Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin
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Milliardengeschäfte

Prigoschins Imperium vor Zerschlagung

Nach dem Aufstand der Söldnergruppe Wagner wird auch das Firmenimperium von Chef Jewgeni Prigoschin zerbrochen. Seine Mediengruppe mit zehn für ihre Propaganda bekannten Nachrichtenwebsites ist bereits geschlossen, ebenso sein soziales Netzwerk und seine „Trollfabriken“. Noch unklar ist, was mit seinem Konzern Concord passiert. Dieser hatte allein in einem Jahr 80 Milliarden Rubel (830 Mio. Euro) für die Verköstigung der russischen Armee kassiert.

Am Freitag wurde bekannt, dass sich Prigoschins Patriot Media Group auflöst. Das Unternehmen hatte zehn Nachrichtenwebsites betrieben, die allesamt binnen Stunden keine neuen Beiträge mehr veröffentlichten. Zuletzt wurde auch das Flaggschiff der Gruppe, Ria Fan, nicht mehr aktualisiert. Die Websites waren bekannt dafür, einseitig die Regierungslinie des Kreml wiederzugeben. Seinen Betrieb eingestellt hat das soziale Netzwerk YaRus, eine Mischung aus Instagram und TikTok.

Ebenfalls geschlossen wurden drei „Trollfabriken“, die Prigoschin zugeordnet wurden, allen voran die laut Eigenangaben von ihm gegründete „Agentur für Internetforschung". Tausende Beschäftigte verbreiteten über Jahre in sozialen Netzwerken Propaganda und Falschmeldungen. Die „Trollfabrik“ griff auch maßgeblich in den US-Präsidentschaftswahlkampf von 2016 ein, um den später siegreichen Kandidaten Donald Trump zu fördern und seine Gegenkandidatin Hillary Clinton zu diffamieren.

Auflösung oder Verschiebung?

Der Chef der „Trollfabrik“ und gleichzeitig Direktor von Ria Fan, Jewgeni Zubarew, sagte in einer Videobotschaft, die in den Telegram-Kanälen des Medienunternehmens verbreitet wurde, dass die 2009 gegründete Patriot Media Group ihre Tätigkeiten einstelle. Er bestätigte Propagandavorwürfe, indem er sie verteidigte „Es war wichtig, oppositionelle Journalisten zu diskreditieren. Sie haben versucht, das Land zu zerstören.“

Screenshot Ria Fan
riafan.ru
Die Website Ria Fan wird nicht mehr aktualisiert

Offen ist, ob Prigoschins Mediengruppe tatsächlich aufgelöst wird oder sich neue und regimetreue Eigentümer finden. Das russische Exilmedium The Bell berichtet, die Unternehmen könnten in das Medienimperium des Milliardärs und Putin-Vertrauten Juri Kowaltschuk einverleibt werden.

Lukratives Catering

Völlig unklar ist noch, was mit Prigoschins Concord-Gruppe passiert, einem äußerst lukrativen Netzwerk verschiedenster Firmen. Dazu gehört Concord Catering, das laut Medienberichten eine Zeit lang die größte Cateringfirma ganz Osteuropas war. Prigoschin hatte sich ja als Restaurantbesitzer einen Namen gemacht und galt als „Koch Putins“, weil er bei Staatsbanketts für das leibliche Wohl sorgte.

Jewgeni Prigoschin und Wladimir Putin
Reuters/Misha Japaridze
Jewgeni Prigoschin beim Bewirten von Wladimir Putin

Seine Cateringfirma belieferte nicht nur Seniorenheime und Kindergärten, sondern hatte auch einen Vertrag zur Ausrüstung der russischen Armee. Allein dafür erhielt die Firma von Mai 2022 bis Mai 2023 80 Milliarden Rubel, sagte der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Rede am Donnerstag. Zum Vergleich: Prigoschins Wagner-Gruppe erhielt laut Putin im selben Zeitraum 86 Milliarden Rubel für Solde und Prämien – also nur geringfügig mehr.

Zur Concord-Gruppe zählt auch das Unternehmen Megaline, das für das russische Militär Bauaufträge übernimmt. Zudem gehören zum Imperium unter anderem Immobilienentwicklungs-, Bau- und Transportfirmen.

Firmennetzwerk in Afrika

Im Zusammenhang mit dem militärischen Engagement der Wagner-Gruppe in Afrika wurden auch immer wieder Vorwürfe laut, die Söldnertruppe würde sich an den Bodenschätzen in den Ländern bedienen. Auch dafür gibt es im Prigoschin-Imperium eingerichtete Unternehmen. Wie es mit der Wagner-Truppe in Afrika weitergeht, ist völlig offen. Die Söldner sollen nach russischen Angaben weiter in Afrika aktiv sein, falls die Regierungen der jeweiligen Länder sich für eine Weiterführung der Verträge mit den Söldnern entscheiden, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Freitag.

Wagner-Söldner in Mali
AP/French Military
Wagner-Söldner in Mali

Mutter als Firmenchefin

Aus Moskau hieß es aber, man werde die Geschäfte von Concord untersuchen. Es wird spekuliert, ob zunächst das Cateringunternehmen „übernommen“ werden soll. Im Gespräch ist offenbar ein Unternehmen, das mit der derzeitigen Führung des russischen Verteidigungsministeriums verbunden ist. Unklar ist, wie viel Skrupel die russische Führung beim Umgang mit Prigoschins Vermögenswerten hat.

Denn rein formal hat Prigoschin mit der Concord-Gruppe wenig zu tun: Chefin ist seit 2011 seine Mutter, Violetta Prigoschina. Überhaupt ist der Besitz in der Familie gut aufgeteilt: Seiner Frau Lyubow Prigoschina gehören mehrere Wellnesshotels, auch seinen drei Kindern gehören einige Hotels und weitere Luxusimmobilien, berichtet die exilrussische Nachrichtenwebsite Meduza.

Wagner-Lager in Belarus wird größer als vermutet

Unterdessen baut die Söldnergruppe Wagner laut Einschätzung von US-Experten nach ihrer gescheiterten Revolte in Russland drei Militärlager im mit Moskau verbündeten Belarus auf. „Neue hochauflösende Satellitenbilder, die am 30. Juni gemacht wurden, zeigen auf einer ehemaligen Militärbasis in Belarus mindestens 303 Zelte, in denen 20 bis 50 Personen untergebracht werden können“, schrieb das in Washington ansässige Institute for the Study of War (ISW) in seinem täglichen Lagebericht.

Satellitenbild von Militärlager in Belarus
Satellitenbild von Militärlager in Belarus
AP/Planet Labs PBC AP/Planet Labs PBC
Satellitenbilder zeigen den Aufbau des Wagner-Camps in Belarus

Die Zelte seien bei der Stadt Assipowitschy innerhalb der letzten Woche aufgetaucht. Bisher hatte es geheißen, auf dem Stützpunkt könnten 8.000 Mann untergebracht werden. Nun könnten es aber fast doppelt so viele sein. Daneben gebe es Berichte über Pläne für zwei weitere Lager im Westen von Belarus.