Polizeieinsatz auf den Champs Elysees
Reuters/Nacho Doce
Krawalle in Frankreich

Polizei räumte Champs-Elysees

Frankreich kommt nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel weiter nicht zur Ruhe. In Paris, Marseille und Lyon kam es in der fünften Nacht in Folge zu Krawallen. Die Pariser Champs-Elysees wurden von der Polizei geräumt. Das Wohnhaus eines Bürgermeisters wurde angegriffen. Präsident Emmanuel Macron will am Sonntag einen Lagebericht abgeben. Die Großmutter des von der Polizei getöteten 17-jährigen Nahel rief zum Ende der Gewalt auf.

Das berichtete „Le Figaro“ in der Nacht auf Sonntag. Auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees in der Hauptstadt sei die Präsenz der Sicherheitskräfte sehr stark gewesen, wie auch eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Kleine Gruppen von schwarz gekleideten jungen Männern liefen an den Geschäften entlang. Später in der Nacht lösten die Sicherheitskräfte dort die letzten verbliebenen Protestgruppen auf.

In der Nacht seien 719 Menschen festgenommen und 45 Einsatzkräfte verletzt worden, teilte das französische Innenministerium in einer vorläufigen Bilanz mit. 577 Fahrzeuge und 74 Gebäude seien in Brand gesetzt worden. 871 Feuer auf Straßen wurden den Angaben zufolge gezählt.

Feuerwehr löscht brennendes Fahrzeug
Reuters/Pascal Rossignol
Hunderte Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt

Innenminister Gerald Darmanin schrieb auf Twitter, dass die Nacht „dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte“ eine ruhigere gewesen sei. Premierministerin Elisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45.000 Polizistinnen und Polizisten sowie Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.

Spezialtruppen im Einsatz

Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.

Besonders in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz in den vergangenen Tagen erheblich verstärkt. Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war, war die Polizei dort mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.

Polizeieinsatz auf den Champs Elysees
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Der Pariser Prachtboulevard Champs-Elysees wurde von der Polizei geräumt

In Marseille sei die Lage am Samstag angespannt, aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Abend noch mit. Den ganzen Abend über hätten sich Gruppen gebildet, um Schaden anzurichten, gab die Präfektur Bouches-du-Rhone laut „Le Parisien“ bekannt. Die Polizei habe versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben.

Grundstück von Bürgermeister angegriffen

Im Außenbezirk von Paris wurde in der Stadt L’Hay-les-Roses das Haus des Bürgermeisters, Vincent Jeanbrun, angegriffen. Nach Angaben des Fernsehsenders BFMTV leitete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung wegen versuchten Mordes ein. Aus seinem Umfeld hieß es, gegen ein Uhr in der Nacht seien mehrere Personen mit einem Fahrzeug gewaltsam durch das Tor des Hauses eingedrungen. Sie hätten dieses Auto und das des Bürgermeisters sowie Mülleimer in Brand gesteckt.

Es gelang den Eindringlingen demnach nicht, das Haus zu betreten, aber sie seien der Frau und den beiden etwa zehnjährigen Kindern des Bürgermeisters in ihren Garten hinter dem Haus gefolgt. Die Familie habe sich in das Nachbargrundstück retten können, die Frau habe sich verletzt. Jeanbrun selbst habe sich zu dem Zeitpunkt im Rathaus aufgehalten.

Appell der Großmutter des Teenagers

Die Großmutter des getöteten 17-Jährigen rief am Sonntag zur Ruhe auf. „Zum Glück sind die Polizisten da. Die Leute, die gerade etwas kaputt machen, denen sage ich: Hört auf. Sie haben Nahel als Vorwand genommen“, sagte sie am Sonntag dem Fernsehsender BFMTV. Sie sei zwar wütend auf den Beamten, der ihren Enkelsohn erschossen habe, möchte aber nicht verallgemeinern. Er werde bestraft werden wie jeder andere auch. „Ich habe Vertrauen in die Justiz.“ Die Menschen sollten ruhig bleiben und nicht alles zerstören.

Macron will Lagebericht abgeben

Angesichts der anhaltenden Unruhen will Präsident Macron am Sonntagabend einen Lagebericht abgeben. Zuletzt hatte er sich am Freitag dazu geäußert. Angesichts des sehr jungen Alters vieler Randalierer appellierte er an das Verantwortungsgefühl der Eltern.

Zuvor hatte Macron wegen der Unruhen seinen Staatsbesuch in Deutschland abgesagt. Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Doch die innenpolitische Lage zwingt Macron, in Frankreich zu bleiben.

Festnahme bei Demonstration in Frankreich
Reuters/Juan Medina
Hunderte Menschen wurden in der Nacht auf Sonntag verhaftet

Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Den nationalen Notstand rief die Regierung allerdings bisher nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.

Ausschreitungen in der Schweiz

Die Unruhen in Frankreich erreichten auch die Schweiz. Die Polizei nahm am Samstagabend in der Stadt Lausanne nahe der Grenze zu Frankreich sieben Menschen fest, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Nach Angaben der Polizei hatten sich mehr als 100 Jugendliche als Reaktion auf die Krawalle in Frankreich versammelt. Es kam zu Sachbeschädigungen an Geschäften.

Frankreich: Unruhen nehmen kein Ende

In Frankreich werden auch für die Nacht auf Sonntag wieder gewaltsame Ausschreitungen befürchtet. Präsident Emmanuel Macron gerät angesichts der Unruhen nach der Tötung eines 17-Jährigen durch die Polizei immer mehr unter Druck. Samstagnachmittag sagte Macron nun kurzfristig einen Staatsbesuch in Deutschland ab.

Die sieben Festgenommenen seien auf eine Polizeistation gebracht worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei weiter. Es handle sich um sechs Minderjährige im Alter von 15 bis 17 Jahren und einen 24-Jährigen. Rund 50 Beamte der Stadtpolizei Lausanne, der Kantonspolizei Waadt und anderer Gemeindepolizeien standen im Einsatz. Sie mussten mehrmals vermummte Jugendliche vertreiben, die sie mit Pflastersteinen bewarfen. Es wurde auch ein Molotowcocktail gegen Polizisten geworfen.