Personen auf Champs-Elysees
APA/AFP/Ludovic Marin
Frankreich

Unruhen ebben ab

Nach tagelangen Unruhen ebbt die Gewalt auf Frankreichs Straßen langsam ab. In der Nacht auf Montag meldeten die Behörden deutlich weniger Festnahmen als in den Tagen zuvor. Auslöser der Krawalle war die Tötung des 17-jährigen Nahel M. durch einen Polizisten. Die Großmutter des Teenagers hatte am Sonntag zum Ende der Gewalt aufgerufen.

In der Nacht habe es 157 Festnahmen gegeben, teilte das Innenministerium Montagfrüh mit. Laut Ministerium wurden drei Ordnungskräfte verletzt. 297 Fahrzeuge hätten gebrannt, und 352 Brände auf Straßen seien gezählt worden.

Gemessen an den heftigen Unruhen der Tage davor mit Bildern Hunderter brennender Autos und Gebäude sowie teils mehr als 1.000 Festnahmen während der Nachtstunden blieb es aber relativ ruhig.

Feuerwehrmann starb bei Einsatz

Innenminister Gerald Darmanin berichtete Montagfrüh vom Tod eines jungen Feuerwehrmannes. Der 24-Jährige starb in Saint-Denis nördlich von Paris beim Löschen brennender Fahrzeuge in einer Tiefgarage „trotz der schnellen Hilfe seiner Mannschaftskameraden“, wie Darmanin auf Twitter schrieb. Derzeit werde ermittelt, wie es zu dem Brand der Fahrzeuge gekommen sei, fügte er hinzu.

Krawalle in Frankreich beruhigen sich

Die Ausschreitungen in Frankreich nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel ebben ab. In der Nacht auf Montag gab es bedeutend weniger Festnahmen.

Darmanin hatte in der dritten Nacht in Folge auf starke Polizeipräsenz gesetzt. 45.000 Polizisten waren im ganzen Land im Einsatz, auch diesmal wieder mit gepanzerten Fahrzeugen. Der Innenminister hatte erneut die Anweisung gegeben, entschlossen vorzugehen und Krawallmacher so schnell wie möglich festzunehmen.

Großmutter: „Sie haben Nahel als Vorwand genommen“

Die Großmutter des getöteten M. rief am Sonntag zur Ruhe auf. „Zum Glück sind die Polizisten da. Die Leute, die gerade etwas kaputtmachen, denen sage ich: Hört auf! Sie haben Nahel als Vorwand genommen“, sagte sie am Sonntag dem Fernsehsender BFMTV.

Sie sei zwar wütend auf den Beamten, der ihren Enkelsohn erschoss, wolle aber nicht verallgemeinern. Er werde bestraft werden wie jeder andere auch. „Ich habe Vertrauen in die Justiz.“ Die Menschen sollten ruhig bleiben und nicht alles zerstören.

Feuerwehrmann löscht Feuer
Reuters/Juan Medina
In der Nacht auf Montag kam es erneut zu Krawallen – die Gewaltwelle ebbt allerdings ab

Der Bursch war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als er plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Gegen den Polizisten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet, er befindet sich in U-Haft.

Krisentreffen der Regierung

Angesichts der anhaltenden Unruhen fand Sonntagabend im Innenministerium ein Krisentreffen der Regierung, geleitet von Präsident Emmanuel Macron, statt. Nach dem Treffen erklärte das Präsidentenamt, Macron wolle sich am Montag mit führenden Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der rund 220 von den Krawallen betroffenen Gemeinden treffen.

Die Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs rief für Montagmittag zu Solidaritätskundgebungen vor allen Rathäusern des Landes auf. Seit Dienstag seien 150 Rathäuser oder Gemeindegebäude angegriffen worden, sagte der Verbandsvorsitzende David Lisnard.

Politologe über Lage in Frankreich

Politikwissenschaftler Nino Galetti über die Unruhen in Frankreich und die politischen Folgen.

In der Stadt L’Hay-les-Roses in einem Außenbezirk von Paris war das Haus des Bürgermeisters Vincent Jeanbrun angegriffen worden. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung wegen versuchten Mordes ein. In der Nacht auf Sonntag waren mehrere Personen mit einem Fahrzeug gewaltsam durch das Tor des Hauses eingedrungen. Sie hätten dieses Auto und das des Bürgermeisters sowie Mistkübel in Brand gesteckt, so die Polizei. Die Familie des Politikers konnte sich auf das Nachbargrundstück retten. Hunderte Rathäuser in ganz Frankreich ließen am Montag aus Solidarität mit der Familie die Sirenen heulen.

Macron-Appell an Eltern

Am Freitag hatte Macron angesichts des sehr jungen Alters vieler Randalierenden an das Verantwortungsgefühl der Eltern appelliert. Macron musste am Samstag seinen geplanten Staatsbesuch in Deutschland absagen. Auch Marine Le Pen von der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National sagte wegen der Unruhen ein für Montag geplantes Treffen mit Lega-Chef Matteo Salvini ab.

Abgebranntes Auto in Cpolombes
AP/Christophe Ena
Ausgebranntes Fahrzeug außerhalb von Paris: Am Sonntag traf sich die französische Regierung zur Krisensitzung

Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurde verboten. Den nationalen Notstand rief die Regierung allerdings bisher nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.

Kritik an Spendenaktion von Rechtsextremen

Eine von Rechtsextremen organisierte Spendenaktion für den Polizisten, der M. erschossen hatte, erbrachte bis Montagvormittag indes mehr als 900.000 Euro. Ziel sei die Unterstützung der Familie des Polizisten, „der seine Arbeit getan hat und nun einen hohen Preis zahlt“, wie es in der Kampagne heißt. Der Spendentopf wurde von Jean Messiha, einem Unterstützer des rechtsextremen Politikers Eric Zemmour, eingerichtet.

Scharfe Kritik kam von Justizminister Eric Dupond-Moretti. Diese Aktion diene nicht der Beruhigung der Lage, sagte Dupond-Moretti. „Die Botschaft lautet also: Tötet Araber und ihr werdet Millionär“, schrieb der linkspopulistische Abgeordnete David Guiraud auf Twitter. Die Plattform GoFundMe sagte, dass die Spendenaktion nicht gegen ihre Regeln verstoße. „Das Geld geht direkt an die Familie“, sagte ein Unternehmenssprecher der Zeitung „Le Figaro“.