Polizist vor zwei ausgebrannten Autowracks
Reuters/Yves Herman
Deutschland-Besuch gestrichen

Unruhen setzen Macron unter Druck

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gerät angesichts der Unruhen in seinem Land nach der Tötung eines 17-Jährigen durch die Polizei immer mehr unter Druck. Samstagnachmittag sagte Macron nun kurzfristig einen Staatsbesuch in Deutschland ab. Während der Teenager, dessen Tod die Proteste auslöste, am Samstag im engen Familienkreis in Nanterre begraben wurde, ist ein Ende der Unruhen weiter nicht in Sicht.

Angesichts der seit vier Tagen anhaltenden Unruhen in Frankreich verschärfen die Behörden ihre Maßnahmen weiter. Landesweit wurden Demonstrationen untersagt. Innenminister Gerald Darmanin kündigte erneut den Einsatz von rund 45.000 Sicherheitskräften an. Besonders in Lyon und Marseille würden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.

In Frankreich hatten von Freitag auf Samstag zahlreiche Menschen die vierte Nacht in Folge schwere Zerstörungen angerichtet. Die Ausschreitungen fanden in mehreren Städten statt, sprangen zudem aber auch auf französische Überseegebiete über.

Die Regierung antwortete am Freitag auf die Randale u. a. mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Beispielsweise sollen Straßenbahnen und Busse bis auf Weiteres nicht mehr nachts fahren, Großveranstaltungen wurden abgesagt, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen verboten. Da viele der Randalierer nach Angaben der Regierung sehr jung sind, appellierte Macron an das Verantwortungsbewusstsein der Eltern und machte die sozialen Netzwerke für die Gewalteskalation verantwortlich.

Feuerwehr bei brennenden Müllcontainern in den Vororten von Paris
IMAGO/ABACAPRESS/Urman Lionel/Abaca
Szenen der Gewalt wie diese gibt es seit einigen Nächten in mehreren Städten

Appell der Nationalmannschaft

Und die französische Regierung hofft auch auf Hilfe der gerade bei den Jugendlichen der Vorstädte beliebte Fußballnationalmannschaft. Der französische Fußballstar Kylian Mbappe zeigte sich vom Tod des 17-Jährigen betroffen und warnte vor Gewalt.

„Seit diesem tragischen Ereignis sind wir Zeuge des Ausdrucks der Wut der Bevölkerung, deren Inhalt wir verstehen, deren Form wir jedoch nicht gutheißen können“, heißt es in dem Statement, das er am Freitagabend zusammen mit anderen Nationalspielern veröffentlichte. Gewalt löse keine Probleme, appellierte er. „Die Zeit der Gewalt muss enden, um der Zeit der Trauer, des Dialogs und des Wiederaufbaus Platz zu machen“, sagte Mbappe.

Hunderte Festnahmen in Frankreich

In Frankreich gab es am Freitag bereits die vierte Nacht in Folge Proteste und Ausschreitungen. Hunderte Menschen wurden festgenommen. Grund für die Unruhen ist die Tötung eines Teenagers durch einen Polizisten Anfang der Woche.

Starke Polizeipräsenz

Auch die starke Polizeipräsenz und behördlich angeordnete Einschränkungen des öffentlichen Lebens konnten indes die erneuten Ausschreitungen in der Nacht auf Samstag in ganz Frankreich nicht verhindern. In Großstädten wie Lyon, Marseille und Straßburg waren Demonstrationen und Veranstaltungen auch am Freitagabend bereits verboten worden, wie der Sender franceinfo berichtete.

Trotzdem gab es Plünderungen, Sachbeschädigungen und gewalttätige Zusammenstöße. Zu besonders heftigen Auseinandersetzungen kam es Medienberichten zufolge in Marseille und Lyon. In Marseille wurde unter anderem nach einem Brandanschlag ein Supermarkt geplündert. Schon in der Nacht auf Freitag waren mehr als 900 Menschen festgenommen worden, in der Nacht auf Samstag waren es 1.311, so das französische Innenministerium. Zuvor war von knapp 1.000 die Rede gewesen.

Darmanin teilte mit, die Gewalt sei insgesamt trotzdem von „weitaus geringerer Intensität“ gewesen. Er sagte: „Die Republik wird gewinnen, nicht die Randalierer.“ Er sei nicht der Ansicht, dass der Ausnahmezustand verhängt werden müsse.

Zerstörung nach Ausschreitungen bei Demonstration in Frankreich
Reuters/Yves Herman
In Frankreich kam es erneut zu Ausschreitungen und Plünderungen. Im Bild: Nanterre

Auch Proteste in der Karibik

Die Unruhen griffen auch auf französische Überseegebiete in der Karibik über. In Cayenne, der Hauptstadt des südamerikanischen Departments Französisch-Guayana, kam ein Mensch durch einen Querschläger ums Leben. Nach Medienberichten handelte es sich bei dem Mann um einen Mitarbeiter der Lokalverwaltung. Auch im karibischen Überseegebiet Martinique kam es nach einem Bericht des regionalen Portals France-Antilles in der Nacht auf Freitag zu Gewalt. Etwa 20 bis 30 Vermummte warfen demnach in der Hauptstadt Fort-de-France mit Steinen auf Polizisten. An mehreren Orten seien Mülltonnen angezündet worden.

Poilzeieinheit während der Ausschreitungen in Frankreich
Reuters/Nacho Doce
Das Polizeiaufgebot war enorm

Beerdigung von Nahel

Vier Tage nach dem Tod des 17-jährigen Nahel bei einer Polizeikontrolle bei Paris nahmen Freundinnen und Freunde und Verwandte von ihm Abschied. Gegen Mittag begann laut der Tageszeitung „Le Parisien“ eine Trauerfeier in einer Moschee in Nanterre nahe Paris. Die Familie hatte sich gewünscht, dass keine Presse an der Trauerfeier und der anschließenden Beisetzung teilnehmen soll. Der Tod des Jugendlichen hatte landesweite Unruhen ausgelöst.

„Le Parisien“ berichtete, dass gegen Mittag ein weißer Sarg in der Moschee aufgebahrt wurde. Rund um das Gebäude sei eine Sicherheitszone errichtet worden, zu der nur ausgewählte Personen Zutritt bekommen hätten. Die Zeitung „Le Figaro“ schrieb, dass Hunderte Menschen an den Trauerfeierlichkeiten teilnahmen.

Polizist in U-Haft

Eine Motorradstreife in Nanterre bei Paris hatte den 17-jährigen Nahel am Steuer eines Autos gestoppt. Als der Jugendliche plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Der Vorfall sorgte landesweit für Bestürzung, Frankreich wird seitdem von heftigen Unruhen erschüttert. Der Polizist, der für Nahels Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.