-Höchstgericht

Förderung von Minderheiten an Unis gekippt

US-Universitäten dürfen nicht Studentinnen und Studenten aufgrund ihrer Hautfarbe bei der Aufnahme bevorzugen. Das entschied der Supreme Court in Washington am Donnerstag in einem Grundsatzurteil, das die konservative Mehrheit unter den Richtern spiegelt. Die als „Affirmative Action“ seit Jahrzehnten übliche Praxis verstoße gegen die Verfassung, urteilten die Richter. Mit dem Vorgehen hatten Hochschulen über Jahrzehnte versucht, einen besseren Zugang von Minderheiten zu Unis sicherzustellen.

„Der Student muss auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Individuum behandelt werden – nicht auf der Grundlage seiner Rasse“, schrieb der konservative Richter John Roberts in seiner Urteilsbegründung. In den USA ist der Begriff „race“ (Rasse) zur Unterscheidung von Bevölkerungsgruppen anhand ihrer Hautfarbe üblich.

„Viele Universitäten haben viel zu lange genau das Gegenteil getan. Und dabei sind sie fälschlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass der Prüfstein für die Identität eines Menschen nicht die gemeisterten Herausforderungen, die erworbenen Fähigkeiten oder die gelernten Lektionen sind, sondern die Hautfarbe. Unsere Verfassungsgeschichte duldet diese Entscheidung nicht“.

USA: Uniförderung von Minderheiten gekippt

US-Universitäten dürfen Studentinnen und Studenten nicht aufgrund ihrer Hautfarbe bei der Aufnahme bevorzugen. Das entschied der Supreme Court in Washington am Donnerstag in einem Grundsatzurteil. Die seit Jahrzehnten übliche Praxis verstoße gegen die Verfassung, urteilten die Richter.

Militärakademien ausgenommen

In einer Fußnote nahm Roberts die Militärakademien von dem Urteil aus, da sie „potenziell unterschiedliche Interessen“ haben. Laut „New York Times“ sei diskutiert worden, dass es „für die militärische Disziplin und den Zusammenhalt schlecht wäre, wenn der Führungskader nicht die Vielfalt der einfachen Truppen widerspiegeln würde, die den Großteil der Kämpfe und des Sterbens in Kriegen übernehmen“.

Außerdem erklärte der Gerichtshof, Universitäten könnten Schilderungen von Bewerbern berücksichtigen, wie ihre Hautfarbe ihr Leben geprägt habe – allerdings nur mit Bezug zur „Charakterqualität oder einmaligen Fähigkeit, die der Bewerber zur Universität beitragen kann“.

Klage gegen Harvard und University of North Carolina

In dem Urteil ging es um Klagen der Studentenorganisation Students for Fair Admissions (Studenten für faire Zulassungen) gegen die private Eliteuniversität Harvard und die staatliche University of North Carolina (UNC). Die Kläger argumentieren unter anderem, durch die insbesondere auf Afroamerikaner abzielenden Auswahlverfahren würden Bewerber mit asiatischen Wurzeln benachteiligt. Hinter der Kampagne steht vor allem Edward Blum, der sich schon seit Jahren gegen die „Affirmative Action“ starkmacht.

Harvard zufolge haben 40 Prozent der US-Universitäten entsprechende Programme. Bürgerrechtsorganisationen befürchten, dass die Zahl Schwarzer an Universitäten nach dem Ende der jahrzehntelangen Praxis nun drastisch zurückgehen könnte.

Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung eingeführt

Maßnahmen unter dem Schlagwort „Affirmative Action“ waren in den 1960er Jahren im Zuge der US-Bürgerrechtsbewegung eingeführt worden. Ziel war es, Afroamerikanern nach Jahrhunderten der Unterdrückung, Diskriminierung und Benachteiligung einen besseren Zugang zu guten Bildungseinrichtungen zu ermöglichen.

Entsprechende Programme waren aber von Anfang an umstritten. So zogen weiße Studienbewerber mit dem Argument vor Gericht, sie würden Opfer einer „umgekehrten Diskriminierung“. Kritiker führen auch an, die Hautfarbe zu berücksichtigen, zementiere die Unterteilung von Menschen in unterschiedliche Gruppen und spalte so die Gesellschaft.

Supreme Court nach rechts gerückt

1978 urteilte der Supreme Court zwar, Universitäten dürften bei der Auswahl von Bewerbern keine festen Quoten anhand der Hautfarbe nutzen. Die Hautfarbe oder die ethnische Herkunft könnten aber als eines von mehreren Kriterien genutzt werden, um Vielfalt in der Studentenschaft sicherzustellen.

Jetzt kippte der in den vergangenen Jahren durch die Richterbestellungen von Präsident Donald Trump nach rechts gerückte Gerichtshof das Prinzip der „Affirmative Action“ an Hochschulen. Am Supreme Court stellen konservative Richter eine Mehrheit von sechs der neun Posten. Die linksliberale Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor kritisierte den Mehrheitsbeschluss scharf.

Mit dem Urteil würden „Jahrzehnte“ des Fortschritts zurückgerollt. „Das Gericht zementiert eine oberflächliche Regel der Blindheit gegenüber Hautfarbe als Verfassungsprinzip in einer endemisch (nach Hautfarbe) getrennten Gesellschaft.“

Biden: „Schwere Enttäuschung“

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs sorgte für geteilte politische Reaktionen gesorgt. US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Entscheidung als „schwere Enttäuschung“. „Wir sollten niemals zulassen, dass sich dieses Land von dem Traum wegbewegt, auf dem es gegründet wurde: dass es Chancen für jeden gibt, nicht nur für ein paar wenige“, sagte Biden im Weißen Haus.

Er schloss sich den Worten von Richterin Sotomayor an, die der Mehrheitsmeinung widersprach: Das Gericht mache mit seiner Entscheidung Jahrzehnte bedeutsamen Fortschritts zunichte. „Diskriminierung gibt es immer noch in Amerika“, sagte Biden. Er wies das Bildungsministerium an, zu untersuchen, welche Maßnahmen zu einer inklusiveren und diversen Studentenschaft beitragen könnten.

Obama: Hat erlaubt „zu beweisen, dass wir dazugehören“

Der frühere US-Präsident Barack Obama erklärte, „Affirmative Action“ – auch bekannt als positive Diskriminierung – sei wie jede Politik „nicht perfekt“ gewesen. Sie habe ihm und seiner Ehefrau Michelle aber erlaubt „zu beweisen, dass wir dazugehören“. Nun müssten sich alle dafür einsetzen, dass junge Menschen die Chancen erhielten, die sie verdienten, erklärte der erste schwarze US-Präsident der Geschichte. Obamas Ehefrau Michelle erklärte, die Supreme-Court-Entscheidung „bricht mir das Herz“.

Senator Cory Booker von Obamas Demokratischer Partei sprach von einem „verheerenden Schlag gegen unser Bildungssystem im ganzen Land“. „Affirmative Action“ sei ein Werkzeug gewesen, „um systemische Hürden zu zerbrechen“, fügte der Afroamerikaner hinzu.

Jubel bei Trump und Republikanern

Bei den oppositionellen Republikanern sorgte das Urteil des Supreme Court für Jubel. Der frühere Präsident Donald Trump sprach von einem „großartigen Tag für Amerika“. Künftig werde wieder nur die Leistung des Einzelnen zählen.

Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, begrüßte das Urteil ebenfalls. „Jetzt werden Studenten auf Grundlage gleicher Standards und individueller Leistung konkurrieren können“, erklärte McCarthy. „Das wird das Verfahren für einen Zugang zu Hochschulen fairer machen und die Gleichheit vor dem Gesetz wahren.“

Die republikanische Präsidentschaftsbewerberin Nikki Haley erklärte, das Urteil werde allen Studenten eine bessere Chance geben, den „amerikanischen Traum zu verwirklichen“. „Gewinner und Verlierer anhand von Hautfarbe auszuwählen ist grundlegend falsch.“