Menschen protestieren vor dem Supreme Courts
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Wahlversprechen blockiert

Supreme Court stellt Biden vor neue Hürden

Das US-Höchstgericht hat Präsident Joe Biden die nächste Niederlage zugefügt. Am Freitag kippte der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court ein zentrales Wahlversprechen Bidens: den Erlass von Studienschulden. Mit der Streichung der Schulden habe die US-Regierung ihre Kompetenzen überschritten, heißt es. Schon in den letzten Tagen entschied das Höchstgericht mehrfach gegen Bidens Linie.

Wer in den USA studieren will, muss in der Regel viel dafür zahlen: Meistens wird das Studium über Studienkredite finanziert, die die späteren Absolventinnen und Absolventen lange abbezahlen. Nach Angaben der US-Regierung haben 43 Millionen US-Bürger Studienschulden von 1,6 Billionen Dollar (rund 1,46 Billionen Euro).

Deshalb erklärte Biden im vergangenen August, Millionen von früheren Studentinnen und Studenten Studienschulden auf Bundesebene von jeweils bis zu 20.000 Dollar erlassen zu wollen. Die Streichung der Schulden hätte sich auf rund 430 Milliarden Dollar (rund 395 Mrd. Euro) belaufen.

Regierung überschritt Kompetenzen

Nun schob der Supreme Court Bidens Wahlversprechen aber einen Riegel vor: Die Regierung habe ihre Kompetenzen überschritten, denn der Schuldenerlass sei ohne Zustimmung des Kongresses erfolgt. Die Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte während der Pandemie die Rückzahlung von Studienschulden auf Eis gelegt. Sie berief sich dabei auf ein Gesetz aus dem Jahr 2003, das ein solches Vorgehen in „nationalen Notfällen“ ermöglicht.

US-Präsident Joe Biden
Reuters/Jonathan Ernst
Für Präsident Biden ist die Entscheidung des Gerichts der nächste Rückschlag

Die Biden-Regierung argumentiert, das Gesetz erlaube auch eine Streichung von Studienschulden. Konservative Bundesstaaten zogen dagegen aber vor Gericht, der Fall landete schließlich vor dem Supreme Court. Die Biden-Regierung argumentierte vor Gericht, sie habe ihre Befugnisse nicht überschritten, sondern handle im Rahmen des Gesetzes von 2003.

Der Supreme Court wies diese Argumentation aber in seinem Urteil vom Freitag zurück. Das Gesetz erlaube dem Bildungsministerium nicht den Erlass von Studienschulden in einem solchen Umfang, urteilte die konservative Richtermehrheit des Gerichts. Die Kompetenz dafür liege beim Kongress und nicht bei der Regierung. „Die Frage hier ist nicht, ob etwas getan werden sollte. Es ist, wer die Befugnis hat, es zu tun“, heißt es in dem Urteil. „Zu den wichtigsten Befugnissen des Kongresses gehört die Kontrolle über den Geldbeutel.“

Biden: „Kampf noch nicht vorbei“

Biden bezeichnete die Entscheidung als falsch. Der Teilerlass hätte das Leben von Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern verändern können und wäre auch für das Wirtschaftswachstum des Landes gut gewesen, schrieb er in einer Stellungnahme.

Nun kündigte er neue Maßnahmen an, die so vielen Empfängern von Studiendarlehen wie möglich zugutekommen und „so schnell wie möglich in Kraft treten“ sollen, so Biden. Dazu gehört eine zwölfmonatige Aussetzung von Strafgebühren für das Versäumen von Fristen bei der Rückzahlung der Darlehen. Auch soll ein höherer Anteil des Einkommens der Menschen mit Studienschulden gegen die Rückerstattungsforderungen geschützt werden.

Auch Schutz von gleichgeschlechtlichen Paaren aufgeweicht

Ebenfalls am Freitag weichte der Supreme Court auch den Schutz für gleichgeschlechtliche Paare auf. Diesen können nach einem Urteil des US-Gerichts bestimmte Dienstleistungen aus religiösen Gründen verwehrt werden. Der Supreme Court entschied im Fall einer Webdesignerin, die ihre künstlerischen Dienste auch Hochzeitspaaren anbieten will – allerdings aus Glaubensgründen explizit nicht gleichgeschlechtlichen Paaren. Das Gericht sieht das von der Meinungsfreiheit gedeckt, die in der Verfassung verankert ist.

Der Fall könnte schwerwiegende Folgen bei Fragen des Schutzes vor Diskriminierung haben. Das Gericht befand, „die Möglichkeit, selbst zu denken und diese Gedanken frei zu äußern“, gehöre zu den am meisten geschätzten Freiheiten der Republik. Die USA seien gemäß der Verfassung ein Ort, „an dem alle Menschen die Freiheit haben, zu denken und zu sprechen, wie sie wollen, und nicht, wie die Regierung es verlangt“. Die liberale Richterin Sonia Sotomayor schrieb in einer abweichenden Meinung: „Unsere Verfassung enthält kein Recht, einer missliebigen Gruppe Dienste zu verweigern.“

Supreme Court kippte „Affirmative Action“

Erst tags zuvor kippte der Supreme Court eine seit Jahrzehnten übliche Praxis an US-Universitäten: Dabei ging es um die Bevorzugung aufgrund der Hautfarbe bei der Aufnahme. Mit dieser „Affirmative Action“ hatten Hochschulen über Jahrzehnte versucht, einen besseren Zugang von Minderheiten zu Unis sicherzustellen.

Studierende der University of North Carolina
Reuters/Jonathan Drake
Der Supreme Court entschied zu mehreren Themen, die US-Unis treffen

„Der Student muss auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Individuum behandelt werden – nicht auf der Grundlage seiner Rasse“, schrieb der konservative Richter John Roberts in seiner Urteilsbegründung. In den USA ist der Begriff „race“ (Rasse) zur Unterscheidung von Bevölkerungsgruppen anhand ihrer Hautfarbe üblich.

Sotomayor: „Jahrzehnte“ des Fortschritts zurückgerollt

„Viele Universitäten haben viel zu lange genau das Gegenteil getan. Und dabei sind sie fälschlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass der Prüfstein für die Identität eines Menschen nicht die gemeisterten Herausforderungen, die erworbenen Fähigkeiten oder die gelernten Lektionen sind, sondern die Hautfarbe. Unsere Verfassungsgeschichte duldet diese Entscheidung nicht.“

Sotomayor kritisierte den Mehrheitsbeschluss scharf. Mit dem Urteil würden „Jahrzehnte“ des Fortschritts zurückgerollt. „Das Gericht zementiert eine oberflächliche Regel der Blindheit gegenüber Hautfarbe als Verfassungsprinzip in einer endemisch (nach Hautfarbe) getrennten Gesellschaft.“

„Schwere Enttäuschung“ für Biden

US-Präsident Biden bezeichnete die Entscheidung als „schwere Enttäuschung“. „Wir sollten niemals zulassen, dass sich dieses Land von dem Traum wegbewegt, auf dem es gegründet wurde: dass es Chancen für jeden gibt, nicht nur für ein paar wenige“, sagte Biden im Weißen Haus.

Mitglieder des US-Supreme Courts
AP/J. Scott Applewhite
Unter Trump als US-Präsident rückte der Supreme Court nach rechts

Der Supreme Court ist unter dem früheren republikanischen Präsidenten Trump weit nach rechts gerückt. Es gibt nur noch drei Richterinnen, die als liberal gelten. Ihnen gegenüber stehen sechs erzkonservative und teils sehr religiöse Richter, die zuletzt auch immer wieder im Sinne christlicher Kläger entschieden.